12
„Die Kunstauktion1’
i
VON ü
ERALL
Jahrg. III, Nr. 8 vom 24. Febru^
^hrg
Karl Scheffler
Zu seinem 60. Geburtstag
Es ist nicht leichi oder besser gesagt es
ist ganz unmöglich, das Leben eines begabten
und produktiven Menschen, der 60 Jahre ait
ist, in ein paar Säßen zu umschreiben. Man
kann nur eine Art Stimmungsbild von dem
Menschen geben, in dem man sozusagen das
Epische durch das Lyrische ersetzt. Ein
Mensch, ob gut oder schlecht, ob bedeutend
oder unbedeutend, hat das, was wir — ver-
gleichend — seine Linie nennen. Es ist dies
die Versinnbildung des Prinzips, nach dem sich
sein Geist, sein Ethos entwickelt. Bei ein-
fachen Naturen wird diese Linie gerade oder
leicht gewellt sein, bei komplizierten dagegen
oft wild bewegt und verschnörkelt. Wenn wir
Karl Schefflers Linie darstellen wollten, so
Karl Scheffler
gliche sie vielleicht einem Fluß, der mit ziem-
licher Geschwindigkeit dahinstürmt, dessen
Lauf oft von Hindernissen unterbrochen wird,
die er aber dank der Schnelligkeit, mit der er
dem Ziele zusirömf, und der Deutlichkeit, mit
der ihm dieses Ziel vor Augen steht, schnell
überwindet. — Es kommt meiner Meinung
nach beinahe weniger darauf an, was man für
eine Ansicht hat, als daß man überhaupt eine
hat. Wir sind ja selbst keine erratischen Blöcke
in unseren Anschauungen, und die Einstellung,
die wir zu anderen Menschen haben, ist sicher
nicht so objektiv wie wir denken und oft oder
immer stark von unserer eigenen Linie beein-
flußt. Daß aber Scheffler eine Ansicht — und
sogar eine sehr stark ausgeprägte — hat,
wird niemand, seine „Feinde“ nicht ausge-
schlossen, bestreiten können. Auch nicht, daß
er diese Ansicht mit Kraft und Geist nun schon
fünfundzwanzig Jahre lang — weiter kann ich
sie nicht zurückverfolgeri — verteidigt. Der
Glaube an seine Mission hat ihm Mut und
Ausdauer gegeben, die zu diesem Kampf ge-
braucht werden. Man könnte seine Weltan-
schauung die impressionistische nennen. Sie
ist in höchstem Maße real, vielleicht nicht
immer zur allerleßten Konsequenz geführt,
aber deutlich allem Unbeweisbaren, Unklaren,
jenseits des sinnlichen Erlebnisses stehenden
aus dem Wege gehend. Der Zweck der Kunst
ist die Kunst, das scheint der grundlegende
Begriff der Schefflerschen Anschauung zu
sein. Sie ist eine edle Blüte für ihn, die los-
gelöst von Erdenschwere, hinauf wachsen soll
und mit ihrem Duft und ihrer Schönheit den
Menschen eine reine Freude, eine stille Er-
bauung, ein Beweis für die göttliche Absicht
ist, unser Leben zu verschönern und ihm
gleichzeitig Berechtigung zu geben. Die Kunst
soll uns nicht in die unergründlichen, uner-
forschbaren, undurchsichtigen Gebiete führen,
die jenseits des Himmlischen liegen, sondern
hübsch auf der Erde bleiben zu unserer Lust
und Freude. — Ich muß gestehen, daß es mir
auch manchmal ein wenig ängstlich zu Mute
wird, wenn ich sehe, in welche metaphysischen,
übersinnlichen Gefilde die Künstler uns
manchmal führen möchten. — Scheffler jeden-
falls hält es für seine Aufgabe, gegen alles
anzukämpfen, was ihm in der Kunst nicht ge-
sund, nicht natürlich erscheint, und er tut das
mit Zähigkeit und Beharrlichkeit und oft mit
einer derartigen Hintanseßung persönlicher
Vorteile, daß ihm auch sicher die, die in an-
deren Gewässern treiben, ihre Hochachtung
nicht versagen werden. Diejenigen, die
Scheffler konservativ nennen, verkennen ihn
gründlich, Scheffler hat sich im Gegenteil
immer für den Fortschritt in der Kunst ein-
geseßt. Aber für ihn ist nicht jeder tastende
Versuch eines übergeschnappten Kunstjüng-
lings, selbst mit dem besten Kaffeehausanhang,
ein Fortschritt. In ihm ist die Idee des
Klassischen — vielleicht ohne daß er das
selbst weiß oder wahr haben will — fest ver-
Zacharie Birtschansky
PARIS, 88, FAUB. ST-HONORÜ
(en face de l'Elysee)
TEL. ELYS. 17-02
. Tab 1 e a u x * M e ub 1 e s
Obj ets d’Art
Verkauf an Händler
wurzelt und es ist die goefhesche Linie, die er
bewußt oder unbewußt fortseßt. Alles, was
daneben einherstürmt oder nur mittrabf, be-
trachtet er mit mißtrauischem Blick. In vielen
Beispielen hat er schon jeßt Recht behalten,
viele von den Größen, die er nicht anerkennen
wollte, sind schon wieder in ihrer rechten
Kleinheit erkannt und in der Versenkung ver-
schwunden. Manches hat er wohl übersehen,
aber wem passiert das nicht— hat Goethe
nicht Kleist selbst übersehen —; aber das,
was Scheffler sah, sah er mit großer Liebe
und hat es mit echter, ehrlicher, unbeirrbarer
Überzeugung verteidigt.
Man kann dem geraden, anständigen und
begabten Manne nur von ganzem Herzen für
seine Arbeit danken.
Walter Bond/
Vincent van Gogli und die Stadt
Arles
Dankenswerte Initiative de la Failles
Ein geschäßter holländischer Mitarbeiter
schreibt uns:
Bekanntlich hat van Gogh 1888—89 in Arles
gearbeitet — bisher wies nur eine Gedenktafel,
noch dazu mit falschen Daten, am Plaß La-
martine das Haus, in welchem er gewohnt
hatte. Dr. de la Faille, der bekannte van
Gogh-Kenner, hat nun die Initiative ergriffen,
um das Andenken van Goghs in würdigerer
Weise zu ehren. Am reizvollsten wäre es ge-
wesen, jenes Haus in ein van-Gogh-Museum
mit Originalgemälden zu verwandeln. Nun,
das geht ja leider nicht. Und so beschränkte
man sich auf Reproduktionen und Bücher.
Eine solche umfangreiche Sammlung von
Photographien der Gemälde und
Zeichnungen, die aus jener Epoche
van Goghs stammen, Farbreproduk-
tionen nach seinen Arbeiten und Litera-
tur über van Gogh hat Herr Baert de la
Faille der Stadt Arles zum Geschenk gemacht.
Einige Schwierigkeiten freilich mußten über-
wunden werden. Das Museum war vorläufig
geschlossen und überfüllt. Der Besißer des
Hauses, in welchem van Gogh gewohnt hatte,
würde die Sammlung schon aufgenommen
haben, aber die Frage der sauberen Auf-
Preußische Akademie der Künste
in dankenswerter Weise, nach Überwindung
größter räumlicher Schwierigkeiten, ihre Säle
für die Zeit vom 7. bis 31. April für das male-
rische Werk zur Verfügung gestellt, wäh-
rend die Zeichnungen und das ge-
samte graphische Werk zum gleichen
Zeitpunkt in der Galerie Matthiesen
selbst zu sehen sein werden. Die wissen-
schaftlichen und technischen Vorarbeiten,
sowie die Redaktion eines umfangreichen illu-
strierten Kataloges liegen in den Händen eines
Arbeitsausschusses, nämlich der
Herren Dr. Waldmann, Direktor der Kunst-
halle in Bremen, Dr. Buchner, Direktor des
Wallraf-Richarß-Museums in Köln, und
Mansfeld von der Galerie Matthiesen in
Berlin.
Ein Boccaccio-Autograph entdeckt
Von dem Direktor der Laurenziana
in Florenz, Prof. Enrico Rostagno, wurde
ein handschriftliches Manuskript der
„T e s e i d e“, eines der bedeutendsten Ge-
dichte Boccaccios, das im Jahre 1927 von
einer Versteigerung bei Hoepli von der italie-
nischen Regierung erworben worden war, als
ein Autograph von Boccaccio erkannt.
Amerikanisches Mäzenatentum
Für das jeweils beste Bild der jährlichen
Ausstellung des Carnegie-Institutes tiat der
Großindustrielle Albert C. Lehmann,
Pittsburg, einen Preis von 2000 Dollar aus-
geseßt. Das prämiierte Werk wird er erwerben,
falls sein Preis 10 000 Dollar nicht übersteigt.
Der erste Preis, den das Institut selbst aus-
geseßt hatte, betrug bisher 1500 Dollar. Die
nächstniederen Preise waren 1000, 500 und
300 Dollar.
Kunstpflege der Stadt Berlin
Es wäre interessant, einmal die Summen
zusammenzustellen, die von den deutschen
Städten für künstlerische Zwecke ausgegeben
werden. Die Ausgaben, die dafür im Haus-
haltsplan der Stadt Berlin für
1 9 29 vorgesehen werden, sind nicht unbe-
trächtlich. Den Löwenanteil nimmt freilich die
Städtische Oper als Fundusvorschuß,
Collection M. G.
bewahrung verursachte lebhafte Bedenken.
Schließlich fand man im Rathaus den ge-
eigneten Plaß.
Es war ein naheliegender Gedanke, das
Andenken van Goghs in Arles selbst zu ehren.
Und es ist eine glückliche Fügung des Schick-
sals, daß diese Ehrung ausgeht von einem
seiner besten Kenner.
Übrigens existiert eine analoge Sammlung
von Cemäldereproduktionen in St. Remy,
im Hospital St. Pol. Sein Leiter, Dr. Leroy,
zusammen mit Dr. Doistau Verfasser eines
Buches über den „Irrsinn V. van Goghs“, hat
das Schlafzimmer van Goghs an Dr.
de la Faille überlassen, um hier Dokumente
jener Epoche auszustellen.
Wilhelm Leibi
Für die Monate März und April bereiten
Köln und Berlin zum 85. Geburtstag
Wilhelm Lei bl’s eine umfangreiche Aus-
stellung des Lebenswerkes des Künstlers vor.
Die Preußische Akademie der
Künste, das Wallraf-Richartz-
Museum in Köln und die Galerie
Matthiesen in Berlin sind die gemein-
samen Veranstalter. Diese Ausstellung, für
die die deutschen und ausländischen Museen,
sowie die Privatsammlungen ihre Mitwirkung
zugesagt haben, wird die erste große Zu-
sammenfassung des Leibl’schen
Lebenswerke sin Deutschland sein. Sie
wird vom 10. bis 30. März in den Räumen
I des Wallraf -Richartz-Museums in
I Köln gezeigt werden. In Berlin hat die
, Pater1
„Pater“
Paris
für Volksvorstellungen usw. für sich in An-
spruch: 2 105 860 M. Was sonst für künst-
lerische Angelegenheiten sachlicher und per-
sönlicher Art getan wird, wirkt daneben ziem-
lich geringfügig. Immerhin sollen für 400 000 M.
Kunstwerke angekauft werden, — die
Nothilfe für Künstler und Geistesarbeiter er-
hält 145 000 M. zur Verfügung, schließlich
kostet der Betrieb des Märkischen Museums
und des Ermelerhauses 268 380 M.
Zusammenschluß derKunstsammler
In New York hat sich ein Schutz-
verein der Kunstsammler gebildet,
dessen Mitglieder bei europäischen Händ-
lern Kunstkäufe nur auf Grund eines Ver-
trages tätigen wollen, der von hervor-
ragenden amerikanischen Juristen entworfen
worden ist. Für den Fall, daß sich ein
Kunstwerk als Fälschung herausstellt, wird
die Rückzahlung des Kaufbetrages, hohe
Verzinsung und Schadensersaß gefordert
werden. — Ähnliche Bestrebungen sind ja auch
in Deutschland im Gange, doch sind sie noch
ohne greifbare Resultate.
Erfolge C. Hofers in der Schweiz
In der von der Galerie Flechtheim im
Kunsthaus in Zürich veranstalteten Aus-
stellung des Werkes von Carl Hofer wur-
den von Schweizer Sammlern mehrere Werke
Hofers, wie „Das schreibende Mädchen“,
„Maskerade", „Pfirsich-Stilleben“ usw. an-
gekauft.
J. B. P a t er , Badende
57 : 65,5 cm — Aus Fl. Ingersoll-Smouse:
Sammlung Wildenstein, Paris
J. B. Pater, Baigneuses
57 : 65,5 cm. Apres Fl. Ingersoll-Smouse:
Wildenstei
Ein neuer Cranach in Lofl‘‘
Das Britische Museum M
Stiftung ein Meisterwerk Cranachs aus.
Jugendzeit erhalten, die vor kurzem eW
Kreuzigung Christi, die zu einem 1503
von dem Drucker Winderborger her<Jel
Missale für die Passauer Diözese J
Diese Kreuzigung ist nie im Kuns'j
vorgekommen. Außerdem konnte die •
lung zwei Bildnisse des Meisters erwerb'
seltene Bildnis des sächsischen Herzog5,
Friedrich und das seiner Gattin Syb1
Cleve.
[
Ausgrabungen in Herculaü1
Unter Leitung des Professor M a j U’
in Herculanum wiederum einige wichtiflj
grabungen gemacht worden. Als H8'.
deckung muß die Auffindung von Therrt
ten. — Von Interesse ist auch die ftFls
eines dreistöckigen Hauses, wie maA -.=
antiken campanischen Städten bisher n°Sei al°onniert
kennen gelernt hatte. Endlich hat An2e. '/erlag.
„Haus des Skeletts“ ein vorzüglich erf1» e'9enannal
Mosaik mit der Darstellung einer ägYl’|Wie^tauktion
Gottheit, die einer Lotosblume entsteiU^^ D114783.
gefunden.
Neue Funde bei Eubö3
A •
An derselben Stelle wie der schF ls ä n
rühmt gewordene Poseidon sind jeßt z*6 Mess
tere bedeutende Bronzewerke d£eg 3a9erii
tike aus dem Meere g e •' ’ depujs
worden: die vordere Hälfte eines re<1'»trißü,.
Pferdes aus dem 5. Jahrh8 j.- lori d«
und ein anscheinend reitender •' f 10^“p
aus hellenistischer Zeit. si«. ,
9naler tou
Deutscher Maler nach SüdaF tl°n, a not.
berufen
Der Düsseldorfer Maler Curt Lahs ^2.
als Professor a-rf d a s In st if11
beilas artes in Medellin (Cc
bien) berufen worden.
M. J
ßoule\
Teleph
1pressi
<■
Graf Mycielski 7
Der polnische Kunsthist
Graf Georg Mycielski ist in K(l
im Alter von 72 Jahren gestorben.,
Dozent an der Wiener Universität, 57 4
Professor der Kunstgeschichte in KraP A
er als erster versucht, die polnische,
von 1760 bis 1860 im Abriß darzustelK'li^^.
Monographie, gemeinsam mit St. Wa5' 1mng
bearbeitet, widmete er den polnisch8’ äe „
nissen von der Hand Vigee-Lebruns. ubtsa„.ail''er;
_ aensu- 'S ant
ejn„de au
Altrussische Ikonenmalerei! A'1 khre
Hbf k Seums
In Verbindung mit der Ausstellung :,}(K hat, sje
mäler altrussischer Malerei" veransta'^i eh Schönt,
Deutsche Gesellschaft zum Studiub'.j^^ms bedeu
europas im Hörsaal der S t a a t JAehen werd'
Kunstbibliothek, Prinz-Albrecht'^^birnlung (
einen Zyklus von vier V o r i f licke sic
Den ersten Vortrag hält Prof' Absehen sE
Grabar über „Die E n t d e c k u n’ G 1 a s s a
altrussischen lkonenmalercjsu- Sie b
Mittwoch, 27. Februar, abends 8 Uhr. Scnständc
---“j erS(grückre
UNTER KOLIEG^
■ buhten 7 ,e'
Der falsche van Gogh ^henes
(Frei nach l1. b s°lcher Q
Ich gäb was drum, wenn ich nur "'l)
Von wem das Bild gewesen ist?
Es sieht mir ganz nach Wacker a8’|
Und hängt in einem feinen Haus.
*
81 El
U S S T
V E R S T
MI
Lt
CH
Die Jahre
Der Maler Jacques Blanche]
Gesellschaft eine Dame, die, troßdem 5
erste Jugend hinter sich hatte, immer
schöne Frau galt. Etwas unbedacht
Blanche zu ihr:
„Ach, gnädige Frau, was für ein
Porträt hätte ich vor fünfzehn Jahre
Ihnen machen können!“
Worauf die Dame schlagfertig zur8
„Also haben Sie heute kein Talent
Herr Blanche?“
Der Aschenbecher
Ein bekannter Museumsdirektor ist
vornehmen Berliner Haus zu Tisch . N8'
Essen reicht man die Zigarren. Als
lehrte die Asche ablegen will, sucht e
geblich nach einer Aschenschale.
„Es ist doch schrecklich", wendet er
seinem Nachbarn, der in ähnlicher Verl8!
ist, „daß die Aschenbecher aus Berlin
alle in der China-Ausstellung stehen.“
*
Der Bücherfreund
Der Schriftsteller Constantin A
lebte lange Jahre als Trapper in Kans,;
besaß dort eine kleine, aber aus98
Bibliothek, darunter die Werke Shake5"
Eines Tages schickte ein Nachbar
Jungen zu ihm und ließ ihn um o’,
Shakespeare-Bände bitten. Weyer fal
Verlangen merkwürdig, da er wußte, A
Nachbar keine literarischen Neigungen 1
und auf seine Frage, was denn der A
geber mit den Büchern anfangen WO‘
der Junge zur Antwort:
„Der Pokertisch wackelt 5
will er sie drunterlegenl“ J
Verantwortlich für die Redaktion i. V. und für den Anzeigenteil: F.-E- Hartmann. Berlin. Nachdruck n ir mit Einverständnis unseres Verlages gestattet. In der Rubrik „Kleine Anzeigen“ wir®
die Druckzeile f. Abonnenten mit 9 0 P f g., f. Nichtabonnenten mit 1,40 M. berechnet, während Überschriften durchweg 1,90 M. kosten. Druck von H. S. Hermann G. m. b. H., Berlin SW 19.
„Die Kunstauktion1’
i
VON ü
ERALL
Jahrg. III, Nr. 8 vom 24. Febru^
^hrg
Karl Scheffler
Zu seinem 60. Geburtstag
Es ist nicht leichi oder besser gesagt es
ist ganz unmöglich, das Leben eines begabten
und produktiven Menschen, der 60 Jahre ait
ist, in ein paar Säßen zu umschreiben. Man
kann nur eine Art Stimmungsbild von dem
Menschen geben, in dem man sozusagen das
Epische durch das Lyrische ersetzt. Ein
Mensch, ob gut oder schlecht, ob bedeutend
oder unbedeutend, hat das, was wir — ver-
gleichend — seine Linie nennen. Es ist dies
die Versinnbildung des Prinzips, nach dem sich
sein Geist, sein Ethos entwickelt. Bei ein-
fachen Naturen wird diese Linie gerade oder
leicht gewellt sein, bei komplizierten dagegen
oft wild bewegt und verschnörkelt. Wenn wir
Karl Schefflers Linie darstellen wollten, so
Karl Scheffler
gliche sie vielleicht einem Fluß, der mit ziem-
licher Geschwindigkeit dahinstürmt, dessen
Lauf oft von Hindernissen unterbrochen wird,
die er aber dank der Schnelligkeit, mit der er
dem Ziele zusirömf, und der Deutlichkeit, mit
der ihm dieses Ziel vor Augen steht, schnell
überwindet. — Es kommt meiner Meinung
nach beinahe weniger darauf an, was man für
eine Ansicht hat, als daß man überhaupt eine
hat. Wir sind ja selbst keine erratischen Blöcke
in unseren Anschauungen, und die Einstellung,
die wir zu anderen Menschen haben, ist sicher
nicht so objektiv wie wir denken und oft oder
immer stark von unserer eigenen Linie beein-
flußt. Daß aber Scheffler eine Ansicht — und
sogar eine sehr stark ausgeprägte — hat,
wird niemand, seine „Feinde“ nicht ausge-
schlossen, bestreiten können. Auch nicht, daß
er diese Ansicht mit Kraft und Geist nun schon
fünfundzwanzig Jahre lang — weiter kann ich
sie nicht zurückverfolgeri — verteidigt. Der
Glaube an seine Mission hat ihm Mut und
Ausdauer gegeben, die zu diesem Kampf ge-
braucht werden. Man könnte seine Weltan-
schauung die impressionistische nennen. Sie
ist in höchstem Maße real, vielleicht nicht
immer zur allerleßten Konsequenz geführt,
aber deutlich allem Unbeweisbaren, Unklaren,
jenseits des sinnlichen Erlebnisses stehenden
aus dem Wege gehend. Der Zweck der Kunst
ist die Kunst, das scheint der grundlegende
Begriff der Schefflerschen Anschauung zu
sein. Sie ist eine edle Blüte für ihn, die los-
gelöst von Erdenschwere, hinauf wachsen soll
und mit ihrem Duft und ihrer Schönheit den
Menschen eine reine Freude, eine stille Er-
bauung, ein Beweis für die göttliche Absicht
ist, unser Leben zu verschönern und ihm
gleichzeitig Berechtigung zu geben. Die Kunst
soll uns nicht in die unergründlichen, uner-
forschbaren, undurchsichtigen Gebiete führen,
die jenseits des Himmlischen liegen, sondern
hübsch auf der Erde bleiben zu unserer Lust
und Freude. — Ich muß gestehen, daß es mir
auch manchmal ein wenig ängstlich zu Mute
wird, wenn ich sehe, in welche metaphysischen,
übersinnlichen Gefilde die Künstler uns
manchmal führen möchten. — Scheffler jeden-
falls hält es für seine Aufgabe, gegen alles
anzukämpfen, was ihm in der Kunst nicht ge-
sund, nicht natürlich erscheint, und er tut das
mit Zähigkeit und Beharrlichkeit und oft mit
einer derartigen Hintanseßung persönlicher
Vorteile, daß ihm auch sicher die, die in an-
deren Gewässern treiben, ihre Hochachtung
nicht versagen werden. Diejenigen, die
Scheffler konservativ nennen, verkennen ihn
gründlich, Scheffler hat sich im Gegenteil
immer für den Fortschritt in der Kunst ein-
geseßt. Aber für ihn ist nicht jeder tastende
Versuch eines übergeschnappten Kunstjüng-
lings, selbst mit dem besten Kaffeehausanhang,
ein Fortschritt. In ihm ist die Idee des
Klassischen — vielleicht ohne daß er das
selbst weiß oder wahr haben will — fest ver-
Zacharie Birtschansky
PARIS, 88, FAUB. ST-HONORÜ
(en face de l'Elysee)
TEL. ELYS. 17-02
. Tab 1 e a u x * M e ub 1 e s
Obj ets d’Art
Verkauf an Händler
wurzelt und es ist die goefhesche Linie, die er
bewußt oder unbewußt fortseßt. Alles, was
daneben einherstürmt oder nur mittrabf, be-
trachtet er mit mißtrauischem Blick. In vielen
Beispielen hat er schon jeßt Recht behalten,
viele von den Größen, die er nicht anerkennen
wollte, sind schon wieder in ihrer rechten
Kleinheit erkannt und in der Versenkung ver-
schwunden. Manches hat er wohl übersehen,
aber wem passiert das nicht— hat Goethe
nicht Kleist selbst übersehen —; aber das,
was Scheffler sah, sah er mit großer Liebe
und hat es mit echter, ehrlicher, unbeirrbarer
Überzeugung verteidigt.
Man kann dem geraden, anständigen und
begabten Manne nur von ganzem Herzen für
seine Arbeit danken.
Walter Bond/
Vincent van Gogli und die Stadt
Arles
Dankenswerte Initiative de la Failles
Ein geschäßter holländischer Mitarbeiter
schreibt uns:
Bekanntlich hat van Gogh 1888—89 in Arles
gearbeitet — bisher wies nur eine Gedenktafel,
noch dazu mit falschen Daten, am Plaß La-
martine das Haus, in welchem er gewohnt
hatte. Dr. de la Faille, der bekannte van
Gogh-Kenner, hat nun die Initiative ergriffen,
um das Andenken van Goghs in würdigerer
Weise zu ehren. Am reizvollsten wäre es ge-
wesen, jenes Haus in ein van-Gogh-Museum
mit Originalgemälden zu verwandeln. Nun,
das geht ja leider nicht. Und so beschränkte
man sich auf Reproduktionen und Bücher.
Eine solche umfangreiche Sammlung von
Photographien der Gemälde und
Zeichnungen, die aus jener Epoche
van Goghs stammen, Farbreproduk-
tionen nach seinen Arbeiten und Litera-
tur über van Gogh hat Herr Baert de la
Faille der Stadt Arles zum Geschenk gemacht.
Einige Schwierigkeiten freilich mußten über-
wunden werden. Das Museum war vorläufig
geschlossen und überfüllt. Der Besißer des
Hauses, in welchem van Gogh gewohnt hatte,
würde die Sammlung schon aufgenommen
haben, aber die Frage der sauberen Auf-
Preußische Akademie der Künste
in dankenswerter Weise, nach Überwindung
größter räumlicher Schwierigkeiten, ihre Säle
für die Zeit vom 7. bis 31. April für das male-
rische Werk zur Verfügung gestellt, wäh-
rend die Zeichnungen und das ge-
samte graphische Werk zum gleichen
Zeitpunkt in der Galerie Matthiesen
selbst zu sehen sein werden. Die wissen-
schaftlichen und technischen Vorarbeiten,
sowie die Redaktion eines umfangreichen illu-
strierten Kataloges liegen in den Händen eines
Arbeitsausschusses, nämlich der
Herren Dr. Waldmann, Direktor der Kunst-
halle in Bremen, Dr. Buchner, Direktor des
Wallraf-Richarß-Museums in Köln, und
Mansfeld von der Galerie Matthiesen in
Berlin.
Ein Boccaccio-Autograph entdeckt
Von dem Direktor der Laurenziana
in Florenz, Prof. Enrico Rostagno, wurde
ein handschriftliches Manuskript der
„T e s e i d e“, eines der bedeutendsten Ge-
dichte Boccaccios, das im Jahre 1927 von
einer Versteigerung bei Hoepli von der italie-
nischen Regierung erworben worden war, als
ein Autograph von Boccaccio erkannt.
Amerikanisches Mäzenatentum
Für das jeweils beste Bild der jährlichen
Ausstellung des Carnegie-Institutes tiat der
Großindustrielle Albert C. Lehmann,
Pittsburg, einen Preis von 2000 Dollar aus-
geseßt. Das prämiierte Werk wird er erwerben,
falls sein Preis 10 000 Dollar nicht übersteigt.
Der erste Preis, den das Institut selbst aus-
geseßt hatte, betrug bisher 1500 Dollar. Die
nächstniederen Preise waren 1000, 500 und
300 Dollar.
Kunstpflege der Stadt Berlin
Es wäre interessant, einmal die Summen
zusammenzustellen, die von den deutschen
Städten für künstlerische Zwecke ausgegeben
werden. Die Ausgaben, die dafür im Haus-
haltsplan der Stadt Berlin für
1 9 29 vorgesehen werden, sind nicht unbe-
trächtlich. Den Löwenanteil nimmt freilich die
Städtische Oper als Fundusvorschuß,
Collection M. G.
bewahrung verursachte lebhafte Bedenken.
Schließlich fand man im Rathaus den ge-
eigneten Plaß.
Es war ein naheliegender Gedanke, das
Andenken van Goghs in Arles selbst zu ehren.
Und es ist eine glückliche Fügung des Schick-
sals, daß diese Ehrung ausgeht von einem
seiner besten Kenner.
Übrigens existiert eine analoge Sammlung
von Cemäldereproduktionen in St. Remy,
im Hospital St. Pol. Sein Leiter, Dr. Leroy,
zusammen mit Dr. Doistau Verfasser eines
Buches über den „Irrsinn V. van Goghs“, hat
das Schlafzimmer van Goghs an Dr.
de la Faille überlassen, um hier Dokumente
jener Epoche auszustellen.
Wilhelm Leibi
Für die Monate März und April bereiten
Köln und Berlin zum 85. Geburtstag
Wilhelm Lei bl’s eine umfangreiche Aus-
stellung des Lebenswerkes des Künstlers vor.
Die Preußische Akademie der
Künste, das Wallraf-Richartz-
Museum in Köln und die Galerie
Matthiesen in Berlin sind die gemein-
samen Veranstalter. Diese Ausstellung, für
die die deutschen und ausländischen Museen,
sowie die Privatsammlungen ihre Mitwirkung
zugesagt haben, wird die erste große Zu-
sammenfassung des Leibl’schen
Lebenswerke sin Deutschland sein. Sie
wird vom 10. bis 30. März in den Räumen
I des Wallraf -Richartz-Museums in
I Köln gezeigt werden. In Berlin hat die
, Pater1
„Pater“
Paris
für Volksvorstellungen usw. für sich in An-
spruch: 2 105 860 M. Was sonst für künst-
lerische Angelegenheiten sachlicher und per-
sönlicher Art getan wird, wirkt daneben ziem-
lich geringfügig. Immerhin sollen für 400 000 M.
Kunstwerke angekauft werden, — die
Nothilfe für Künstler und Geistesarbeiter er-
hält 145 000 M. zur Verfügung, schließlich
kostet der Betrieb des Märkischen Museums
und des Ermelerhauses 268 380 M.
Zusammenschluß derKunstsammler
In New York hat sich ein Schutz-
verein der Kunstsammler gebildet,
dessen Mitglieder bei europäischen Händ-
lern Kunstkäufe nur auf Grund eines Ver-
trages tätigen wollen, der von hervor-
ragenden amerikanischen Juristen entworfen
worden ist. Für den Fall, daß sich ein
Kunstwerk als Fälschung herausstellt, wird
die Rückzahlung des Kaufbetrages, hohe
Verzinsung und Schadensersaß gefordert
werden. — Ähnliche Bestrebungen sind ja auch
in Deutschland im Gange, doch sind sie noch
ohne greifbare Resultate.
Erfolge C. Hofers in der Schweiz
In der von der Galerie Flechtheim im
Kunsthaus in Zürich veranstalteten Aus-
stellung des Werkes von Carl Hofer wur-
den von Schweizer Sammlern mehrere Werke
Hofers, wie „Das schreibende Mädchen“,
„Maskerade", „Pfirsich-Stilleben“ usw. an-
gekauft.
J. B. P a t er , Badende
57 : 65,5 cm — Aus Fl. Ingersoll-Smouse:
Sammlung Wildenstein, Paris
J. B. Pater, Baigneuses
57 : 65,5 cm. Apres Fl. Ingersoll-Smouse:
Wildenstei
Ein neuer Cranach in Lofl‘‘
Das Britische Museum M
Stiftung ein Meisterwerk Cranachs aus.
Jugendzeit erhalten, die vor kurzem eW
Kreuzigung Christi, die zu einem 1503
von dem Drucker Winderborger her<Jel
Missale für die Passauer Diözese J
Diese Kreuzigung ist nie im Kuns'j
vorgekommen. Außerdem konnte die •
lung zwei Bildnisse des Meisters erwerb'
seltene Bildnis des sächsischen Herzog5,
Friedrich und das seiner Gattin Syb1
Cleve.
[
Ausgrabungen in Herculaü1
Unter Leitung des Professor M a j U’
in Herculanum wiederum einige wichtiflj
grabungen gemacht worden. Als H8'.
deckung muß die Auffindung von Therrt
ten. — Von Interesse ist auch die ftFls
eines dreistöckigen Hauses, wie maA -.=
antiken campanischen Städten bisher n°Sei al°onniert
kennen gelernt hatte. Endlich hat An2e. '/erlag.
„Haus des Skeletts“ ein vorzüglich erf1» e'9enannal
Mosaik mit der Darstellung einer ägYl’|Wie^tauktion
Gottheit, die einer Lotosblume entsteiU^^ D114783.
gefunden.
Neue Funde bei Eubö3
A •
An derselben Stelle wie der schF ls ä n
rühmt gewordene Poseidon sind jeßt z*6 Mess
tere bedeutende Bronzewerke d£eg 3a9erii
tike aus dem Meere g e •' ’ depujs
worden: die vordere Hälfte eines re<1'»trißü,.
Pferdes aus dem 5. Jahrh8 j.- lori d«
und ein anscheinend reitender •' f 10^“p
aus hellenistischer Zeit. si«. ,
9naler tou
Deutscher Maler nach SüdaF tl°n, a not.
berufen
Der Düsseldorfer Maler Curt Lahs ^2.
als Professor a-rf d a s In st if11
beilas artes in Medellin (Cc
bien) berufen worden.
M. J
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Graf Mycielski 7
Der polnische Kunsthist
Graf Georg Mycielski ist in K(l
im Alter von 72 Jahren gestorben.,
Dozent an der Wiener Universität, 57 4
Professor der Kunstgeschichte in KraP A
er als erster versucht, die polnische,
von 1760 bis 1860 im Abriß darzustelK'li^^.
Monographie, gemeinsam mit St. Wa5' 1mng
bearbeitet, widmete er den polnisch8’ äe „
nissen von der Hand Vigee-Lebruns. ubtsa„.ail''er;
_ aensu- 'S ant
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Altrussische Ikonenmalerei! A'1 khre
Hbf k Seums
In Verbindung mit der Ausstellung :,}(K hat, sje
mäler altrussischer Malerei" veransta'^i eh Schönt,
Deutsche Gesellschaft zum Studiub'.j^^ms bedeu
europas im Hörsaal der S t a a t JAehen werd'
Kunstbibliothek, Prinz-Albrecht'^^birnlung (
einen Zyklus von vier V o r i f licke sic
Den ersten Vortrag hält Prof' Absehen sE
Grabar über „Die E n t d e c k u n’ G 1 a s s a
altrussischen lkonenmalercjsu- Sie b
Mittwoch, 27. Februar, abends 8 Uhr. Scnständc
---“j erS(grückre
UNTER KOLIEG^
■ buhten 7 ,e'
Der falsche van Gogh ^henes
(Frei nach l1. b s°lcher Q
Ich gäb was drum, wenn ich nur "'l)
Von wem das Bild gewesen ist?
Es sieht mir ganz nach Wacker a8’|
Und hängt in einem feinen Haus.
*
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Die Jahre
Der Maler Jacques Blanche]
Gesellschaft eine Dame, die, troßdem 5
erste Jugend hinter sich hatte, immer
schöne Frau galt. Etwas unbedacht
Blanche zu ihr:
„Ach, gnädige Frau, was für ein
Porträt hätte ich vor fünfzehn Jahre
Ihnen machen können!“
Worauf die Dame schlagfertig zur8
„Also haben Sie heute kein Talent
Herr Blanche?“
Der Aschenbecher
Ein bekannter Museumsdirektor ist
vornehmen Berliner Haus zu Tisch . N8'
Essen reicht man die Zigarren. Als
lehrte die Asche ablegen will, sucht e
geblich nach einer Aschenschale.
„Es ist doch schrecklich", wendet er
seinem Nachbarn, der in ähnlicher Verl8!
ist, „daß die Aschenbecher aus Berlin
alle in der China-Ausstellung stehen.“
*
Der Bücherfreund
Der Schriftsteller Constantin A
lebte lange Jahre als Trapper in Kans,;
besaß dort eine kleine, aber aus98
Bibliothek, darunter die Werke Shake5"
Eines Tages schickte ein Nachbar
Jungen zu ihm und ließ ihn um o’,
Shakespeare-Bände bitten. Weyer fal
Verlangen merkwürdig, da er wußte, A
Nachbar keine literarischen Neigungen 1
und auf seine Frage, was denn der A
geber mit den Büchern anfangen WO‘
der Junge zur Antwort:
„Der Pokertisch wackelt 5
will er sie drunterlegenl“ J
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