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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 7.1872

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Kinkel, Gottfried: Die Madonna von Loretto
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https://doi.org/10.11588/diglit.4814#0193

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vn. Jahrgang.

Nr. 21.

üeitrügc

Imd anvr. C.v.LUtzow
(Wien, Therestanumg.
2S)od.an dleBerlagSH,
(eeipzig, KönigSstr. s>
zu richten.

Insrratc

d 2 Sgr. für di- drei
Mal gesxaltene Petit-
zelle werden von jeder
Buch- und Kunsthand-
lung angenommen.

26. 2>,li

1872.

Beiblatt znr Zeitschrist sür bildende Kunst.

Erscheiut alle 14 Tage, fiir dle Abonnenten dcr „Zeitschrift fiir bildende Kunst" xratls. Für sich allein bezogen lostet die Kunst-Cbronil in
allen Buch- und Kunfthandlungen, sowie bei der Post vom VII. Jahrgang an 1 Thlr. 20 Sgr.


Jnhalti Die Madonna von Loretto. — Aus Newhork. — Nckrologei
Freiherr von Pfaffcnhofsen; LucanuS; Sengcl; Fr. Forster. —
Andresen'S Haudbuih fiir Kuvferstichsaiuinler. — Nussifchc Oruauientil.
— K. Kupferstichkabinet zu Bcrlin. — Kuustvcrein für Nhelnlaud und
Westsalcn. — Ebreuschlld sür General Wcrder. — Geiiiäldever-
loosnng für Ehicago. — Hettner'S Rede bci der Enthllllung des
Winilelmann-Dcnknials iu DrcSden. — Bcrichte voiu Kunst-
markt: KnauS' Wandbilrer nach Motiveu vou Watteau; Richard
Wagncr-Galeric; Lcipziger Kunstauktion; Auktion Gscll. — Jnserate.

Die Madonna van Larctto-').

Jm Deccmber 1862 crwarb Herr Oberstlieutenant
Pfau in Winterthur ein Exeinplar bes Bildes vo»
Raffael, das unter dein Namen der Madonna von Loretto
bekannt ist und so berühmt war, daß an den verschiedensten
Orten über dreißig Repliken und Kopien derselben sich
finden. Maria hebt, vor cinem Vorhange stehend, von
dem eben erwachtcn Kinde einen leichten Schlcier cmpor.
Dieses streckt, auf einem weißen Kissen nnd cinem weißen
Leintuche liegend, ihr die Händchen cntgegen, um auf
ihre Arme genommen zn werden, während Ioseph, anf
einen Stab gestützt, mehr aus deni Hintergrnnde, auf den
schoncn kräftigen Knaben ruhig hinabblickt. Herr Pfau
stellte das Bild in seiner Gemäldesammlung auf Schloß
Kybnrg auf und schickte es 1866 an Galericdirektor
Eigner in Augsburg zur Restauration. Nachdem Eigner
die Nebermalungen abgenommen, erklärte er es für das
Raffacl'sche Original. An dem Halse der Madonna ka-
men mehrere cingebohrte Löcher zum Vorschein, welche
vermuthlich zur Befestigung eines Halsschmuckes gedient
hatten, und auf der Brust derselben Figur zeigte sich ein
langer, in das Holz hinein verkohlter Slreifen, wohl von
einer Lampe herrührend, die vor dem Bilde lange Zeit
gebrannt zu haben scheint. Um das Haupt des Christus-

Die Madonna von Loretto. Einc lunstgeschichtliche
Untersuchung von S. Vögelin. Mit einer Beilage, ent-
haltend das Verzeichnist der während der fraiizösischcn Jnvasion
aus Jtalien weggesckleppten Kunstwerke. Zürich, 1870.

kindes fanden sich die drei Strahlenbüschel eines Kreuz-
nimbus in ächtem Gold aufgetragen, nnd ein Brett des
Holzes war vom nntern Ende der Tafel an das obere an-
gesetzt worden. Dieß sind die Hauptpunkte des Berichtes,
den Eigner damals an den Besitzer richtete. Die Nestau-
ration hat cin in allen Theilen harmonisches Ganze her-
gestellt, so daß die verletzten Theile in keiner Weise mehr
^ durchschciuen, also sich nicht mehr entscheidenläßt, wiefern
die jetzige Oberfläche auch an den unverletzt gewesenen
Theilen Original ist oder Eigner'sche Nachahmung. Als
ich kürzlich das Exemplar in der Brera zn Mailand genau
verglich, hatte ich den Eindrnck, daß gerade dieses Exemplar
bei der Restauration benutzt worden sei. Das Bild macht,
wie es jetzt auf Kyburg in schönem Lichte aufgestellt ist,
eine herrliche Wirkung.

Das Gemälde soll aus dem Besitze des gräflichen
Hauses Ferraris kominen, das 1626 im Gefolge der
Claudia von Medici, der Verlobten des Erzherzogs
Leopold, Grafen von Tirol, nach Jnnsbrnck übersiedelte.

Herr Profcssor Vögelin, damals Pfarrer in Uster,
hatte als Kenner Rafsael's, dessen Werke er sichzum Special-
stndium gemacht hat, ein lebhafles Jntcresse, über jenes
Kyburger Bild zur Klarheit zu kommen, nnd diese For-
schung filhrteihnweiter zucingehendenUntersuchungcn über
das Schicksal des Rasfael'schen Originals, wclches so
lange als verschollen galt. Das Nesultat dieser Unter-
suchungen legt cr uns in dicser mit großem Flciß und
großem Scharfsinn abgefaßten Schrift vor, welche er sei-
nem Lehrer in der Kunstgeschichte, Profeffor Jakob
Burckhardt in Basel, gcwidmet hat. Ohne daß über
die Echtheit des Kyburger Bildes eine Cntscheidung er-
reicht wäre, ist der eine der ausgesprochenen Zwecke voll-
ständig erfüllt, nämlich an einem bestimmten Beispiele
wieder einmal die Unsicherheit unserer kunstgeschicht-
lichen Tradition nachzuweisen.

Der Verfaffer setzt das Bild mit Vasari gegen das
 
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