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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 54.1903-1904

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Plehn, Anna L.: Konstruktion und Ornamentik in der neueren Tischlerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.7291#0188

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Konstruktion tutb Ornamentik in der neueren Tischlerei.

229. Büfett, Entwurf aus den Ateliers von
Steinicken & Lohr, München.

tendenz eines polzteils durchkreuzen soll. Dann wird
auch niemals, solange das Geräte dasteht, ein Spalt
den Urheber der Vorspiegelung einer falschen Tatsache
zeihen und seine Absicht nachträglich zunichte machen.

Einstweilen sind die Aunsthandwerker, welche
solche Grundsätze betätigen, noch so von dem ersten
Feuer ihrer Überzeugung erfüllt, welche sie gegen
die ganze Übermacht des gedankenlosen Schlendrians

340. Mappeuschrauk.

wie auch gegen die vorhin charakterisierte Richtung
der Moderne zu vertreten haben, daß sie sich um
die künftige Entwicklung des Ornaments ain Möbel
keine Sorge machen. Sie haben so viel Freude an
der Feststellung der verschiedenen Typen zweckdien-
licher Geräte von vornehmein Aufbau, daß sie sich
mit nichts anderem abgeben wollen als mit der
Zweckform, deren Schönheit in möglichster Schlichtheit
besteht. Za Van de Velde, der eigentliche Wort-
führer der Truppe, betont leidenschaftlich, daß es in
Zukunft überhaupt nichts Entbehrliches und also auch
kein Ornament ain Gebrauchsgegenstand geben werde.
Wenn er Recht behalten sollte, so müßte ein Ver-
langen aussterben, welches in früheren Epochen der
Menschennatur durchaus wesentlich war. Denn nie-
mals hat noch irgend ein Gegenstand, der mensch-
lichem Bedarf diente, aus die Dauer bestanden, ohne
daß Aünstlerphantasie seine Gestalt mit einem
schmückenden Meide versah. Solange eine neue Aon-
struktionsidee den Menschenaugen überraschend war,
wurde sie für sich allein als befriedigende Aünstlertat
empfunden und genügte, um die Augen zu sättigen.
Aber wenn der erste punger einmal befriedigt war,
so verlangte man zu dem Brot auch den Leckerbissen.
Die Zweckform suchte und fand ihr Ornament. Und
so dürfte es auch in Zukunft geschehen.

Auch heute hat das Ornament unter den Mo-
dernen feine Fürsprecher. Es erscheint überflüssig,
Betrachtungen darüber anzustellen, welches Programm
das bessere sei. Es genügt, zu konstatieren, daß
gerade die Tischlerei, welche den Zierat als ent-
behrlich hinstellt, sehr nützliche Arbeit tut, vielleicht
ist es diejenige, die uns heute am notwendigsten ist.
An diesen schlichten Formen wird am sichersten er-
probt werden, welche Verhältnisse und Formen der
Geräte unseren besonderen Lebensbedingungen am
angemessensten sind und in welchen Linien unsere
Augen künftig die Schönheit erkennen werden.

Daß es möglich ist, auch am modernen Möbel
Ornament und Konstruktion miteinander zu verbinden,
ohne die Formen ihrem Sinn entgegen zu durchschnei-
den, beweist wie gesagt schon heute dieses und jenes
Beispiel. Von den Deutschen wird sich besonders
pankok niemals das Recht nehmen lassen, zu dem
Notwendigen auch des Spieles Heiterkeit zu fügen.
Oder vielmehr es ist seiner Phantasie augenschein-
lich unmöglich, eine Form zu finden, die nicht von
solchem reizenden Gefolge begleitet ist. Die freien
Endungen von Armlehnen greifen als pände über
ihre Stützen hinaus. Über die Platte eines Kredenz-
fchrankes schließt sich wie ein Riegel ein krauses Ge-
bilde, das sich nach oben einem Fischmaul ähnlich
öffnet, um den sich gefällig aufwärts schwingenden

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