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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 7.1872

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Die kirchliche Kunst auf der Weltausstellung von 1873
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Die Hamburger Kunst-Ausstellung, [1]
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Die Haml'inqcr Kuiist-Ansstcllung,

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organisch entwickelte Motive zuznführen. Denn die
genmsterten Wirk- und Webstoffe nicht minder, als
die sogenannten heiligen Geräthe waren es eben, in
deren Mannigfaltigkeit die Phantasie, in deren stil-
voller Ausstattung das Kunstverniögen der verschiede-
nen Epochen der kirchlichen Kunst einen ebenso glän-
zenden, als charakteristischen Ausdruck gefunden.
Hier gilt es, auserlesen reine Formen, edlen, ge-
diegenen Reichthum aufzuweisen.

Endlich sind noch

ä) „die bei der Taufe und Leichenbestattung
in Verwendung kommenden Objekte" anzu-
führen, auf deren zahlreiche Vertretung ebenfalls
Werth gelegt werden muß. Vom Weihbruunkessel
und Taufbecken bis zu den Grabmonumenten, Grab-
platten und Grablampen soll der Beschauer einen
Ueberblick erhalten.

Wenn wir uns nun von der Kirche selbst zu ihrem
Dienste wenden, sind schließlich die Meßgewänder in Be-
tracht zu ziehen. Zur Veranschaulichung derselben möge
das fein und geschmackvoll durchbrochene Chorhemd neben
dem reich durchwebten Brocat der anliegenden Casula
oder des faltenreichen Pluviale's Platz sinden und endlich
auch die flatternde Kirchenfahne und der stattliche Balda-
chin nicht fehlen.

Es versteht sich von selbst, daß die Weltausstellung
nicht ausschließlich den Gegenständen eines speciellen
Ritus geöffnet ist. Wir sprechen von einer kirchlichen
Knnst im Allgemeinen; das Gesagte bezieht sich daher auf
alle, unter a), d), o), ck) sich einreihenden Gegenstände,
welchem Ritus sie angehören mögen.

Für die Einsendung, Aufstellung rc. der Objekte
gelten die Bestimmungen des allgemeinen Reglements."

Oie Hamiinrger Knnst-Änsjiellung.

Hamburg, Mitte Mat 1S7S.

Seit dem 12. April befindet sich die Wander-Aus-
stellung des Norddeutschen Gesammt-Kunstvereins in
unscrer Mitte. Wer nicht wüßte, daß einige Mitglieder
unserer Aristo-, richtiger Plutokratie hübsche Gemälde-
Sammlungen ihr eigen nennen, müßte, aus dem Verhalten
der Presse z. B-, schließen, daß in Hamburg nicht der
geringste Sinn für Kunst existire; außer einem besser mit
Stillschweigen übergcgangenen Anlauf zur Kritik eines
kleinercn Blattes bringt von sämmtlichen hiesigen Organen
nurdcr „Correspondent" sachgemäßeBesprechmigen. Vieb
leicht gönnen Sie deßhalb dem Einsender dieses Berichtes
cinigeu Raum zu wenigen allgemeinen Bemerkungen,
denen sich eine kurze Nundschan über die in irgend einem
Sinne bemerkenswerthen Werke der Ansstellung an-
schließen soll.

Der Katalog zählt gegcn 1100 Nummern, von

denen nur ein verschwindend kleiner Theil nicht Oelbilder
sind (einige Aguarclle, einige plastische Werke nud zwei
bis drei Nummern, von denen man nicht recht weiß, was
sie in einer Kunst-Ausstellung sollen). Der allgemeine
Eindruck ist der einer — soll ich sagen anständigen? —
Mittelmäßigkeit, über welche allerdings nicht wenige Werke
sich erheben, unter deren Niveau aber auch gar viele zu-
rückbleiben. Wenn man, was wir nicht hoffcn, aus dieser
Ausstellung einen Schluß auf den allgemeinen Standpunkt
der deutscheuKunst ziehen dürfte, so könnteernichtanders
als ungünstig ausfallen. DieanerkennenswertheLiberalität,
mit welcher die Besitzer von Vautier's „LändlichemBe-
gräbniß" und Defregger's „Ringkampf inTirol" diese
beiden Meisterwerke noch einmal zur Anschauung eines
größeren Publikums zu bringen verstattet haben, läßt die
übrige Ausstellung in einem noch dunkleren Lichte erschei-
nen; da sie unter manchen guten Bildern auch nicht eines
aufweist, welches den genannten nur halbwegs cbenbürtig
wäre; nur die Bilder von G. Max, welche sich jedoch in
einer ganz anderen Sphäre bewegen, brauchen einen
Wettkampf mit ihnen nicht zu scheuen. Die Gedanken-
armuth der Maler, welche dieselben abgenutzten Themata
immer und immer wieder in einer weder durch Neuheit
und Originalität der Auffassung noch durch liebevolle
Anssührung ansprechenden Weise vorführen und sich bc-
ständig in denselben engen Jdeenkreisen drehen und wenden,
ist fast eine erschreckende. Und in welch unbeschreiblich
jämmerlicher Weise hat der gigantische Krieg der jüngsten
Zeit die Phantasie so mancher dieser Künstler beschäftigt!
Wie tief beschämt müssen wir dastehen, wenn wir daran
denken, wie ganz anders die Franzosen eine so glorreiche
Periode malerisch ausgenutzt haben würden! Eigentliche
Schlachtenbilder fehlen gänzlich; die einzigeu Werke,
welche etwa unter diese Nubrik gereiht werden könnten,
würden kaum zu erträglichen Jllustrationen fnr unsere
„Familienblätter" geeignet sein. Zu den Werken dieser
Gattung zählen insbesondere die Bilder von Sell u. A-,
welche auf die Abwege der landläufigen, nicht einmal
guten Jllustrircrei geratheu sind*). Ein Bild von
Blankarts: „Der Kronprinz begrüßt die Bahern

') Jch weiß nicht, ob eS anderen Beobachtern auch so
oorkommt, daß die Kriegs-Jllustrationcn unserer Zeit einen
eigenthümlichen Nückschritt gegen die aus dem Anfang diescS
und sogar aus dem vorigen Jahrhundert verzeichnen lassen;
es will mich bedllnken, als wenn z. B. die Schlachtenbilder
eines alten, die Türkenkriege vom Ende des XVll. Jahrh.
behandclnden Werkes an ilebersichtlichkeit der Anordnung, Ge-
nauigkeit und liebcvoller Ausfiihrung des Details und leben-
diger Bewegung der Gruppen die Jllnstrationen selbst der
mit dcn größten Prätentioncn auftretcndcn Werke z. B. Mül-
lcr's, Fechner's, Hiltl's u. a. weit hinter sich lassen; das erst-
gcnannte Werk liefcrt außerdem Karten und Pläne, welche
man im Zeitalter und Lande eines Petcrmaiin und Kiepert
nicht fiir möglich halten sollte.
 
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