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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 7.1872

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Kupferstich und Kupferdruck in Wien
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Kupferstich und Kupferdruck in Wien.

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so viel auch fiir die Verbreituug der besseren Einsicht noch
zu rühmen übrig bleibt, einigen Erfolg können wir heute
schon beobachten. Die oft gehörte Prophezeiung der
Maschinenanbeter, als würde das Lichtbild der repro-
duzirenden Kunst den Todesstoß versetzen, ist nicht nur
nicht eiugetreten, vielmehr erleben wir grade in neuerer Zeit
einen Umschwung von Kupferstich und Holzschnitt in der
Produktion sowohl, wie in der Nachfrage des gebildeteren
Publikums. Daß es um beide heutzutage zumal in
Deutschland besser bestellt ist, als zur Zeit, da die Photo-
graphie erfunben wurde, wird wenigstens niemaud läugnen
könncn. Der Holzschnitt hatte sich damals kaum aus dem
Verfalle des 17. und 18. Jahrhunderts erhoben. Der
Kupferstich im großen Stile war nahezu ausgestorben,
kanm daß er auf dem schmalen Saumpfade der Radirung
oder auf dem Trippelwcge des Stahlstichs und Kunst-
vereinsblattes sein Leben mühsam fortschleppte. Die von
der französischen Schule so hoch eutwickelte Technik des
Grabstichels ward vernachlässigt, durch Mischung mit
leichteren mechanischen Manieren verderbt oder in selbst-
mörderischer Alterthümelei auf die magere Zeichnung des
sogenannten Contourstiches reducirt; und in dem Maße,
als das Portefenille mit Kunstblättern aus dem Haus-
rathe der vorigen Generation verschwand, fehlte es auch
an Aufträgen, an Verlegern und Kupferdruckpressen.

Seitdem ist es in jeder Beziehung besser geworden.
Die Universalherrschaft des Photographie-Albums hat
auf die Kupferstichkünst wohl läuternd, nicht aber hemmend
gewirkt. Die wenigen, aber tüchtigen Meister, welche
heutzutage den Grabstichel führen, stellen ihrer Kunst
immer höhere Aufgaben und verfolgen deren Lösung rastlos
auf dem Wege der alten, freien, aber unerbiltlich streugen
Linienmanier. Was unserer Zeit an ursprünglicher
künstlerischer Triebkraft abgeht, das ersetzen sie durch
Studium, Witz und Geduldarbeit. Der ungetheilte Bei-
fall der Sachverständigen kann ihnen darum nicht aus-
bleiben. Die Vollendung eines neuen Kupferstiches von
Eduard Mandel ist jedesnial ein Ereiguiß in der Kunst-
welt. Die Erwerbung des Verlagsrechtes für eine solche
Platte ist der Gegenstand des Ehrgeizes, des finanziellen
Wetlstreites im Kunsthandel.

Ilnter diesen Umständen kann es ein tüchtiger Mann
wohl wagen, von der händlerischen Gepstogenheit der
Gegenwart den umgekehrten Weg einzuschlagen und aus
der einseitigen Bilderspetülation zum Kupferstichverlage
überzugehen. Daß P. Kaeser in Wien diesen Schritt
gelhan hat, verdieut anerkaunt zu werden;zumal da gerade
für Wien ein dringendes Bedürfniß in dieser Richtung
vorlag. Durch die Aufstellung großer, kunstgerechter
Kupferdruckpressen hat P. Kaeser Wien endlich aus der
Abhängigkeit von fremden Plätzen befreit, aus einer Ab-
hängigkeit, die der Großstadt unwürdig und ferner unhalt-
bar war, seitdem Kaiser Franz Joseph durch seinen

Oberstkämmerer Grafen Crennevilleder Kupferstechkunst
die großmüthigste Unterstützung angedeihen läßt, und das
gebildetePublikum durch zahlreichen Anschluß an die „Ge-
sellschaftfürvervielfältigendeKunst" diesem guten
Beispiele nacheifert.

P. Kaeser wird es nie gereuen, daß er seinem Unter-
nehmungsgeiste und Kapital eine so solide Richtung ge-
geben hat. Einen Beleg liefert schon das erste Verlags-
verzeichniß, das er vor Kurzem ausgegeben hat. An der
Spitze destelbcn steheu die Bildnisse des österreichischen
Kaiserpaares, in ganzer Figur nach Fr. Winterhalter's
Gemälden gestochen von Louis Jakoby: Leistungen des
Grabstichels, denen sich von modernen Arbeiten nurwenig
Ebenbürtiges an die Seite stellen läßt. Dem Hofmaler
des letzten Napoleon wollen wir allerdings nicht das Wort
reden. Wir fragen ihn auch nicht, ob eine allzurealistische
Auffassung von so eminent historischen Persönlichkeiten
erlaubt, ob die Uebertragung von Verhältnissen der so-
genannten Kabinets-Photographie auf lebensgroß gemalte
Bildnisse künstlerisch gerechtfertigt ist. Wir abstrahiren
eben völlig von der gemalten Vorlage und bewnndern
nur die Arbeit des Kupferstechers, welche an feinfühligem
Maßhalten und liebevoller Durchbildung einen merk-
würdigen Gegensatz zu den Effekten Winterhalter's bildet.
Wie sehr hier der Stecher über dem Maler steht, lehrt
in Ermangelung eigener Anschauung von den Gemälden,
die Vergleichung des Antlitzes von Kaiser und Kaiserin
auf den Kupferstichen selbst. Bloß das erstere ist nämlich
ein Werk Jakoby's, von diesem nach der Natur gezeichnet,
nachdem sich die Aufnahme Winterhalter's hierin denn doch
als unmöglich herausstellte. Dafür besitzen wir aber auch
in dem Kupferstiche Jakoby's einen an Lebenswahrheit
und Kunstvollendung unübertrefslichen Porträtkopf des
Kaisers Franz Joseph. Noch ganz anders freilich würde
dieß zur Geltung kommen, wenn statt der modernen Uni-
form etwa der Purpurmantel des Ordens vom goldenen
Vließ oder ein anderes historisches Staatskleid um die
hohe Gestalt des Monarchen herabfließen würde. Welche
Gelegenheit zur Entfaltung seiner Reichthümer wäre damit
dem Grabstichel geboten gewesen! Wir erinnern nur an
die Porträts der französischen Könige im Krönungsmantel
oder im Ornate des Ordens vom heil. Geist, gestochen
von Bervic, Naphael Urbin Massard, Johann Gotthard
Müller u. a. Mit der Mode kann der Künstler freilich
nicht rechten. Freuen wir uns also, daß der kunstsinnige
Monarch mit einer an schönere Zeiten gemahnenden
Munificenz dem Kupferstiche wieder zu seinem alten Vor-
rechte verholfen hat, die Gestalten gekrönter Häupter und
fürstlicher Persönlichkeiten in würdiger Weise auf die Nach-
welt zu bringen.

Von Jakoby bietet uns Kaeser überdieß die Brust-
bilder zweier berühmter Professoren, des Physiologen
Brücke und des Pathologen Rokitansky, nach den eigenen
 
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