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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 7.1872

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Der Krieg und die Künste
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https://doi.org/10.11588/diglit.4814#0233

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VII. Jahrgang.

Nr. 26.

Seitrüge

smd an Or. C.v. Liivow
(wien, Theresianumg.
2S)od.andieVcrlag§h.
(Leipzig, Königsstr. s>
zu richten.

4. Oktolier

ÄnftratL

a 2 Sgr. für die drei
Mal gespaltene Petit-
zeile werden von jeder
Buch- und Kunfthand
lung angenonnnen.

1672.

Beiblatt zur Zeitslhrist sür üildende Kuust.

Erscheint alle 14 Tage, für dic Abonnenten der „Zeitschrift fiir bildende Kunst" sratis. Fiir sich allein bezogen tostet die Kunst-Cbronil in
allen Buch- und Kunsthandlungen, sowie bei der Post vom VIII. Jahrgang an S Thlr.

Inhalt: Der Kricg und die Kiinste. — Nekrolog: Franz Bauer. —
Alte FrcSkogcmälde in Freiburg. — Ein Skulhtnrwerk von Raffael.
— KnnstauSstellung in Weiniar. — Cranachfeicr in Weimar. — E.
v. Gebhardt. — Restauration des StephanSdoms. — Michelangelo's
David. — RechtSstreit nber Giotto's FreSken. — Berichtigung. —
Zeitschristen. — Bcrichte vom Künstmarkt: Auktion Gsell
tSchlußi; Leipziger Kunstauktionen; Kupfcrftichauktion Mecklcnburg;
W. v. Kaulbach s Todtentanz; Neuigkeitcn deS Buch- nnd Knnst-
handels. — Jnserate.

Der Gricg nnd die Mnste.

Uliter diesem Titel publicirte Professor Friedrich
Visch.r (im Verlage von Wilhelm Spemann in Stutt-
gart) einen am 2. März d. I. in Stuttgart gehaltenen, in
der Form hochvollendeten, geist- und gehaltvollen Vortrag,
in welchem er die Unentbehrlichkeit des Krieges als uner-
schöpfliche Quelle der schönsten nnd großartigstcn Motive
für alle Künste nachweist. Er giebt zn — nnd wer
wollte es läugnen! —daß der Krieg roh, schrecklich, wild
und verwildernd ist, das Wohl von Tansenden zerstört,
unsagbares Elend, oft für Jahrhunderte verbreitet. Aber
der Krieg, sagt Vischer, „ist auch ein Wecker von unge-
meinen Kräften, die sonst geschlummert hätten". „Er
vermag die Völker zur höchsten Anspannung ihrer ganzen
Kraft zu sporneu, zu Leistungen, die im Frieden sie selbst
sich nicht zutrauen". Er weckt den Muth uud bindet
Millionen zusammen in dem einen Gedanken an die Ehre
des Vaterlandes. Unter den Tausenden, die auf dem
Schlachtfelde gemeinsam dem Feinde entgegengeheu, weiß
ein Jeder, wie wenig sein Leben uud das Wohl der Seinigen
gilt im Vergleich zu dem Ruhme des BaterlandeS.

So widerstreitenden Sätzen gegenüber, sagt Vischer,
giebt es nur einen Rath: „Führe den Krieg nie herbei,
verhindere ihn, so lange du kannst; soll es doch sein, so
wehre dich, so brav du nur immer vcrmagst, mit dem Auf-
wenden deiner ganzen Kraft nnd endige ihn so schnell du
kannst. Jst er vorüber, dann schaffe, wirke, baue Pflan-
zungen des Friedeus, baue am Werk der Erziehung dcr
Menschheit!"

Bevor der Redner auf die einzelnen Künste eingeht,
beantwortet er zunächst die Frage, welchen Stoff der Krieg
der ästhetischen Anschauung uud dcr Kunst im Allgemeiuen
bietet. Der Krieg, sagt er, „ist darum nicht unästhetisch,
weil er wild, weil er furchtbar ist, deun auch das Schreck-
liche hat unter der Voraussetzuug eines sittlich erhebenden
Zusammenhangs ästhetischeu Neiz". Die eingehenden
Schilderungen der Schlachtscencn des Homer, die Statue
des sterbenden Galliers auf dem Capitol, die Bilder vom
Rückzuge der französischeu Armee aus Nußland rc. stoßen
uns nicht ab. Es fesselt uns vielmehr die Anschaunng der
Kraft und des Heldenmuthes, die mächtigc Erhebung der
Seele, welche die Schrccken des Todes nicht fürchtet und
das Mitleid, welches die Feindschaft zwischen Mensch und
Mensch aufhebt. Der Anblick irauernder Frauen, ver-
waisterFamilien, deren geliebteHäupternichtzurückkehren,
zieht uns immer von Neuem au, weil das Mitleid schön
ist. Der Kricg briugt das Wehe des Abschicds, aber auch
die Freude der Heimkchr und des Wiedersehens. —

Zu den einzelnen Küusten übergehcnd bemerkt dcr
Redner, daß die Baukunst durch den Krieg am wenigsten
gefördert werde. Es geschieht nur iudirekt, indem die
Tempcl nnd Paläste, wclche dcr Krieg zerstört hat, nach
demselben schöuer wieder aufgebaut werden. Die Sculp-
tur entlehnt mit Vorliebe ihre Motive aus dem Kriege.
Besonders geeignet für dic plastische Darstellnng ist die
antike Weise des Einzelkampfes, bei welchem jedes Glied,
jedcr Muskel in Thätigkeit konimt; weniger günstig die
moderne Art des Massenkampfes. Eine große Anzahl
der hcrrlichsten plastischeu Schöpfnngen des Alterthums
und der neueren Zeit sind den Kämpfen entlehnt. Man
denke nur an die Statuen ans dem Giebelfelde des
Tempels zu Aegina, an den Fries vom Tempel zu Bassae,
au die Triumphbogen und Ehrensäulen zu Nom. Viele
moderne Ehrendcnkmäler beziehen sich auf ausgezeichnete
Thateu im Kriege. Der Malerei dagegen ist die moderne
 
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