Chronik des Bayer. Kunstgewerbevereins.
^34. Bücherschrank; aus den Werkstätten von A. pössenbacher, München.
Poliertes Mahagoni mit getriebenen Messingbeschlägen; jedes der drei Teile
ist für sich verwendbar.
als Kieseritzky erfuhr, daß es in Bdeffa öffentliches Geheim-
nis fei, wer der Verfertiger der Tiara ist. Als der genannte
Direktor sich hier des näheren umfchaute, überzeugte er sich
bald davon, daß der geständige Rachumowski tatsächlich
der Verfertiger war, der denn auch zur „Anerkennung für seine
Leistung" von der „Gesellschaft französischer Künstler" die Me-
daille III. Klasse erhielt (!);-(vgl. Jahrg. *903, S. 255). Im
Jahre ;902 wurde dann die Tiara aus dem Louvre entfernt
und dem dlusee des arts decoratifs einverleibt.
vierzehnter Abend — den zs. März 4904 — Vortrag
von Or. PH. M. Halm über spätmittelalterliche Grab-
xlastik in Altbayern. Der Vortragende führte einleitend
aus: Der geschichtliche Wert der Grabsteine, die zugleich Mark-
steine des Todes und Zeugen des Lebens sind, ist schon
seit langem anerkannt; eines der gewichtigsten Zeugnisse
dafür ist das vierbändige Grabsteinwerk, das der Freisinger
Bischof Lgker im ;8. Jahrhundert anfertigte. Aber nicht
immer und nicht überall zeigte sich solches Verständnis und die
nötige Rücksichtnahme; mancher Marmorgrabstein wurde zu
Kalk gebrannt oder zu niederen profanen Zwecken benutzt; so
ist von den zu Anfang des Jahrhunderts im Kloster
Raitenhaslach noch vorhandenen etwa ;20 Grabplatten z. B.
kaum mehr die Hälfte übrig. Sehr vieles wurde auch gelegent-
lich der Säkularisation verschleudert. Kaum
;o Jahre nachher (;824) aber setzte die Grab-
steinforschung bei uns ein. Redner hat sich die
Aufgabe gestellt, die Grabxlastik Altbayerns im
;5. und im Anfang des ;s. Jahrhunderts zu
bearbeiten, und gab aus seinen bisherigen
Forschungen höchst interessante Proben. Leider
trifft es sich sehr häufig, wie der Vortragende
darlegte, daß die vielen künstlerischen Arbeiten
selten einen Meisternamen tragen, und daß
umgekehrt wenig Arbeiten den mit Namen
bekannten Steinmetzen zugeschrieben werden
können. Um so freudiger folgt aber der For-
scher weiteren Spuren, wenn Name und Merk
ftd; einen. Hervorragende Grabsteine finden
sich in Lbersberg, Beyharting, Rosenheim und
den fünf Klöstern bzw. Stiften am Inn, zu
Rott, Altenhohenan, Attel, Gars und Au;
karg ist die Ausbeute in Mühldorf und Nen-
ötting, um so reicher in Altötting, Burghauscn
und Raitenhaslach. Meiler finden sich gute
Arbeiten in Tittmoning, Traunstein, Teisen-
dorf, Fraueuwörth, Seeon, Baumburg, Trost-
berg und im Nordosten von München: Frei-
sing, Moosbnrg. Landshnt, tnx Rott- und vils-
tal, in der Donaugegend, besonders in den
Klöstern des Paffauer Sprengels. Dem be-
kannteren Meister Wolfgang Leb, von wel-
cheni in Lbersberg und Attel Steine beglaubigt
sind, weist Halm noch weitere in Kufstein,
Wasserburg, Rosenheim, Dberaudorf und in
Schwaz (Tirol) zu; dieser Meister, der aus
der Spätgotik zur Renaissance überging, war
wahrscheinlich in Wasserburg ansässig, von
Meister Jörg Gärtner, dessen Name auf
einem Grabstein in Burghausen zu finden ist,
fand Redner noch etwa zwei Dutzend Arbeiten,
besonders in Paffau (wo auch Gärtners
eigener Grabstein) und in benachbarten öster-
reichischen Städten, außerdem einen Grabstein in Breslau, von
einem dritten Meister kennt man nur das Monogramm 8. R.;
werke von ihn: finden sich in Frcising, Moosburg, Landshut,
Ingolstadt, Altötting, Arnstorf, Leberskirchen. Halm wies ferner
noch nach, daß diesem 8. R. auch die Säulen im Residenzhof zu
Freising (s. Jahrg. ,903, 5. ;30 und ;z;) zugeschrieben werden
müssen. Besonders bemerkenswerte Arbeiten finden sich noch in
Seeon, von großer Bedeutung, namentlich in kulturgeschicht-
licher Beziehung, sind dann einzelne Grabsteine in Milberts-
hofen, Niederalteich, Höhenkirchen, Straubing, Neustadt a. d. D.
— Wir bedauern, daß wir nicht in der Lage sind, von dem
ungemein reichhaltigen Vortrag mehr Linzelheiten zu geben;
die vorgesührten Lichtbilder und Photographien boten eine un-
erschöpfliche Fülle von Material, wobei die zahlreichen, für den
Künstler sowohl wie für den Kunsthistoriker höchst instruktiven
großen Detailaufnahmen allgemeines Interesse boten. Der vor-
tragende fand mit seinen Erläuterungen dankbare Zuhörer, die
dem fast zweistündigen Vortrag mit nicht ermüdender Aufmerk-
samkeit folgten.
Fünfzehnter Abend — den 22. März — Vortrag des
Bberschulrats l)r. Georg Kerfchensteiner über „das zeich-
ne nde-Kind und sein Verhältnis zur Kunst".—
Redner hatte, als oberster Leiter des Münchener Volksschulwesens,
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^34. Bücherschrank; aus den Werkstätten von A. pössenbacher, München.
Poliertes Mahagoni mit getriebenen Messingbeschlägen; jedes der drei Teile
ist für sich verwendbar.
als Kieseritzky erfuhr, daß es in Bdeffa öffentliches Geheim-
nis fei, wer der Verfertiger der Tiara ist. Als der genannte
Direktor sich hier des näheren umfchaute, überzeugte er sich
bald davon, daß der geständige Rachumowski tatsächlich
der Verfertiger war, der denn auch zur „Anerkennung für seine
Leistung" von der „Gesellschaft französischer Künstler" die Me-
daille III. Klasse erhielt (!);-(vgl. Jahrg. *903, S. 255). Im
Jahre ;902 wurde dann die Tiara aus dem Louvre entfernt
und dem dlusee des arts decoratifs einverleibt.
vierzehnter Abend — den zs. März 4904 — Vortrag
von Or. PH. M. Halm über spätmittelalterliche Grab-
xlastik in Altbayern. Der Vortragende führte einleitend
aus: Der geschichtliche Wert der Grabsteine, die zugleich Mark-
steine des Todes und Zeugen des Lebens sind, ist schon
seit langem anerkannt; eines der gewichtigsten Zeugnisse
dafür ist das vierbändige Grabsteinwerk, das der Freisinger
Bischof Lgker im ;8. Jahrhundert anfertigte. Aber nicht
immer und nicht überall zeigte sich solches Verständnis und die
nötige Rücksichtnahme; mancher Marmorgrabstein wurde zu
Kalk gebrannt oder zu niederen profanen Zwecken benutzt; so
ist von den zu Anfang des Jahrhunderts im Kloster
Raitenhaslach noch vorhandenen etwa ;20 Grabplatten z. B.
kaum mehr die Hälfte übrig. Sehr vieles wurde auch gelegent-
lich der Säkularisation verschleudert. Kaum
;o Jahre nachher (;824) aber setzte die Grab-
steinforschung bei uns ein. Redner hat sich die
Aufgabe gestellt, die Grabxlastik Altbayerns im
;5. und im Anfang des ;s. Jahrhunderts zu
bearbeiten, und gab aus seinen bisherigen
Forschungen höchst interessante Proben. Leider
trifft es sich sehr häufig, wie der Vortragende
darlegte, daß die vielen künstlerischen Arbeiten
selten einen Meisternamen tragen, und daß
umgekehrt wenig Arbeiten den mit Namen
bekannten Steinmetzen zugeschrieben werden
können. Um so freudiger folgt aber der For-
scher weiteren Spuren, wenn Name und Merk
ftd; einen. Hervorragende Grabsteine finden
sich in Lbersberg, Beyharting, Rosenheim und
den fünf Klöstern bzw. Stiften am Inn, zu
Rott, Altenhohenan, Attel, Gars und Au;
karg ist die Ausbeute in Mühldorf und Nen-
ötting, um so reicher in Altötting, Burghauscn
und Raitenhaslach. Meiler finden sich gute
Arbeiten in Tittmoning, Traunstein, Teisen-
dorf, Fraueuwörth, Seeon, Baumburg, Trost-
berg und im Nordosten von München: Frei-
sing, Moosbnrg. Landshnt, tnx Rott- und vils-
tal, in der Donaugegend, besonders in den
Klöstern des Paffauer Sprengels. Dem be-
kannteren Meister Wolfgang Leb, von wel-
cheni in Lbersberg und Attel Steine beglaubigt
sind, weist Halm noch weitere in Kufstein,
Wasserburg, Rosenheim, Dberaudorf und in
Schwaz (Tirol) zu; dieser Meister, der aus
der Spätgotik zur Renaissance überging, war
wahrscheinlich in Wasserburg ansässig, von
Meister Jörg Gärtner, dessen Name auf
einem Grabstein in Burghausen zu finden ist,
fand Redner noch etwa zwei Dutzend Arbeiten,
besonders in Paffau (wo auch Gärtners
eigener Grabstein) und in benachbarten öster-
reichischen Städten, außerdem einen Grabstein in Breslau, von
einem dritten Meister kennt man nur das Monogramm 8. R.;
werke von ihn: finden sich in Frcising, Moosburg, Landshut,
Ingolstadt, Altötting, Arnstorf, Leberskirchen. Halm wies ferner
noch nach, daß diesem 8. R. auch die Säulen im Residenzhof zu
Freising (s. Jahrg. ,903, 5. ;30 und ;z;) zugeschrieben werden
müssen. Besonders bemerkenswerte Arbeiten finden sich noch in
Seeon, von großer Bedeutung, namentlich in kulturgeschicht-
licher Beziehung, sind dann einzelne Grabsteine in Milberts-
hofen, Niederalteich, Höhenkirchen, Straubing, Neustadt a. d. D.
— Wir bedauern, daß wir nicht in der Lage sind, von dem
ungemein reichhaltigen Vortrag mehr Linzelheiten zu geben;
die vorgesührten Lichtbilder und Photographien boten eine un-
erschöpfliche Fülle von Material, wobei die zahlreichen, für den
Künstler sowohl wie für den Kunsthistoriker höchst instruktiven
großen Detailaufnahmen allgemeines Interesse boten. Der vor-
tragende fand mit seinen Erläuterungen dankbare Zuhörer, die
dem fast zweistündigen Vortrag mit nicht ermüdender Aufmerk-
samkeit folgten.
Fünfzehnter Abend — den 22. März — Vortrag des
Bberschulrats l)r. Georg Kerfchensteiner über „das zeich-
ne nde-Kind und sein Verhältnis zur Kunst".—
Redner hatte, als oberster Leiter des Münchener Volksschulwesens,
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