Das Schicksal des Heidelberger Schlosses.
5(7. Serbische Schmucksachen aus Silber (wirkl. Größe).
pathetische Vortäuschen ewiger Jugend-
lichkeit jeder Bedeutung entbehrt."
Es ist von hohem Interesse, was Thode bei
diesem Anlaß über Ruinen überhaupt sagt, nament-
lich über solche, die nicht als schön zu bezeichnen
sind. „Sind sie aber nicht .schönst so sind sie doch
wahr und beredt und dadurch von starker Wirkung
auf Geist und Seele, Zudem sie unmittelbar von
einem vergangenen Leben zeugen, dessen letzte Reste
sie in sich bergen, stellen sie die Verbindung zwischen
Gegenwart und Vergangenheit her. Sie rufen keinen
Widerspruch zwischen Wahrheit und Vorstellung her-
vor, sondern regen die Phantasie zu einer schöpfe-
rischen Tätigkeit an.-So wird das ästhetische
Gefühl durch sie nicht, wie es durch restaurierte Bau-
werke geschieht, gelähmt, sondern zum produzieren,
zum Schaffen des Schönen gesteigert." Seine Ansicht
über die Restaurierung des Gtto-Heinrichbaues faßt
Thode in den Worten zusammen: „And bräche der
Gtto-Peinrichbau schon in wenigen Jahren ganz
oder teilweise zusammen — die wenigen Jahre seines
Greifcnlebens bedeuten mehr als Jahrhunderte eines
Mumiendaseins!"
Daß Thodes mahnende Worte nicht in den
Wind gesprochen sind, beweist das folgende, kurz vor
Redaktionsschluß bekannt gewordene Vorgehen (nach
den „M. N.N."): Am letzten Samstag trat, wie uns
aus Heidelberg geschrieben wird, in der Aula der
Aniversität auf Einladung des Prorektors eine all-
gemeine Dozentenversammlung zum Protest gegen
den Neubau des Schlosses zusammen. Nach Dis-
kussionsreden, in denen man den plan und die in
letzter Zeit offiziös und privatim versuchten Be-
schwichtigungen der öffentlichen Meinung aus das
schärfste kritisierte, gelangte eine, von einer freien
Kommission (bestehend aus den Professoren H. Basser-
mann, Z. Becker Exz., Th. Turtius, F. Knaufs,
E. Marcks, H. Thode, unter dem Vorsitz des Pro-
rektors W. Braune) entworfene imposante Protest-
erklärung einmütig zur Annahme und wurde in-
zwischen von fast sämtlichen Mitgliedern des Lehr-
körpers unterzeichnet, in welcher es u. a. heißt: „Aber
wir protestieren darüber hinaus auf das Schärfste
und Eindringlichste gegen eine jede Restaurierung,
die, wie sie auch sei, in viel höherem Maße
als irgend eine langsain und unberechenbar fort-
schreitende und umbildende, natürliche Zersetzung der
Ruine deren jähe und vorzeitige, vollständige, un-
widerrufliche Zerstörung bedeuten müßte. Wir
weisen inahnend auf all das Unheil hin, das ein
unhistorischer und unkünstlerischer Restaurierungs-
fanatismus int letzten Jahrhundert an so vielen ehr-
würdigen Denkmälern angerichtet hat, indem er an
Stelle des Kunstwerkes die Nachbildung, an Stelle
des Echten die Fälschung, an Stelle des Ge-
wordenen und Zweckvollen das künstlich Gemachte
und die bare Maske schob. Wir beklagen in der
Restaurierung des Hriedrichbaues diese Verdrängung
des Lebenden durch das ein für allemal tote, des
historischen Baues utid seiner eigentümlichsten Werte
durch ein im äußeren Kaltes und Erkälteitdes, im
innern schreiend buntes Scheinwerk, der unmittel-
baren Schöpfung durch eine seelenlose architektonische
Gelehrsamkeit. Warunr soll es der Ruine nicht ver-
gönnt sein, sich auszuleben, solange es ihr Geschick
erlaubt?"
28^
5(7. Serbische Schmucksachen aus Silber (wirkl. Größe).
pathetische Vortäuschen ewiger Jugend-
lichkeit jeder Bedeutung entbehrt."
Es ist von hohem Interesse, was Thode bei
diesem Anlaß über Ruinen überhaupt sagt, nament-
lich über solche, die nicht als schön zu bezeichnen
sind. „Sind sie aber nicht .schönst so sind sie doch
wahr und beredt und dadurch von starker Wirkung
auf Geist und Seele, Zudem sie unmittelbar von
einem vergangenen Leben zeugen, dessen letzte Reste
sie in sich bergen, stellen sie die Verbindung zwischen
Gegenwart und Vergangenheit her. Sie rufen keinen
Widerspruch zwischen Wahrheit und Vorstellung her-
vor, sondern regen die Phantasie zu einer schöpfe-
rischen Tätigkeit an.-So wird das ästhetische
Gefühl durch sie nicht, wie es durch restaurierte Bau-
werke geschieht, gelähmt, sondern zum produzieren,
zum Schaffen des Schönen gesteigert." Seine Ansicht
über die Restaurierung des Gtto-Heinrichbaues faßt
Thode in den Worten zusammen: „And bräche der
Gtto-Peinrichbau schon in wenigen Jahren ganz
oder teilweise zusammen — die wenigen Jahre seines
Greifcnlebens bedeuten mehr als Jahrhunderte eines
Mumiendaseins!"
Daß Thodes mahnende Worte nicht in den
Wind gesprochen sind, beweist das folgende, kurz vor
Redaktionsschluß bekannt gewordene Vorgehen (nach
den „M. N.N."): Am letzten Samstag trat, wie uns
aus Heidelberg geschrieben wird, in der Aula der
Aniversität auf Einladung des Prorektors eine all-
gemeine Dozentenversammlung zum Protest gegen
den Neubau des Schlosses zusammen. Nach Dis-
kussionsreden, in denen man den plan und die in
letzter Zeit offiziös und privatim versuchten Be-
schwichtigungen der öffentlichen Meinung aus das
schärfste kritisierte, gelangte eine, von einer freien
Kommission (bestehend aus den Professoren H. Basser-
mann, Z. Becker Exz., Th. Turtius, F. Knaufs,
E. Marcks, H. Thode, unter dem Vorsitz des Pro-
rektors W. Braune) entworfene imposante Protest-
erklärung einmütig zur Annahme und wurde in-
zwischen von fast sämtlichen Mitgliedern des Lehr-
körpers unterzeichnet, in welcher es u. a. heißt: „Aber
wir protestieren darüber hinaus auf das Schärfste
und Eindringlichste gegen eine jede Restaurierung,
die, wie sie auch sei, in viel höherem Maße
als irgend eine langsain und unberechenbar fort-
schreitende und umbildende, natürliche Zersetzung der
Ruine deren jähe und vorzeitige, vollständige, un-
widerrufliche Zerstörung bedeuten müßte. Wir
weisen inahnend auf all das Unheil hin, das ein
unhistorischer und unkünstlerischer Restaurierungs-
fanatismus int letzten Jahrhundert an so vielen ehr-
würdigen Denkmälern angerichtet hat, indem er an
Stelle des Kunstwerkes die Nachbildung, an Stelle
des Echten die Fälschung, an Stelle des Ge-
wordenen und Zweckvollen das künstlich Gemachte
und die bare Maske schob. Wir beklagen in der
Restaurierung des Hriedrichbaues diese Verdrängung
des Lebenden durch das ein für allemal tote, des
historischen Baues utid seiner eigentümlichsten Werte
durch ein im äußeren Kaltes und Erkälteitdes, im
innern schreiend buntes Scheinwerk, der unmittel-
baren Schöpfung durch eine seelenlose architektonische
Gelehrsamkeit. Warunr soll es der Ruine nicht ver-
gönnt sein, sich auszuleben, solange es ihr Geschick
erlaubt?"
28^