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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 7.1872

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389

Bcrichle vom Kunstmarll.

390

auch i„ diese Welt hineinschauete. Bald siedelte Winckelinann
nach Dresden über. Er verkchrte mit Kllnstlern nnd Kiinst-
lreunden, mit Oeser, mit Lipperi, mit Hagedorn; er zeich-
nete, er trieb Anatomie Der große Plan seines LebenS war
gesastt. Rührend sagt Winckelmann in cinem Briese aus dieser
Zeit: „Gott und die Naiur habcn wollen einen Maler, einen
großen Maler aus mir machen, und beiden zum Troh sollte
ich ein Pfarrer werden: nun sind Maler und Psarrer an mir
verdorben, allein mein ganzeS Herz hängr an der Kcnniiiiß
ber Kunst und dcr Alterthllmer." Jm Zahre 1755 schrieb
Winckelmann seine erste Schrift: „Gedanken llber die Nach-
ahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauer-
lunst". Zwei Ziele trcten in dieser Schrist scharf hervor: cin
geschichtliches und ein polemisches. Zum ersten Male scit
langen Jahrhunderten ist in dieser Schrift die Anlike nicht
mehr mit der herkömmlichen Brille der Franzosen geseheu,
sondern mit dem reinen, klareu, unversäOchlen Ange eines
wiedergeborenen Hellenen, dem die alten Kunstwerke sur Alles,
was die Nalur in ihn gelegt hallc, nur die autworlenden
Gegcnbilder sind. Und er, der rings nmwogt war vom
herrschcnden Roeoco, das sich soeben im Zwinger und in der
katholischen Kirche unvergleichliche Meisterwerke geschaffen halte,
spricht in liefster uud genialster Ursprünglichkeit da« grotze Lo-
sungswort ans, daß der eiuzige Wcg, groß, ja womöglich nn-
nachahmlich zu wercen, die Nachahmung der Allen sei, d. h.
derselbe Weg, welchen auch Michel Angelo, Naffael und Poussin
eingeschlagen. Treffend hal man dicse Schrift Winckelmann s
seine „Resormationöthesen" genannt. Noch in dcmsclben Jahrc,
im Herbst l755, ging Winckelmann nach Nom. Er war 38
Jahre alt. Er kam als cin Lernender, und cs ist rührend,
zu sehcn, wie unablässig er bcmllhc isl, scin Auge zu erziehen
und sich über die gewaltigen kllnstlerischen Eindriicke, die aus
Schritt iind Tritt auf ihn eindringen, schars unb gründtich
Recheuschast abzulegen. Bald ist er der erste Kunstkenner
Roms. Mit Stolz konnte er von sich sagen: „Jch glaubc, ich
bin nach Rom gekommen, denjenigen. die Rom uach mir
sehen werden, die Augen zu öffnen." Die reichstc »nd reisstc
Frucht dieser begeistcrlen Studien ist Wilickelmann's „Kunst-
gcschichte". Sie ist eine der urgewaltigsten Schöpserthalen dcs
iiienschiichen Gcisles. Ein seit Zahrhundcrten vcrlorenes Land
wurde wieder entdeckt. Bisher hatte man die alteu Kunst-
denkniale inimer nur ganz ausschließlich autiguarisch betrachret:
Wiuckelinanu weiß, dasi es sich iu der Kunst uicht bloß um
dcn Jnhalt, sondern ebcnso sehr und uoch mehr um die Form
handelt. Bisher hatte man die altcn Kunstdenlmale ohne
gcschichtliche Sonderung unterschiedslos zusanimengeworseu:
Winckelmann sondert schars dic Slilunterschiede der einzelnen
Völker und Epochen, versolgt streng geschichltich Ursprung,
Wachsthum »nd Berfall der Knust bei Aeghptern, Etruskeru,
Griechcn und Rvinern uud erklärl mit bewunderungswürdigcm
Tiefblick die Ursachen dieses Steigens und Fallens aus dcn
Einwirkungeu de« Klimas und der Religion, aus den maß-
gebendcn Bcdingungen der jedesmaligen allgemeincn Kuliur-
zustände. Winckelmann war der Erste, welcher, an Montes-
quieu geschult, in die Wissenschaft wieder den Begriff der
geschichtlichen Eniivickelung brachtc. Und dies Alles geschieht
mit einer genialen Sehkraft, welchem cin zweites Bcispiel nicht
an die Seite gestellt werdcn kann. Wiuckelmann gebol nur
über einen sehr geringen Denkmälervorralh. Die Aegincten,
die Parthenonswerke, die Werke der Vkopas-Praxitelischcn
Schule waren noch nicht entdeckl. Was ihm als Höchstes galt.

Kericlüe vom

der Torso vvn Belvedere, der Laokoon, der Balicanische Apollo.
die Niobegruppe, die Mediceischc Benns, sind jetzl in die zweile
Linie herabgcdrückt. Und dvch wußke Wiiickeluiann eine so
volle Anschauung der alren Kunst zu gewinnen, daß, obgleich
wir jetzt iu allen Einzelheiten genauer unterrichtet sind, doch
noch Keiner erstanden ist, der von erhöhtem Standpunkte das
erweiterie Gebiel mii gleicher Weihe geschaut und geschildert
hätte. Die Wirkung dieses gewaltigcn WerkcS war ciue uu
ermeßliche. Zwar stand Winckelmanii in seinem eigencn Zeit-
alter iu erbabener Einsamkeil; nur Lessing vcrmochte, nach
Winckelmann's Vorgange, die Slilunterschiede der bildendeu
Kunst und dcr Dichlung, wclche Wiiickelmaim nicht ausrcichend
beachtet hatte, selbständig weiter zu fiihren. Aber iu der näch
stcu Generalion erwuchs die Saat vollkräftig und tansendfäl-
lig. Das Alterthum war wieder erstanden in seiner ganzcn
Herrlichkeit. Wenn F. A. Wolf an Winckelmanu rühmt, daß
er elwas an den Alien gewonnen habe, was dic Philologcn
von der Gilde ineist gar nicht lernen, nämlich den Gcist des
Alterthums, so ist der große Ausschwung der Philologie, wie
er durch F. A. Wols eingeleitet und begrllndet wurde, wesent-
lich auf die großcn Anregungen Winckelniauu's zurUckzusllhrcii.
Herder und Friedrich Schlegel, welchc die griechischc Litcratnr-
geschichte schufcn, bekennen sich als Winckelmann's Schüler.
Und kurze Zeit daranf wandelte auch die Kunst- und Literatur-
geschichte deS Mittclalters und dcr moderncu Zcit in denselben
Psaden. Und wäre Goelhe's „Jphigenie", wärc „Hermann
nnd Dorothea" und die römischen Elegien, wären Schiller'«
volleudctstc Dramen denkbar ohne jencs Schauen uud Er-
kenueii plastischer Großheit, wclches Winckclmann in die Ge-
müther gelegt halte? Und zipmal dic bildendc Kunst! Wäre
Carstens, wärc Thorwaldsen, wäre Schinkel jemals erstandcn
ohne Winckelmann? Wohl ist cs wahr, daß es cinc arge Ein-
seitigkeit ist, wollcn wir jetzt die Knnst ausschließlich nur in
die Schraukcu dcs Griechenthums bauueu. Das moderue
Empfinden und Bedllrsen kann mit diesen, wenn auch noch
so großen und schönheitsvollen, so doch auf ein ganz andercs
Lcbensdasein gebauten Forinen nicht mehr auskommcn. Es
bestand und eö bestcht zn Rccht, wenn die Romantiker wieder
in das Mittelalter zurllckgrisfcn, und wenu wir jetzt wieder
in die volle Kunst dcr Neuaissance eingelretcn siud, die zwar
aus den cwig maßgebenden Formeii der Amikc fußt, Liese
aber in den Geist der neuen Zeit llbersetzt und schöpferisch
umbildet und fortbitdet. Aber wir sollen uus hiiten, uns der
Antike entwacksen zu meinen, Nur wer die Antike keuut, vcrmag
die Nacur groß und klar und schönheitsvoll zu sehcn. Jn
dieser Gesinnung tiesinnigster Dankbarkeit begehen wir die hcu-
tige Feier. Winckclmaun schließt sciue herrtiche Beschrcibung
des Baticanischen Apollo mit dcn Worten, daß cr diese Be-
schreibung als einen Kranz bctrachle, den cr zu den Fiißen
des Gottes niederlcgc, weil er nnvermögend sei, sein Haupt
zu erreichcn. Auch wir wcihen diescs Denkmal, daS pietätvvlle
Kunsilerhand gebildet hat, nicht in der dllnkelhafteu Meinung,
als könnlen wir dcn Ruhm Wiuckelmaiin's verherrlichen oder
gar erhöhen, sondcrn wir wolleu nur Zcugniß ablegcn, daß
wir wisscn, was wir Winckelmann schuldcn. Der Lvrbecr wirv
in wenigcn Tagen verwelkt scin, ja selbst daS E>, is. vergäng-
lich, aber unverwellbar und unvergänglich, in Wahrheit »oro
zioronnius ist das Schassen und Wirken Winckelmaim's, das
scgensreich fvrtlebt von Geschlecht zu Geschlecht, und das nicht
vergehcn lann, so lange der Mensch seiue höchsten Giiler in
der idealen Bcrklärung echler Kunst und Schönheit sucht."

L Profcffor L. Knaus in Düffeldors hat die trcfflichen dar: l. Elsa und Lohengrm im Brantgcmache: 2. Scene aus

Wandbilder nach Motiven von Walteau, die er für den dem drttten Akt des Tannhäuser; 3. Hans Sachs, mit Evchen

Speisesaal seines HauseS gemalt, an den Düsseldorfer Kunst- plaudernd; 4. und 5. Zwei Scenen aus „Tristan und Jsolde-

HLndlcr Hageu sür zwanzig lausendkThaler verkausl. Wenige l>. und 7. Zwci Kompositionen aus dem „Flicgenden Holländcr"^

Tage spätcr erstaud der Kuusrhändler Holtzman in Hamburg 8. Scene auS „Nhcingold"; 9. und l». zwei Bilder auS der

die Gemälde um eine bedeutend höhere Summe und verkaufie „Walküre". Zwci weitere Kompositionen bleiben vorbehalteu.

sie wieder für einen eminenten Preis (man sagt sür 35,0»« Die ganze Folge von 12 Blättern soll bis Frühjahr 1873

Tbaler) an einen reichen Deutschen in Loiidvn. volleudet sein. Borläu,ig sind drei Formatgrößen in Aus-

» Richard Wagncr-Galcric. Unter diesem Titel werden stcht genommen: Facsimile (ll 12 Thlr), Groß-Folio (ll 3
die Kompositionen von Theodor Pixis zu Richard Wagner's Thlr) und Cabinel (ä 1» Sgr.)

Tondichlungen nach den im Besitze des KLnigs Ludwig II. von Lcipzig. Die Bersteigerungen vom 3.—1». Juni bildcten
Bayern befindlichen Originalzeichnungeu von I. Albert in dcn Schluß der im Winter-Semcster durch das Kunst-Auktions-

Miinchen photographisck herausgegeben. Die Bilder stellen > Jnstitut von C. G. Boerner hier abgehaltenen, öffentlichcn
 
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