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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 7.1872

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Amerikanische Kunstanstalten, [2]
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Amerikanische Kunstanstalten.

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u. dgl. m. Wenn man freilich dem Sinne der Neden,
welche in dcn erwähnten Versammlungen gchalten wur-
den, tranen darf, so ist es vorerst die praktische Seite
der Kunst, die von den meistcn Freunden nnd För-
derern der Angelegenheit Letont und in's Ange gefaßt
wird. Das Hanptgewicht wurde stets darauf gelegt,
daß die amerikanische Jndustrie vornehmlich durch ihren
mangelhaften Geschmack hinter der europäischen zurück-
stehe, und daß eine Anstalt, welche mustergiltige Typen
aller Art in sich vereine und diese dein Arbeiter so-
wohl als dem Fabrikanten stets vor Augen halte,
stcherlich diesen Uebelstand heben werde, mithin eine
ganz bedeutende national-ökonomische Wichtigkeit besitze.
Einige schwache Versuche, auch der christlichen Neligion
zuknnstige Vortheile aus der Pflege der Knnst zu prophe-
zeicn, kamcn ncben dieser „mnttkr-ok-t'LLt" Ansicht von
der Sache kaum in Betracht. Also ist es in erster Linie
eigentlich auf ein Gewerbenmseuni abgesehen, und wenu
mau die Sache bei Lichte besieht, so muß mau gestehen,
daß dicß dcr einzig richtige Weg zum Ziele ist. Denu
der großeu Masse des Volkes wird stets und überall (wie
viel mehr aber noch hier) ein historischcs Museum, wel-
ches sich nur niit der idealcn Kuiist befaßt, weiter nichts
seiu, als eiue Sammlung von altcn Kuriositäten, dagegeu
sindet jeder Handwerker an einem schöncn geschnitzten
Becher, an geschmackvoller Eisenarbeit, an cineni präch-
tigen Einband u. dgl. m., irgend etwas Gefälliges oder
Lerneuswerthcs, denn es ist einleuchtend, daß ein nützlicher
Gegenstand desto besser, je schöuer er ist. Man findet
in dieser Ausfassuug zugleich die Fortwirkung der euro-
päischen Bestrcbungen, welche auf die erhöhte ästhetische
Bilduug der produzirenden Klasseu gerichtet sind. Wenu
mau aber auf diese Weise iu erster Linie, wie recht und
billig, den Jnteresscu der Masse des Volkes Rechnuug zu
trageu sncht, so ist damit keineswegs gesagt, daß man die
Jnteressen der Kunst an sich vernachlässigeu werde. Doch
scheint man auch darin praktischer als in New-Aork ver-
fahreu zu wollen, indem mau vor der Hanb von der Er-
werbung alter Bilder abgeschen (es sei denn, daß sich
außerordeutliche Gelegenheit dazu biete), und sich einst-
weilen dieHerstellung einer vollstandigen Sanimlung von
Abgüssen der besteu Werke der Skulptur zur Aufgabe ge-
macht hat.

Was die äußere Entwickelung der Angelegeuheit
anbelangt, so ist zu berichten, daß dem Museum schon vor
tängerer Zeit vom Staate Massachusctts Korporations-
rechte verliehen wurden, und daß ihm die Stadt Boston
einen Bauplatz schenkte, desseu Bcsitztitcl aber an die Stadt
zurückfallen soll, falls innerhalb eiuer gewissen Zeit uicht
wenigstens eiu Theil des Gebäudes darauf errichtet ist.
Daß letztercr Fall eintreten werdc, ist jedoch uicht mehr
zu befürchten, da mau eben jetzt mit den Vorarbeiten zur
Fundamentlegung beschäftigt ist. Leider hat sich dabci

herausgestellt, daß der Bauplatz, der auf aufgefiilltem
Lande liegt, manches zn wünschen übrig läßt, so daß die
Fundameiitirung allein eine kolossale Summe verschlinge»
wird. Das Gebäude wird uach den Plänen der Architekten
John H. Sturgis und Charlcs Brigham ausgeführt-
Es zeigt in seinem Grundriß ein längliches Viereck von
210 bei 300 Fnß, in dessen Jnnereni zwei geräumige
offene Höfe gelegen sind. Der Höhe nach wird es aus
eiuem Erdgeschoß bestehen, in welchem sich die zu errich-
tenden Kunstschulen, sowie Vorrathsräumc u. dgl. be-
finden werden, darüber ein Stockwerk mit Seiteulicht für
Skulpturen, Kupferstichkabinet u. s. w., und über dieseni
ein weiteres Stockwcrk mit Oberlicht für Gemäldeaus-
stelluugen. Der Stil zeigt eine frcie Verwendung roma-
nischer und gothischer Elcmente, das Material ist Back-
stcin (in Nohbau) und Terracotta; Marmor soll nur an
den Portalen in Verwendung kommen. Die ursprüng-
lichcn Pläne, welche in der auSgcschriebeueu Konkurrcuz
siegtcn, sind insofern verändert wordeu, als man jetzt vo»
dem früher beabsichtigteu, fast übcrrcichen plastische»
Schmucke zurückgekommen ist; dic Mauerflächen des obercn
Stockwerkes sollten nämlich, da sie der Fenster ermaugeln,
durchgehends mit Basreliefs geschmückt werden. Um eine
Verminbcrung der Kosten zu erziclen, hat mau jetzt Teppich-
muster substituirt, iu deren Mittc nur kleinere Relief-
gruppen eingesetzt werden solleu. Au die Ausführung des
ganzen Gebäudes ist uatürlich.augeublicklich nicht zu den-
ken, und man wird sich daher einstweilen auf eine der
Schmalseiten beschränken. Der Anfstellung in dem Ge-
bände harren gegenwärtig i die schöne Kupferstichsaiumlung
des verstorbeneu Herru Gray, jetzt in Harvard College;
die der Stadt von Herrn Appleton geschenkte Knpferstich-
sammlung deS Kardinals Josti, jetzt in der Stadtbibliothek;
die Sammlung von Wafsen und Majolica, wclche dem
Athenaeum von Herrn Lawrence testamentarisch vermacht
wurde, uud die Bildersammlung des Athenaeum. Außer-
dem ist noch eiu Theil der von dem amerikanischen Konsul,
Gencral Cesnola, auf der Jnsel Cypern ausgegrabenen
Alterthümer nach hier nnterwegs, welche wohl ebeufalls
dem Aiuseum zufallen werden.

Besondere Aufmerksamkeit hat während der letzten
Jahre neben der Museumsangelegenheit noch die all-
gcmeine Pflege des Kunstnnterrichts im gauzen
Staate Massachusetts, und zumal in desseu Hauptstadt
Boston, in Anspruch genommen. Die Legislatur des
Staates hat nämlich schon vor längercr Zeit ein Gesetz
passirt, welches allen Orteu von 10,000 oder mehr Ein-
wohnern die Pflicht auferlegt, freie Zeichenschulen zu
eröffnen. Die Nachfrage nach Lehrern, welche durch diese
Verordnung hervorgerufeu wurde, ließ jedoch gar bald
de» Mangel an geeignetem Materiale zu Tage treten,
nnd man sah sich daher geuöthigt, die Errichtung einer
Normalschule, als Bilduugsiiistitut für Zeichenlehrer, in
 
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