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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 7.1872

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Förster, B.: Mandels Stich der Madonna Panshanger von Raffael
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Bergau, R.: Die Kunst im Hause, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4814#0058

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Die Kunst im Hausc.

108

ihm gegenübertritt. Das Gesichr der Mutter ist bas be-
kannte liebevolle, sinnige Diädchengcsicht, das namentlich
die früheren Bilder Naffael's zeigen; das Kind tlctteri
lustig nnd lebhafter bewegt alS in irgend einein anderen
Raffael'schen Madonneirbilde an der Mutter in die Höhe.
Der Körpcr des KindeS ist austervrdentlich zart wicder
gegeben; dic weichen schönen geundungen des kleinen
Körpers treten mit plastischer Deutlichkeit aus dem Bilde
heraus; mit unendlicher Kunst ist ferner der Schleier dar
gcsteüt, der das Haar und eiucn Theil der Stirne dcr
Gvttesmutter bedectt; die vvllendetc Technik des KünstlerS
spottet der Schwierigkeite», die ihm hier das spröte
Material eutgegenstellte. Obwvhl der Stich nicht sv
dunkel gehalken ist, wie einige andere der gelungensten
Werke desselben Meisterö z. B. der Ban Dyck'sche Korl I.
und die Bella des Tizian, svnderu durchweg in hellem
Tvn erscheiut und denselben Charakter zeigt wie
z. B. die schvn erwähnte Madvnua Cvlvnna, so machl er
doch einen austerordeutlick kräftigen Eindruck und wird
somit wohl nvch Manchcm cbcnso durch die Schvnheit
dcs Objekts, wie durch die Bollendnng dcr Technik dic
Frcude bereilen, die ich beini ersten Anblick desselben
cmpfand. Einen gleich günsligen und berechtigtcu Ersolg,
wie ihn die übrigen Arbeiten Maudel'S davon getragen
haben, dürfen wir auch dieser seiuer neuesten steistung
prophezeien.

Berlin. B. Förstcr.

Die Kunst im Hanse^).

(Schluß.)

Die erste histvrische Abtheilung beschreibt iu vier
Kapiteln die Wohnungen, d. h. nicht die Werke der
Architekten, svndcrn ihre Eiurichtuug und ihren Schmuck,
in jeuen Epvchen, in welchen die Kunst zur vollendeteu
Blüthe gelangte, deren Stndium daher für die Gegenwart
von praktischem Jnteresse und vou Wichtigkeit ist.

Jm ersten Kapitel schildert Falke das griechisch-
römische Haus. Jn diesem war der Schmuck nicht
äußerer Prunk, der nur des Scheiues wegen da ist, sondern
ein nvthwendigeö Bedürfuiß der Bilduug. Ucberall, wo-
hin das Auge traf, stieß eS anf wvhl abgestimmte Far-
ben und schöne Fornien. Allcs und Jedes, selbst das
kleinste Gcräth profansten Gebrauches war von der
Hand eines Künstlers mit Verständniß und Schönheits-
sinn geschniückt.

Jm zweiten Kapitel beschreibt der Verfasser mit
vollendeter Mcisterschaft die Wohnungen des Mittel-
alters, welchc an Wohnlichkeit wie an Kunst viel zu

Die Knnst im Hause. Von Jakob Falkc. Wien,
L. (Kerold's Sohn. >87k. 8.

wünschen übrig ließen, für uus aber doch bedeutuugsvolt
sind, weil sie den Ausgangspunkt uuserer hcutigen, auf
deiuselben Boden, in demselben Klima während mehrerer
Jahrhunderle entwickelten Zustände bildeu.

Das dritte Kapitel handelt vou der Wohnung iin
sechzehnten Jahrhundert in Jtalien, Deutschland und
Fraukreich. Es ist die Zeit der höchsteu Kunstblüthe.
Dieselbe war in Jtalien vvn eiuer Höhe der Bilduug,
von einem Verständniß für die Genüsse des Geistes, von
einer Feinheit der Sitten und eiuer freien Anmuth iu>
gesellschaftlichen Verkehr begleitet, die seitdem wohl all-
gemeiner geworden, nieuials aber übertroffen wvrden sind.
Die Wirkung dieser Äuust und dieser hohen geistigen
Bildung auf die künstlerische Gestaltung des HauseS war
um so bedeutender, je mehr der Gaug der politischcn
Entwickelnng das Leben der Einzeluen privater machte
und sie zum Hause und zur Familie hiudrängte. Zudem
hatte die Kunst sich uoch nicht in eine hohe und nicderc,
in eineKunstund einKunstgewerbe geschiedeu. Beidewareu
daher noch auf's Eugste miteinauder verbunden. Dcreiu-
fachste Haudwerker arbcitete unter dem Eiuflusse eiues ge-

sundenGeschmacksundderbedeutendsteKünstlerverschmähte

es nicht, scheinbar klcine Arbeiten, wie die Dekoration der
Geräthe, auszusühreu. Der Gesainmt-Eindruck eiuer
italienischen Patrizier-Wohnung iu der Mitte des sech
zehnten Jahrhunderts war ein großartig malerischer und
iu jeder Beziehung befriedigender. Sie war reich, edcl,
vornehm, wohnlich und im höchsten Grade künstlerisch.
Der Plafond ist mit reich geschnitzten Ornameiiten mii
Vergolduugeu und Gemälden geschmückt. An vcn
Wänden fiuden sich architeklonisch gegliederte, oft ge-
schnitztc und mit farbigen Einlagen versehene Ver-
täseluugeu, darüber Tapeten von Seide oder Sammet
mit Gold gemustert, oder sigureu- uud farbeureiche
Arrazzi. Jn den Zimmerii stehen schwere Trsche mil
kostbaren Platten, schön geschnitzte Stühle mit weicher
Polsterung, Schenktische voll des herrlichsteu Tafclgeräthes.
Vor den Thüren, Fensteru und Betten häugen schwere
Vorhänge. Dic Fußböden und Tische sind mit deu
schönsten Geweben uud Slickereien des Orieuts bedeckt.
Dazu in prächtigen Rahmen die Meisterwerke der Malerei
eines Tizian und Giorgione. Svdaun allerlei Kasten
aus koslbaren Hölzern, Truhen mit reicher Schnitzerei und
alle jeue reizendcn Werke der Kleinkunst, Kästchen aus
Ebenholz und Elfenbeiu, Gefäße aus edeln Bletallen und
Glas, kräftig gefärbte Majoliken, Statuetten aus Bronze,
Marmor uud Elfenbein auf dem Kamiu rc. Das Alles
in reichen Farbcn von gefälligen, vollen Tönen. Svlcher
Wohnung entsprach auch die Gesellschaft, welche sich darin
bewegte. „Jene Menschen trugen die Kunst aus ihrer
Höhe in das Haus, in das Leben; aber sie erhoben das
Leben auch wieder auf die Höhe der Kunst."

Aehnlich warcn auch dic Patrizier Wohnuugeii iu
 
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