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Polychrome Meisterwerke
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derselben zu haben wünschte, konnte sie durch jene Werke
schwerlich erlangen.
Jtalien, wo schon Himmel, Erde und Meer an
Farbenschönheit mit einander wetteifern, bietet bekanntlich
auch an farbenprangenden Bauwerken einen Reichthum,
mit welchem kein anderes Land im entferntesten in die
Schranken zu treten vermag.
Manche dieser Bauwerke verdanken nur der Far-
benherrlichkeit ihres Jnnern ihren Weltruf, und alle
Stile und Zeiten haben in Jtalien ihre polychromen
Musterwerke aufzuweisen, seien es antike Reste, seien es
altchristliche Basiliken voll mystischen Gold- und Mosaiken-
gefunkels, überirdisch leuchtende Hallen aus Giotto's, Fie-
sole's und Perugino's Zeiten oder farbenfreudige und fein-
gestimmte Werke aus den Tagen eines Raffael, Cor-
reggio, Tizian nnd der andern großen Meister der Ne-
naissance.
Was indeß bis dahin von dieser ganzen Herr-
lichkeit nnsere Kupferwerke wiedergeben, d. h. insofcrn
es das Gebiet der Farbe betrifft, ist, wie schon angeführt,
unendlich gering zu nennen; fast imnier beschränkten sie
sich daranf, nur Details vorzuführen, Proben bemalter
Gliederungen, dekorirte Wandflächen, Bruchstücke von
Deckengewölben u. dergl.; höchst seltcn aber zeigte eine
Tafel den Gesammteindruck eines solchen farbig gehal-
tenen Bauwerkes, während bekanntlich durch Aufriß nnd
perspektivische Ansichten in Schwarzdruck fast alle nur
irgendwie hervorragenden Bauwerke Jlaliens längst zur
Darstellung gebracht sind.
Diescr Umstand eben gab dem Herausgeber des
Werkes das sichere Bewußtsein, durch dasselbe einen lang
empfundenen Mangel abzuhelfen sowie dem Studium der
Architektur einen wesentlichen Dienst zn leisten. Nachdem
Köhler in Paris unter Hittorf's Leitung einige Jahre ge-
arbeitet hatte, trat er 1858 seine erste italienische Studien-
reise an, auf welcher der Schreiber dieser Zeilen mit ihm
bekannt und befreundet wnrde und Zeuge seiner rastlosen
Bestrebnngen war.
Den Schüler eines so bedeutenden Forschers in
der architektonischen Farbenwelt mußte natürlich diese
zunächst und vor allem fesseln. Selbst begabt mit dem
feinsten Farbensinn wie mit einem trefflichen Darstellungs-
talent und voll echter Begeisterung für die Kunst machte
er es sich bald zur ersten Aufgabr seines Aufenthaltes in
Jtalien, dessen hervorragendste farbengeschmückte Jnnen-
bauten (Jnterieurs) durch sorgfältige und sein ausgeführte
Aquarelle in ihrer Licht-und Farbenwirkung so getreu wie
möglich wiederzugeben, zunächst nur zu eigeuem Studiuni
und Andenken und ohne dcn Gedanken an eine Ver-
öffentlichung.
So entstanden in Florenz die Jnnenansicht der
Basilika San Miniato al Monte, in Rom ein Blatt,
das dcn Blick in die Peterskuppel, ein anderes, das die
herrlichsten der Stanzen Raffael's zeigt, dann in Palermo
die goldschimmernde Capella Palatina und später in
Venedig ein Prachtsaal im Dogenpalaste und andere.
Mit welcher Hingebung, Gewissenhaftigkeit und Aus-
dauer Köhler bei seiner Arbeit war, weiß vor Allen der
Schreiber dieses zu würdigen, welcher so oft bewun-
dernngsvoll Zeuge davon war.
Tag für Tag und genau um dieselbe Tagesstunde
begab sich der Künstler an den Ort nnd zum Gezenstande
seiner Aufnahme, auf daß ihm solcher durchaus in dersel-
ben Sonnenbeleuchtung erschien und, viele Wocken, ja
ganze Monate hindurch beobachtete, maß, zeichnete und
malte er mit einer Gewissenhaftigkeit und Hingabe, die
zum Erstaunen waren. Ein solches Streben konnte wohl
nicht ohne den schönsten und lohnendsten Erfolg bleiben,
und so sind denn auch Blätter entstanden, die Jeden mit
Freude und Bcwunderung erfüllen müssen.
Eines ist indeß vor allem dabei hervorzuheben.
Jeder pikante oder auch nur rein malerische und nioinen-
tane Effekt ist nämlich aufs strengste vermieden, und ob
er noch so leicht zu erreichen, durch seinen Reiz noch so
verlockend war;ja wir haben hier cin so vollkommenes
Anfgeben aller und jeder subjektiven Anffassung vor uns,
wie es in dieser Weise sicherlich selten vorkommen mag.
Aber eben darin liegt gerade die Bedeutsamkeit und der
hohe Werth dieser Blätter, daß sie nichts Anderes geben
als nur den möglichst nngetrübten Anblick dessen, was
einst die großen Meister gcschaffen haben.
Das gerechte Aufsehen, was Köhler's Aquarelle bald
machten, namentlich bei Architekten und Kunsthistorikern,
ließ denn auch bald den dringendcn Wunsch entstehen,
diese herrlichen Blätter durch genaue Wiedergabe in Far-
bendrnck vervielfältigt zu sehen.
So entschloß sich der Künstler nach Neberein-
kunft mit der Baumgärtner'schen Verlagshandlung in
Leipzig, däs oben benannte, auf zwölf Tafeln berechnete
Prachtwerk herauszugeben, wovon das erste Heft, zwei
Tafeln enthaltend, die von einem kurz beschreibenden Text
in deutscher, italienischer, französischer und englischer
Sprache begleitet sind, in größtem Folioformat und
mcisterhafter Ausfllhrung und Ausstattung vorliegt.
Die erste Tafel führt uns in die Camera della
Segnatura, jenen weltberühmten Naum, dcr durch
Raffael's Hand zum herrlichsten Prachtzimmer der Erdo
geschaffen wurde und zugleich neben Michelangelo's nm
dieselbe Zeit entstandener Sixtinischer Kapelle das erste
größere Kunstwerk, in welchem Form, Farbe und Ge
dankeninhalt die innigste Durchdringung und Ver-
schmelzung wie das vollendetste Gleichgewicht zeigen. Als
Standpunkt des Bildes ist beinahe die Mitte des Raumes
gewählt, gegenüber einem der beiden Fenster, über wel-
chem wir im Halbrund die große Darstellung des
Parnasses erblicken, die hicr in kühlen Halbschattcn gc-
Polychrome Meisterwerke
340
derselben zu haben wünschte, konnte sie durch jene Werke
schwerlich erlangen.
Jtalien, wo schon Himmel, Erde und Meer an
Farbenschönheit mit einander wetteifern, bietet bekanntlich
auch an farbenprangenden Bauwerken einen Reichthum,
mit welchem kein anderes Land im entferntesten in die
Schranken zu treten vermag.
Manche dieser Bauwerke verdanken nur der Far-
benherrlichkeit ihres Jnnern ihren Weltruf, und alle
Stile und Zeiten haben in Jtalien ihre polychromen
Musterwerke aufzuweisen, seien es antike Reste, seien es
altchristliche Basiliken voll mystischen Gold- und Mosaiken-
gefunkels, überirdisch leuchtende Hallen aus Giotto's, Fie-
sole's und Perugino's Zeiten oder farbenfreudige und fein-
gestimmte Werke aus den Tagen eines Raffael, Cor-
reggio, Tizian nnd der andern großen Meister der Ne-
naissance.
Was indeß bis dahin von dieser ganzen Herr-
lichkeit nnsere Kupferwerke wiedergeben, d. h. insofcrn
es das Gebiet der Farbe betrifft, ist, wie schon angeführt,
unendlich gering zu nennen; fast imnier beschränkten sie
sich daranf, nur Details vorzuführen, Proben bemalter
Gliederungen, dekorirte Wandflächen, Bruchstücke von
Deckengewölben u. dergl.; höchst seltcn aber zeigte eine
Tafel den Gesammteindruck eines solchen farbig gehal-
tenen Bauwerkes, während bekanntlich durch Aufriß nnd
perspektivische Ansichten in Schwarzdruck fast alle nur
irgendwie hervorragenden Bauwerke Jlaliens längst zur
Darstellung gebracht sind.
Diescr Umstand eben gab dem Herausgeber des
Werkes das sichere Bewußtsein, durch dasselbe einen lang
empfundenen Mangel abzuhelfen sowie dem Studium der
Architektur einen wesentlichen Dienst zn leisten. Nachdem
Köhler in Paris unter Hittorf's Leitung einige Jahre ge-
arbeitet hatte, trat er 1858 seine erste italienische Studien-
reise an, auf welcher der Schreiber dieser Zeilen mit ihm
bekannt und befreundet wnrde und Zeuge seiner rastlosen
Bestrebnngen war.
Den Schüler eines so bedeutenden Forschers in
der architektonischen Farbenwelt mußte natürlich diese
zunächst und vor allem fesseln. Selbst begabt mit dem
feinsten Farbensinn wie mit einem trefflichen Darstellungs-
talent und voll echter Begeisterung für die Kunst machte
er es sich bald zur ersten Aufgabr seines Aufenthaltes in
Jtalien, dessen hervorragendste farbengeschmückte Jnnen-
bauten (Jnterieurs) durch sorgfältige und sein ausgeführte
Aquarelle in ihrer Licht-und Farbenwirkung so getreu wie
möglich wiederzugeben, zunächst nur zu eigeuem Studiuni
und Andenken und ohne dcn Gedanken an eine Ver-
öffentlichung.
So entstanden in Florenz die Jnnenansicht der
Basilika San Miniato al Monte, in Rom ein Blatt,
das dcn Blick in die Peterskuppel, ein anderes, das die
herrlichsten der Stanzen Raffael's zeigt, dann in Palermo
die goldschimmernde Capella Palatina und später in
Venedig ein Prachtsaal im Dogenpalaste und andere.
Mit welcher Hingebung, Gewissenhaftigkeit und Aus-
dauer Köhler bei seiner Arbeit war, weiß vor Allen der
Schreiber dieses zu würdigen, welcher so oft bewun-
dernngsvoll Zeuge davon war.
Tag für Tag und genau um dieselbe Tagesstunde
begab sich der Künstler an den Ort nnd zum Gezenstande
seiner Aufnahme, auf daß ihm solcher durchaus in dersel-
ben Sonnenbeleuchtung erschien und, viele Wocken, ja
ganze Monate hindurch beobachtete, maß, zeichnete und
malte er mit einer Gewissenhaftigkeit und Hingabe, die
zum Erstaunen waren. Ein solches Streben konnte wohl
nicht ohne den schönsten und lohnendsten Erfolg bleiben,
und so sind denn auch Blätter entstanden, die Jeden mit
Freude und Bcwunderung erfüllen müssen.
Eines ist indeß vor allem dabei hervorzuheben.
Jeder pikante oder auch nur rein malerische und nioinen-
tane Effekt ist nämlich aufs strengste vermieden, und ob
er noch so leicht zu erreichen, durch seinen Reiz noch so
verlockend war;ja wir haben hier cin so vollkommenes
Anfgeben aller und jeder subjektiven Anffassung vor uns,
wie es in dieser Weise sicherlich selten vorkommen mag.
Aber eben darin liegt gerade die Bedeutsamkeit und der
hohe Werth dieser Blätter, daß sie nichts Anderes geben
als nur den möglichst nngetrübten Anblick dessen, was
einst die großen Meister gcschaffen haben.
Das gerechte Aufsehen, was Köhler's Aquarelle bald
machten, namentlich bei Architekten und Kunsthistorikern,
ließ denn auch bald den dringendcn Wunsch entstehen,
diese herrlichen Blätter durch genaue Wiedergabe in Far-
bendrnck vervielfältigt zu sehen.
So entschloß sich der Künstler nach Neberein-
kunft mit der Baumgärtner'schen Verlagshandlung in
Leipzig, däs oben benannte, auf zwölf Tafeln berechnete
Prachtwerk herauszugeben, wovon das erste Heft, zwei
Tafeln enthaltend, die von einem kurz beschreibenden Text
in deutscher, italienischer, französischer und englischer
Sprache begleitet sind, in größtem Folioformat und
mcisterhafter Ausfllhrung und Ausstattung vorliegt.
Die erste Tafel führt uns in die Camera della
Segnatura, jenen weltberühmten Naum, dcr durch
Raffael's Hand zum herrlichsten Prachtzimmer der Erdo
geschaffen wurde und zugleich neben Michelangelo's nm
dieselbe Zeit entstandener Sixtinischer Kapelle das erste
größere Kunstwerk, in welchem Form, Farbe und Ge
dankeninhalt die innigste Durchdringung und Ver-
schmelzung wie das vollendetste Gleichgewicht zeigen. Als
Standpunkt des Bildes ist beinahe die Mitte des Raumes
gewählt, gegenüber einem der beiden Fenster, über wel-
chem wir im Halbrund die große Darstellung des
Parnasses erblicken, die hicr in kühlen Halbschattcn gc-