Urheberrecht an kunstgewerblichen Erzeugnissen nach dein Unnstmerkeschutzgesetz-Lntwurs.
wenn dieser sein Urheberrecht oder ein Verleger sein
Verlagsrecht am Gegenstände geltend macht, von:
Vervielfältiger oder Nachbildner das Vorhandensein
eines Urheberrechts am Gegenstände in 99 von sOO
Fällen vor Gericht bestritten werden. Die „freie
Beweis Würdigung" des Richters tritt alsdann in
ihre Rechte und hat zu bestimmen, ob ein Urheber-
recht am Aunstindustrieerzeugnis besteht oder nicht.
Das „Urheberrecht" am Gegenstände wird also tat-
sächlich in so und so vielen Fällen, in denen dies
mit mehr oder weniger Grund vom Nachbildner an-
gezweifelt wird, erst von dem zuständigen Richter
verliehen. Gr, nicht das Gesetz, bestimmt, ob ein
urheberrechtlich geschütztes Aunstindustrieerzeugnis vor-
liegt. Wenn nun auch der Richter sachverständige
zuziehen und sich durch letztere Leitpunkte für die Be-
urteilung geben lassen kann, wenn ferner der Gesetz-
entwurf Sachverständigenkammern vorsieht, die unter-
stützend auf Anrufen eingreifen sollen und in welche
auch Aunstgewerbetreib ende einzubernfen sind,
so bleibt doch die Tatsache bestehen, daß ungeachtet
solcher Hilfsmittel der Richter angesichts der „freien
Beweiswürdigung" vollkommen unabhängig urteilt
und an Gutachten gar nicht gebunden ist. Die richter-
liche freie Beweiswürdigung, das Schoßkind unseres
modernen deutschen Rechtes, hat bekanntlich ihre
großen Mängel. Wie oft hat sie in Prozessen schon
unheilvoll und geradezu rechtsvernichtend gewirkt!
Wir halten es deshalb für gefahrvoll, wenn sich
das neue Aunstschutzgesetz vollkommen darüber aus-
schweigt, welche kunstgewerblichen Gegenstände
unter das Aunstbildwerke-Urhebergefetz fallen. Nicht
einmal die einfachsten Merkmale, die ein Aunst-
industrieerzeugnis aufweisen muß, um zum Genüsse
des Nrheberschutzes zu gelangen, sind im Gesetz an-
nähernd bestimmt. Man wird vielleicht einwenden,
im Schriftwerke-Urhebergesetz ist man auch und mit
Absicht begrifflichen Feststellungen solcher Art aus-
gewichen, die gerichtliche Praxis hat, indem sie aus-
giebig von der „freien Beweiswürdigung" Gebrauch
machte und, wenn nötig, Sachverständige zu pilfe
rief, ohne weiteres „Recht" gesprochen. Dies ist voll-
kommen richtig. Aber deshalb gehören auch litera-
rische Urheber- und Verlagsrechtsstreitigkeiten bekannt-
lich zu den gewagtesten Prozessen. Viele solcher Prozesse
werden im Grunde gar nicht nach dem Gesetz be-
urteilt, sondern sie werden bloß an der pand des
Gesetzes durch freie richterliche Würdigung und er-
gänzungsweise durch Sachverständige nach eigener
Meinung und persönlichein Ermessen entschieden.
Das wird künftig auch in Fällen eintreten, wo ein
kunstgewerbliches Urheberrecht streitig ist. Der Richter
wird hier die tatsächlichen Verhältnisse unter Anwendung
453. Mndschirm; nach Entwurf von Alois Balm er aus-
gefllhrt von Julie Müller, München; hellblaugraues Tuch,
mit Aufnäharbeit in rotenr Atlas, weißer und dunkelgelber
Beide.
künstlerisch-technischer Sachkunde von Fall zu Fall
zu prüfen haben. Dies wird oftmals nicht so leicht
sein wie dein: Schriftwerk oder beim ausgesprochenen
Aunstwerk. In welche Sphäre der Richter den ur-
heberrechtlich strittigen Gegenstand einreihen soll, das
muß ihm sein persönliches Empfinden sagen, das
Gesetz läßt ihn hier völlig im Stich. Es soll uns
freuen, wenn wir in der Annahme uns irren, daß
gerade das kunstgewerbliche Urheberrecht, wenn
es in seilten objektiven Merkmalen im Gesetz gar nicht
näher gekennzeichnet ist, zu einer Quelle von Urheber-
und Verlagsrechtsstreitigkeiten werdeit wird. Wir
werden die Erfahrung machen können, daß wir zwar
gesetzlich ein kunstgewerbliches Urheberrecht haben,
das im Aunstbildwerkschutzgesetz zu suchen ist und
dort verborgen ruht, daß aber in so und so vielen
Fällen dieses Urheberrecht an der „Rechtsanwen-
dung" scheitern wird, welche die Sphäre der urheber-
rechtlich geschützten kunstgewerblichen Gegenstände
je nach persönlichem Empfinden und Geschmack bald
eitgcr, bald weiter ziehen wird. Es wird sich, den
Verhältnissen entsprechend, die hier in Frage stehen,
beim kunstgewerblichen Urheberrecht in Schutzfragen
eine noch weit weniger vorhersehbare und einiger-
maßen zuverlässige Rechtsprechung entwickeln, ähitlich
wie wir sie beim Schriftwerkeschutz in Fragen des
verboteiten Nachdrucks uitd der erlaubten und un-
erlaubten Benutzung zu verzeichnen habeit. Eine
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wenn dieser sein Urheberrecht oder ein Verleger sein
Verlagsrecht am Gegenstände geltend macht, von:
Vervielfältiger oder Nachbildner das Vorhandensein
eines Urheberrechts am Gegenstände in 99 von sOO
Fällen vor Gericht bestritten werden. Die „freie
Beweis Würdigung" des Richters tritt alsdann in
ihre Rechte und hat zu bestimmen, ob ein Urheber-
recht am Aunstindustrieerzeugnis besteht oder nicht.
Das „Urheberrecht" am Gegenstände wird also tat-
sächlich in so und so vielen Fällen, in denen dies
mit mehr oder weniger Grund vom Nachbildner an-
gezweifelt wird, erst von dem zuständigen Richter
verliehen. Gr, nicht das Gesetz, bestimmt, ob ein
urheberrechtlich geschütztes Aunstindustrieerzeugnis vor-
liegt. Wenn nun auch der Richter sachverständige
zuziehen und sich durch letztere Leitpunkte für die Be-
urteilung geben lassen kann, wenn ferner der Gesetz-
entwurf Sachverständigenkammern vorsieht, die unter-
stützend auf Anrufen eingreifen sollen und in welche
auch Aunstgewerbetreib ende einzubernfen sind,
so bleibt doch die Tatsache bestehen, daß ungeachtet
solcher Hilfsmittel der Richter angesichts der „freien
Beweiswürdigung" vollkommen unabhängig urteilt
und an Gutachten gar nicht gebunden ist. Die richter-
liche freie Beweiswürdigung, das Schoßkind unseres
modernen deutschen Rechtes, hat bekanntlich ihre
großen Mängel. Wie oft hat sie in Prozessen schon
unheilvoll und geradezu rechtsvernichtend gewirkt!
Wir halten es deshalb für gefahrvoll, wenn sich
das neue Aunstschutzgesetz vollkommen darüber aus-
schweigt, welche kunstgewerblichen Gegenstände
unter das Aunstbildwerke-Urhebergefetz fallen. Nicht
einmal die einfachsten Merkmale, die ein Aunst-
industrieerzeugnis aufweisen muß, um zum Genüsse
des Nrheberschutzes zu gelangen, sind im Gesetz an-
nähernd bestimmt. Man wird vielleicht einwenden,
im Schriftwerke-Urhebergesetz ist man auch und mit
Absicht begrifflichen Feststellungen solcher Art aus-
gewichen, die gerichtliche Praxis hat, indem sie aus-
giebig von der „freien Beweiswürdigung" Gebrauch
machte und, wenn nötig, Sachverständige zu pilfe
rief, ohne weiteres „Recht" gesprochen. Dies ist voll-
kommen richtig. Aber deshalb gehören auch litera-
rische Urheber- und Verlagsrechtsstreitigkeiten bekannt-
lich zu den gewagtesten Prozessen. Viele solcher Prozesse
werden im Grunde gar nicht nach dem Gesetz be-
urteilt, sondern sie werden bloß an der pand des
Gesetzes durch freie richterliche Würdigung und er-
gänzungsweise durch Sachverständige nach eigener
Meinung und persönlichein Ermessen entschieden.
Das wird künftig auch in Fällen eintreten, wo ein
kunstgewerbliches Urheberrecht streitig ist. Der Richter
wird hier die tatsächlichen Verhältnisse unter Anwendung
453. Mndschirm; nach Entwurf von Alois Balm er aus-
gefllhrt von Julie Müller, München; hellblaugraues Tuch,
mit Aufnäharbeit in rotenr Atlas, weißer und dunkelgelber
Beide.
künstlerisch-technischer Sachkunde von Fall zu Fall
zu prüfen haben. Dies wird oftmals nicht so leicht
sein wie dein: Schriftwerk oder beim ausgesprochenen
Aunstwerk. In welche Sphäre der Richter den ur-
heberrechtlich strittigen Gegenstand einreihen soll, das
muß ihm sein persönliches Empfinden sagen, das
Gesetz läßt ihn hier völlig im Stich. Es soll uns
freuen, wenn wir in der Annahme uns irren, daß
gerade das kunstgewerbliche Urheberrecht, wenn
es in seilten objektiven Merkmalen im Gesetz gar nicht
näher gekennzeichnet ist, zu einer Quelle von Urheber-
und Verlagsrechtsstreitigkeiten werdeit wird. Wir
werden die Erfahrung machen können, daß wir zwar
gesetzlich ein kunstgewerbliches Urheberrecht haben,
das im Aunstbildwerkschutzgesetz zu suchen ist und
dort verborgen ruht, daß aber in so und so vielen
Fällen dieses Urheberrecht an der „Rechtsanwen-
dung" scheitern wird, welche die Sphäre der urheber-
rechtlich geschützten kunstgewerblichen Gegenstände
je nach persönlichem Empfinden und Geschmack bald
eitgcr, bald weiter ziehen wird. Es wird sich, den
Verhältnissen entsprechend, die hier in Frage stehen,
beim kunstgewerblichen Urheberrecht in Schutzfragen
eine noch weit weniger vorhersehbare und einiger-
maßen zuverlässige Rechtsprechung entwickeln, ähitlich
wie wir sie beim Schriftwerkeschutz in Fragen des
verboteiten Nachdrucks uitd der erlaubten und un-
erlaubten Benutzung zu verzeichnen habeit. Eine
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