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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 7.1872

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Helbig, W.: Die neuesten Erwerbungen des Berliner Museums
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https://doi.org/10.11588/diglit.4814#0225

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VII.Jahrgang.

üritrügr

smd anvi. C.V.Liitzow
(wien, Theresianumg.
25)od.andieBcrla»SH.
lLeipgg. KönigSstr. 3)
zu richten.

§0. Ltptcmbrr

Nr. 25.

Dnscrate

k 2 Sgr. für die drei
Mal gespaltene Petit-
zeile werden von jeder
Buch- und Kunsthand
lung angenommen.

IS7».

BciLliitt zur Zeitschrist stir üildcndc Kmist.

Erscheint alle 14 Tage, für die Abonnenten der „Zeitschrift für bildende Kunst" §rat!s. Für sich allein bezogen kostet die Kunft-Cbronik in
allen Buch- und Kunsthandlungen, sowie bei der Post vom VII. Iahrgang an 1 Thlr. 20 Sgr.

Inhalt: Die neueften Erwerbungen des Berliner Museums. — Korre-
spondenz: Frankfurt a. M. — Jaeger, Galerie deutscher Tondichter.
— Vorlesungen im Oesterr. Museum. — Deutsche Goethestiftung. —
Julius Meher. — Berliner Museum. — Statut der Wiener Kunst-
akademie. — SäkularfeierderZeichcn-Akademiezu Hanau. — Berichte
vom Kunstmarkt: Auktion Gsell; Berliner Kunstauktion; Neuig-
keiten deS Buch- und Kunsthandels. — Znserate.

Die neuesten Erwcröungen des Lcrliner
Musenms.

Es gereicht mir zur ciufrichtigeu Freude, Jhuen mit-
theilen zu können, daß das Berliner Museum in den letz-
ten Wochen einige Dcnkmäler erworben hat, die ein her-
vorragendes wissenschaftliches und künstlerisches Jnteressc
darbieten.

An erster Stelle erwähne ich einen Kopf des Marshas
aus griechischem Marmor. Derselbe wurde vor ungefähr
fünf Jahren bei Gelegenheit der von der päbstlichen Ne-
gierung in den Caracallathermen angestellten Aus-
grabungen gefunden und gehvrte zu eincr Statue, welche
dcn Marsyas darstellte in dem Momente, wie cr bestürzt
den vernichtenden Urtheilsspruch der Musen vernimmt.
Ein entsprechender Typus wurde von demVerfasser dieser
Aeilen bereits in einem Kopfedes kapitolinischcn Museums
nachgewiesen*). Doch ist das Exemplar aus den Cara-
callathermen dem kapitolinischen weit überlcgen. Die
Modellirung der Fleischmasscn ist von einem wunderbaren
Naffinement und, wenn auch die Behandlung der Augen
und der Massen dcs Bartes trockener ist, so giebt dieser
Kopf immerhin einen ausreichenden Begriff von dem per-
gamenischen Originale, auf welches wir ihn aller Wahr-
scheinlichkeit nach zurückznführen haben.

Außerdem wurde das Fragment eines Neliefs aus
griechischemMarmor erworben, welches im vorigenFcbruar
bei dcm Anfreißcn des Pflasters auf der Piazza di Pescheria

vor der Porticus der Octavia zu Tage kam. Es
stcllt eincn nacktcn bärtigen Mann dar, welcher die Arme,
von denen leider nur die Ansätzc erhalten sind, wie aus-
holend erhebt und dabei hcftig vorwärts schrcitet. Neben
scincm Rücken ist mit ganz leichten Mcißelstrichen ein
Gegenstand angedeutct, der wie ein Flügcl oder wie eine
Nebris aus Fischflossen aussieht. Der untere Theil der
Neliefplatte zeigt allerlei wellenförmige Erhebungen, die
darauf schließcn lassen, daß die Handlung im Wasser vor
sich geht. Wenn der plastische Ausdruck diescr Motivc
an Klarheit zu wünschcn übrig läßt, so hat man zu be-
dcnken, daß sie im Alterthume vermuthlich durch die Bema-
lnng dem Verständniß des Betrachters näher gebracht warcn.
Offenbar gehörte das Stück zu cinem langen schmalcn
Friese. Ein Metallstift nämlich, welcher an der rechten
Seite der Platte crhaltcn ist, wcist darauf hin, daß sich an
dicselbe cine andere Platte anschloß. Auch die etwas vertief-
tcn Konturc, welche die Figur nmgcbcn und ihrc Formen selbst
wenn man das Relief aus größerer Entfernung betrach-
tet, mit hinreichender Schärfe hcrvortretcn laffcn, cr-
klären sich vortrefflich, wcnn das Fragment zu einem in
bcträchtlicher Höhc angebrachten Friese gehörte. Wenden
wir unS zur stilistischen Würdigung des Neliefs, so wird
ein nur cinigermaßen geübtes Augc sofort den Untcrschied
wahrnehmcn, wclchcr zwischen dicsem und entsprechenden
Arbeiten aus der ersten Kaiserzeit obwaltet. Dic Behand-
lung des Nackten ist von großer Feinheit, aber dabei nn-
gleich naturwahrer, als beiden Neliefdarstcllungen mytho-
logischen Jnhalts, die wir mit Sicherheit dem ersten
Jahrhundert der Kaiserzeit zuschreiben dürfen. Jn merk-
würdigem Gegensatze zu der Behandlung des Körpers
steht die dcs Haares, welches in der Anordnung und bis
zu cinem gewissen Gradc auch in der Stilisirung an
archaische Typen erinncrt. Fasicn wir dicse stilistischcn
Eigenthümlichkeitcn und außerdem die Provenienz des
Fragments in das Auge, dann ist nichts näher liegend,

n) Archäol. Zcitung, 1866, S. 167.
 
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