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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 7.1872

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I6Z

Korresvondeinen. — Kunstlilercitiir.

166

haft; eine Schaar von Kapnzinernwncken mit Priester ^ gehende Dnrchfiihrung zeigen nnn anch die Fignren, die
und Chorknaben zieht ihnen betend vorans, -in Bnbe ! in kräftigen Lokaltönen gehalte» smd; es kostete große
° Aiistrciigung, sie neben emer so wuchtigen und ;o ausge-

iänft daneben her und siubt das tropfende Wachs der ge-
weihten Kerze anfzufangen. Während rechts die bnnte
Menge durch den Leichenzug gauz an die Häuser zurück-
gedrängt wird, erblicken wir links, dem Auge näher, eine
reiche, mannigfaltige Volksgruppe, versammclt nm den
gdoßcn marnwrnen Springbrunnen, welchcr seit Clemens
des Elften Zeit die Spitze cincs Obelisken trägt. Slolz
Itehen und lehnen da die Landleuic unb Campagnolen in
threr malerischen, wenn auch abgerisseuen Tracht. Cin
Blädchcn holt Wasser im kupferneu Kessel, ein Schuster
sttzt mitten unter dem Gewühlc in klassischer Nuhe bei
seiner Arbeit, während ein Alter im graueu Filzhut prü-
send den sertigen Schuh betrachtet. Ein Mann mit
lurzeui grauem Haar liegt malerisch auf deu Stnfeu hin-
öegossen, ueben ihm sitzt ein Weib, in ein rothes Tuch
gehüllt, an ihren Gcniüsekörben, umgeben von mehrercn
Kindern, unter denen namentlich ein strickendeö kleincs
Biädchen mit weißem Kopftuch ganz uuvergleichlich im
Bilde steht. Eine andere Gruppe von Frauen, tie eine mit
eincm Säugling an der Brust, sitzt dem Zuge näher
uud blickt nach ihm hin, während ein zur Seitc liegender
Kuabe seine Orauge verzehrt. Diese Gruppen ans dem
uvmischcn Bolke, in ihrer täglicheu Beschäftiguug oder in
lässiger Ruhc, kümmcrn sich nicht souderlich um das, waS
ueben ihnen vorgeht, nur ruhig und gleichgiltig heften
stch manche Blickc an den vorübcrschreitenden Zug, der
für diese Menschen nichts Nngewöhnliches ist.

Es war das Ziel des Künstlers, das römische Leben
uicht in einer außerordentlichen Situation, sonderu so
Mie es ist, wie man es aus Schritt uud Tritt vor sich
sehen kann, zu schildern. Keiu pikautes, absichtliches
Motiv verbindet diese Gestalteu, sondern ernst, schlicht,
unbelauscht stehen sie vor uns da. Mit sicherem Blick
sind alle Jndividualitäten festgehatlen, alle aus dem Leben
gegriffen, iu Zügen uud Charakter ebeuso wahr und
encrgisch dargestcllt wie iu ihrem malerischeu Koftüm.
2talien ist selten sv wahr und so schlageud wie in diesem
Gemälde wiedcrgegeben worden. Wir wüßten eigentlich
uur noch Eiuen zu nennen, der dieS Land mit seineu
Menschen in glcichcr Treue malt: Oswald Acheubach.
Aber die Technik der beideu Künstler ist eine ganz ver-
schiedene; statt der kühnen Leichtigkeit der Pinselführung
bes Düsseldorfcr Meisters, statt des genial Skizzircnden,
bas auf die Wirkung im Großen und Ganzen hinstrebt,
geht Riefstahl von der gediegensten Ausführung, der ein
gehcnden Vollenduug des Einzelnen aus. Er führt das
Architektouische dieser Scenerie wie cin Architekturmaler
von Fach aus; der Granit der Säulen, der Marmor des
Brunnens sind in vollendetcr Wahrheit gegeben, der un-
vcrgleichlich tiefe dunkle Ton dieser imposanten Gebäude-
»lassen ist getrofscn. Die gleiche Gediegenheit und ein-

bildcten Architektnr zur vollcn Geltung zu bringen, aber
der Künstler hat dies trotzdem erreicht und hat es bei aller
Dnrchbildung im Einzelncu zu großartiger malerischer
Gesammtwirkung gebracht. Ricfstahl hat init dieseni
Bilde cine neue Bahn betreten, hat sich aber auch bci der
Bewältigung dieses Stvffes ganz in seineui Elemente
bewegt.

ümistlitclittiir.

E. Hcrdtle, Flächcn-Berzieruugcu des Mittel-

alters und der Renaissanee. Stuttgart

1869. Cohen L Risch. Fol. Abth. I.

Diese Publikation steht im engsteu Znsamineuhange
mit den in unsern Tagen in Dcutschland, wie in
andern Ländern, thätigen Bcstrebungeu zur Vcrbesserung
dcs im Verhältniß zu dem Fortschritt auf andcrn Gebictcu
wesentlich zurückgebliebeucn Kunstgcwerbcs. Als ein
wesentlicheS Mittel hierzn ist das Siudinm mnstergiltiger
ältercr Werke der Art allgemein anerkauiit. Doch svll
der modcrnc Fabrikant nicht sklavisch nachahmeii, was man
in alter Zcit für andere Bedürfuisse gefertigt, svndcrn cr
soll daraus dcu Geist erkcnuen, in welchcm diese vortrcsf-
lichen, stilistisch richtigeu und deßhalb über die Modc
^ erhabenen Gegenstäude gcschaffeu worden sind und ini
Sinnc der Alten nene Werke für unsere heutigen Zwecke
und Bedürfnisse schaffen. Damit ist freilich uicht gesagt,
daß in vielen Fälleu uicht auch alte Gegenstände oder
deren getreue Kopien ohne Wciteres für nnscre heutigen
Jnkeresseu brauchbar sind.

Abgesehen von allein Nutzen für die abstrakte Wissen-
schaft sind auch in solchem Siune gute Publikatiouen
mustcrgiltiger Werke alter Zeit stcts willkommen. Be-
sonders wcrthvoll aber sind Flächenornamente, weil
^ das Verständniß für das Wesen desselbcn in ueuercr Zeit
bei einein großen Theil von Künstlern nnd Handwerkern
gauz verloren gegangcn zn scin scheint.

Zu dieser Art von Ornanicnteii gehörcn auch die-
jenigen Muster, welche Prof. E. Herdtle in Stultgarl
iu dem oben bezeichneten, sehr splendid ausgestattcten
großen Folicbande auf 24, mit vollstem Vcrständniß
charakteristisch gezeichneten, lithographirten Tafeln dar-
gestellt hat. Es sind Muster von Fußbodcusliesen, von
Essenwein (Anzeiger fnr Knnde deutscher Vorzeit 1868
Nr. 3, wo ebeufalls ähnliche Muster pnblieirt sind) sehr
passend Mnltiplikations-Ornauicnte genannt, weil
stets mehre, 4 resp. 16 gleichc Flicsen für Herstellnng des
ganzen Biusters nothwendig sind, welche erst in der neuesten
Zeit die gebührende Bcachtung gefunden haben und in
die Tcchnik wieder eingeführt siud. Sie bcstehen zum
großen Theil aus geometrischen Figuren. Doch sind
stilisirte Pflanzen- und Thierformen nicht ausgeschlosseu.

Die in der vorliegenden crsten Abtheilung darge-
stellten Muster stammeu ohuc AuSnahme aus dcm Kloster
Bebenhausen, wo sie bei Gelegenheit eincr baulichen Ver-
ändernng aufgefundeu sind und gehörcn, nach der Bc-
stimmnug dcs Verfasscrs, dcr Zeit vom dreizehnten bis
zum füiifzehntcn Jahrhundert an. Weßhalb diesclbeu
 
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