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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 54.1903-1904

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Lasser, Moritz Otto von: Neues aus Österreichs Kunst und Kunstgewerbe
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Chronik des Bayer. Kunstgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.7291#0228

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Ehronik des Bayer. Kuustgewerbevereins.

Bauwerken kein kfehl. Die Freiheit ging oft sehr weit, und
selbst Altarbilder blieben nicht von unanständiger Realistik ver-
schont; fand man schon derartiges nicht anstößig, so noch weniger
die Darstellung des Nackten. Welche ausgedehnte Rolle das
Nackte in der Renaissance, besonders in Italien, spielte, wie
wenig der Klerus daran Anstoß nahm, ist bekannt; handelte
es sich da auch zumeist nicht um Volkskunst, so wirkten doch
die öffentlich zugänglichen Kunstwerke bildend aus das Volk ein.
Anders im Norden, wo die ineisten großeil Künstler aus den
Kreiseii der Kleinmeistcr hervorgingen, und wo die volkstüm-
liche Kunst sich aufs reichste iin Illustrationswesen entfaltete,
allerdings nicht ohne Auswüchse in der Richtung der Derbheit,
ja der gewollten Gbszönität, während im Lüden die Barock-
kniist Berniiiis eine graziös versteckte Herausforderung der
Sinnlichkeit kultivierte. Wurde schon hierdurch die Würde der
Kirche oft genug preisgcgeben, so erreichte den Gipfelpunkt in
dieser Richtung Madame de Pompadour, die, um sich bei ihrem
Köllig (Ludwig XV.) wieder einzuschmeicheln, durch Boucher
ein Altarbild malen ließ, dessen Madonna den König so be-
zaubern sollte und auch bezauberte, daß er das lebende Modell
der Madonna begehrte »lld — erhielt. — In Deutschland ent-
wickelte sich liach delli Dreißigjährigen Krieg eine kirchliche
Kunst mit Volkscharakter, allerdiligs mehr auf dein Lande —
an Wegkapellen, Wegkreuzen, Grabkreuzen :c., Arbeiten voll
urwüchsiger Naivelät; die höstsche kirchliche Kunst dagegell war
und blieb kernfaul. Die große Revolution mit ihren Folgen
machte endlich aller Kunst für einige Zeit ein Ende; erst nach
dein Sturz des Kaiserreichs fing die kirchliche Kunst im Volke
wieder an aufzublühen, allerdings stark biederineierlich, unter
sorgsamer Beobachtung der peinlichsten Prüderie. Linen höheren
Schwung nahm die kirchliche Kunst erst wieder durch König
Ludwigs I. Allregungen und Aufträge. — Redner schloß seinen
reichhaltigeii, mit großenr Beifall anfgenommenen Vortrag mit
dem Wunsche, daß besonders die berufenell Erzieher des Volkes,
Lehrer und Geistliche in den Schulen, angeeifert werden, auf die
Pflege des Kunstverstäudliisses hiuzuwirken.

Zehnter Abend — den 9. Februar — Siebenbürgen
und Konstantinopel — Reiseschilderungen von Professor-
Karl Hocheder, mit Lichtbildern. Den Vortragenden führte
in den letzten (vsterfericii ein Bauauftrag nach Hermannstadt,
und da die Reise dahin schon zwei Drittel des Weges nach
Koustautinopel bedeutete, so lag die Weiterfahrt zum Goldenen
Horn und die Rückreise zur See über Smyrna, Athen, Korinth,
Patras, Korfn und Triest sehr nahe. — Aus der Geschichte
Siebenbürgens führte der Vortragende an, daß ums Jahr ;ooo
die Slaven in den Besitz des Landes kamen; die ersten deutschen
Kolonisten kamen im Jahre ins Land und errichteten

die Feste „Sibinburg". Die vielen Kämpfe, welche die Sieben-
bürger Sachsen jahrhundertelang zu bestehen hatten, zwangen
zu allerlei Befestigungen, insbesondere zur Anlage von „Kirchen-
kastellcn". Die Kämpfe der letzten Jahrzehnte gegen die
Magyarisieruilg sind bekannt; sie haben die Anhänglichkeit der
„Sachsen" an die Reichsdeutschen nur gestärkt. — Nach kurzer
Schilderung der Fahrt nach Herrn annstadt gab der Vor-
tragende von dieser eigenartigen Brtlichkeit mit ihren Platz-
anlagen, Tortürmen, Pfarrkirchen, Befestigungen rc. ein durch
Lichtbilder und Photographien anschaulich gemachtes Bild, das
sich sogar auf Bauernstuben erstreckte. Ähnliches gab's aus dem
bald aufgefuchteu Schaßburg sowie aus Kronstadt zu
berichten. Die Weiterreise über Bukarest und Konstanza, von
da durchs Schwarze Meer brachte den Reisenden eines Tages
— um die Mittagszeit — nach Koustantinopel. Was der Vor-
tragende über diese eigenartige Stadt berichtete, war so interessant

und bot durch die zahlreichen Lichtbilder eine solche Fülle des
Lehrreichen, daß wir bedauern, mangels bildlicher Wiedergabe
auf eine eingehendere Nacherzählung seiner Schilderungen der
Hagia Sophia, der Achmedmoschee, der Solimanmoschee nsw.
verzichten zu müsscn. Mit einer Darstellung des Volkslebens
in und um Koustautinopel schloß der Vortrag; für das große
Interesse, das er im Verein hervorgerufen, zeugte der lebhaft
gespendete Beifall und schon der — trotz verschiedener karneva-
listischer Veranstaltungen — so zahlreiche Besuch.

-Auszüge aus den Prokokskken der
Ausschufzfiizungen.

Sitzung vom DezemberM3, abends 8 Uhr: Anwesend
Vereiusvorstand Merk — die Ausschußmitglieder Bradl, Dülfer,
Kirsch, Knurr, Lohr, Michael, v. Miller, Pfeifer, Steinicken,
Weyßer, Wilhelm, Zenkert —■ Redakteur Gmelin.

Lehrlingspreisbewerbung. Die allgemeinen
Bestimmungen der Lehrlingspreisbewerbung werden einer Prü-
fung unterzogen, wobei insbesondere Prof. v. Miller im Ein-
verständnis mit der I. Kommission Verbesserungsvorschläge macht,
die im Prinzip angenommen und zur redaktiouellen Bearbeitung
einer besonderen Kommission —• bestehend aus der Vorstand-
schaft, den Ausschußmitgliedcrn v. Miller und Pfeifer und dem
Redakteur Gmelin — überwiesen werden.

2. Mietverhältnis Eberspachers. Anläßlich des
Umbaues im vereinshaus haben sich auch Änderungen in den
Kellerverhältnissen ergeben, die auch auf das Pachtverhältnis
mit Weinhändler Lberspacher einwirken mußten; der Ausschuß
genehmigt die vorgeschlagene Neuregelung unter der Voraus-
setzung, daß der Pächter Zinsen und Amortisation des für ihn
aufgewcndeten Baukapitals trägt.

3. verschiedenes. In bezug auf die Übernahme von

größeren Bestellungen durch den Verein wird bekannt gegeben,
daß solche in der Regel auf Grund von in der Halle aus-
gestellten Gegenständen erfolgen, es wird aber der I. Kommission
das Recht eingeräunlt, sich wöchentlich die eingelaufenen Auf-
träge vorlegen und über deren weitere Behandlung sich unter-
richten zu lassen. __

Sitzung vom ji, Februar 1904, abends b Uhr: Anwesend
die Vorstände Merk, Hocheder, Bertsch, die Ausschußmitglieder
Bradl, Halm, Kirsch, Lohr, Michael, Pfeifer, Rothmüller,
Steinicken, Till, Wilhelm, Zenkert, Redakteur Gmelin.

Christiansen-Ausstellung. Als eine der Sonder-
ausstellungen in den ncuhergestellten Räumen der Ausstellungs-
Halle war eine Ausstellung von Merken des Malers Lhristiansen-
Darmstadt in Aussicht genommen. Da aber die Bauarbeiten
sich in ungeahnter Weise verzögert haben, so muß die Zusage
von I. Lhristiansen zurückgezogen werden. Der Verein wird
die neuen Räume mit speziell Münchener Arbeiten eröffnen.

Sitzung vom 17. März zgo-s, abends «Uhr: Anwesend
Vorstand Merk — die Ausschußmitglieder Bradl, Halm, Heiden,
Lohr, Michael, Pfann, Pfeifer, Rothmüller, Steinicken, Till,
Weyßer, Zenkert — Redakteur Gmelin.

\. Vorlagen an die Generalversammlung —•
vgl. den Bericht über die Generalversammlung im nächsten Heft.

2. Ausstellung in den neuen Räumen der
Halle. Nachdem sich Schwierigkeiten in der baldigen würdigen
Besetzung der neuen Räume mit einheimischen Arbeiten ergeben
haben, wurde nach längerem Wortgefecht beschlossen, die Er-
öffnung der Räume noch hinauszuschieben, wahrscheinlich bis Juli.

verantw. Red.: ssrof. £. Gmelin. — Herausgegeben vom Bayer. Runstgewerbeverein. Druck und Verlag von R. Mldenbourg, München.
 
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