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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 7.1872

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Die Hamburger Kunstausstellung, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.4814#0177

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345

Die Hcimburqer Kunst-AuSstellmiq. — Nekroloye.

346

die schon erwähnte Kirche im Schnee von Iakobson, nnd
eine durch meisterhafte und grandiose Lichteffekte und ge-
lungenc Darstellung der schneebelasteteten Bäume ausge-
zeichnete Winterlandschaft von Porttmann in Düssel-
dorf bleiben.

Dem unerforschlichen Rathschluß der Ausstellungs-
Kommission hat es gefallen, eingedenk vielleicht des hora-
zischen Winkes (L.rs povtiou, 143 u. 144), uns wocheu-
lang den Anblick von Marinebildern zweiten Ranges zu
gönnen, ehe sie sich entschloß, die eigentlichen xitzoss äo
rssistunoo von Hünten und Melbye, den beiden Kor-
phäen dieses Faches, vorzuführen. Ja, in dem Augen-
blick, wo wir dies schreiben, ist erst ein Bild von Melbye
aufgehängt und der größte Theil der vortrefflichen Bilder
Hünten's schon wieder entsernt. Ein in vieler Beziehung
interessanter Vergleich der beiden Künstler wird dadurch
leider unmöglich. Wir befürchten kaum, einem Wider-
spruch zn begcgnen, wenn wir behaupten, daß, Melbye
etwa ausgenommen, kein anderer Maler einen so sicheren
Blick für das Charakteristische der Meereswellen in 11m-
riß und Färbnng, für die Physiognomic der Schiffe nnd
dic Profilirnng der Küstenlinien hat, wie Hünten; wir
begeguen allen diesen Vorzügcn in den ansgcstellten Wer-
ken (5—6) des Genannten, ob sie nnn die Ostsee, das
Meer bei Schostland, den Kanal oder den Bosporns zum
Vorwurf habcn. Ein eigenthümlichcr Vorzug der Mel-
bye'schen Marinebilder ist die virtnose Gcschicklichkcit in
Behandlung und Abtönung der atmosphärischen Borgänge
und Stimmungen, sowic deren Neflex im Wasser, wodnrch
ihm Werke von fast unübertrefflicher Vorzüglichkeit und
theilweise großartiger Wirkung gelingen, (ein solches ist
z. B. die ausgestelltc düster gestimmte Marine), dagegen
möchten wir der HUnten'schen Behandlnng dcr Wasser-
massen den Vorzug geben; allein dieser wie jener erreicht
vielfach die charakteristischen Vorzüge seines Rivalen, und
nur ein sorgfältiges Studinm beider Malcr in ihren
neben einander gestelltcu besten Lcistuugen würde zu einer
gerechten Würdigung und genauen Präcisirung der beider-
seitigen Eigenthümlichkeiten führen könuen. Aus dem an-
geführten Gruiide ist nns dies lohncnde Stndium versagt
geblieben. Während Hünten seinen Wellen eine vorzugs-
weise grünliche Färbung zu geben liebt, zieht Leitner
eine mehr in's Blaue fallende vor, wie denn auch seine
Wellen gestrecktcr nnd massiger erscheinen. Ucbrigens sind
seine Leistungen sehr ungleich, und während cinige der von
ihm ausgestellten Bilder einen Bergleich mit den beiden
zuerst gcnannten nicht zu scheuen brauchen, stehcn andere
ziemlich zurück.

EinvierterHamburgerMarinemaler, R. Hardorff
ist nur durch zwei Werke, aber würdig vertreten. Der Kä-
talog bcschreibt das eine: „Schiffbruch. Die Bewohner der
Schleswigschen Küste bei St. Peter und Westerhever be-
eilen sich Schiffbrüchige zu retten. Anf eincr hervorragen-

den Düne habeu sich die Frauen und Kinder um den
Geistlichen geschaart, um mit ihm vereint die Nettung zn
erflehen". Wir müssen dem Maler die Gerechtigkcit wider-
fahren lassen, daß es dieser Beschreibnng nicht bednrft
hätte, um die Sitnation klar zu machen; sie ist vielmehr
auf den ersten Blick deutlich und alle Grnppen vereinigen
sich zu einem wirknngsvollen, das Jnteresse keineswegs
zersplitternden Ganzen. Störend wirkt der Blitz ini
Hintergrunde; die malerische Darstellung des Blitzes ist
ein Wagniß welches nie gelingen kann; imd zwar deß-
wegen nicht, weil die gewaltige Helle des Blitzes (be-
kanntlich selbst Blinden bemerkbar, die Mitternacht nicht
von Mittag unterscheideu könncn) in ihrer ganzen Jnteu-
sität nicht dargestellt werden kann, ohne niit dem durch
die Schwärze der Gewitterwolken bedingten Dunkel in
Widerspruch zu gcrathen; zudem berührt die momen-
tane Erscheinnng auf cineni znr danernben Betrachtnng
bestimmten Werke geradezu peiulich. (Vergl. Lessing im
Laokoon: „Alle Erscheinuiigen, zu deren Wesen wir es
nach unsern Begriffen rechnen, daß sie plötzlich ausbrechen
und plötzlich verschwinden, daß sie das, was sie sind, nur
einen Angenblick sein können: alle solche Erscheinungcn,
sie mögen angenehm oder schrecklich sein, erhalten dnrch
die Verlängerung der Knnst ein so widernatnrliches Au-
sehen, daß mit jeder wiederholten Erblicknng der Eindruck
schwächer wird", u. s. w.). Schönlebcr (Fischerboote
bei Venedig) malt zu erdige Wellen, dereu Färbnng
der graue Himmel nicht eutschuldigen kann; Sattler
treibt dicse Mauier in's Extrem; seine schiefrige Wasser-
masse ist nicht allein unschön, sondern auch im höchsten
Grade unnatürlich. Stnrm's Ansicht von Waruemnnde
zeigt eiu wackeres Studium der Wellen, bleibt jcdoch mit
ihrcm glasartigen, matten Grün und dem kreideartigen
Schauni hinter der Natur und den Leistungcn anderer
Mcister zurück. Zahlreich und gut vertrelen sind die
Holländer Rieger, Gruyter, v. Bommel, Hulk und
Koekkoek; sie behandeln mit Vorliebe stilles und wenig
bcwegtes Wasser, verfallen aber dadurch leicht in Eiu-
töuigkeit. Salzmann (Jn der Brandung) hat ein
schwieriges Thema mit großer Bravour bewältigt und
eine tüchtige Arbeit geliefert.

(Schluß folgt.)

Nelirologt.

Nichard H. Fuller, einer der besten, wenn nicht
der bcste amerikanische Maler im Fache der Stimmungs-
landschaft und überhaupt einer dcrmerkwürdigsten Künstler
Amerika's, starb Ende Dezember 1871 in Chelsca, einem
Städtchen in der Nähe von Boston, im Alter von 49
Jahren und 2 Monaten. Er wurde in Bradford, Ncw-
Hampshire, geboren, verlor seine Eltern schon als Kind,
wurde vou seinen Großeltern erzogen uud kam im Jahrc
1840 nach Boston, wo er bei einem Cigarrenmacher in
die Lehre gethan wurdc. Da sich ungcfähr in seiuem
dreißigsten Jahre Krankheitssymptome zeigtcn, welche die
 
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