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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

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Guttenberg, G.: Der Salon von 1872, [1]
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Der Salon von 1872. 1.

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Stande gewesen wären; anderseits kann man wieder nicht
behaupten, daß die Zahl wirklich hervorragender Kunst-
werke bedeutend gewesen sei; die Menge der Künstler,
welche durch tendenziöse Motive, Bizarrerie oder Effekt-
hascherei die Gunst des Publiknms für sich gewinnen
wollen, stellte wieder ein sehr.bedeutendes Kontingent zu
der Ausstellung.

Es sei hier nur der hervorragenderen Werke in
eingehender Besprechung gedacht, die übrigen mögen
kurz Revue passiren oder ganz uncrwähnt bleiben.
Nebenbei will ich hier bemerken, daß wir vielen der im
Nachstehcnden besprochenen Kunstwerke im Jahre 1873
bei der Weltausstellung in Wien wiedcr begegnen werden;
eine ziemlich große Anzahl ist bereits dafür angemeldet.

Unter den Werken der Oelmalerei gebührt die Palme
unstreitig den beiden Gemälden von I. A. Breton: „Im
kontains" und „lleuns kills Auräunt äss vue!i68
Breton, immer noch der bedeutendste Darstcller des fran-
zösischen Bauern, giebt uns wcniger die kleinen genre-
haften und humoristischen Züge wieder, welche sich dem
Beobachter des Landlebens so zahlreich darbieten, als
vielmehr die ernste Poesie, welche über dem ganzen Land-
volke, dieser besonderen Klasse der arbeitenden Menschheit,
diesen einfachen Gestalten und ihren einfachen Hand-
lungen ruht. Diese Poesie liegt theils in der unbewußten
Ergebung, mit welcher der Landmann unablässig sein
schweres Tagewerk erfüllt, in der Schlichtheit der Gedanken
und in der Einfachheit der Gefühle, welche zwar nur einen
beschränkten Gesichtskreis umfassen, aber dennoch eine reiche
und eigenthümliche Welt von Freuden und Sorgen, Hoff-
nungen und Enttäuschungen, Leidenschaften und Tugenden,
Wünschcn und Ahnungen in sich bergen; theils beruht
sie auf der innigen Wechselbeziehung dieser Menschen mit
der Natur. Es ist leichter, diese Poesie zu fühlen als sie
zu beschreiben, und es gehört ein ruhiger, sinniger Beobach-
ter dazu, um sic zu erfassen. Vou wahrer Natur-
empfindung bis zu falscher Sentimentalität ist oft nur ein
Schritt. Jules Breton weiß diesen Schritt zu vermeiden;
er stellt eine, zwei Gestalten dar iu ihrer ländlichen Be-
schäfligung, schlicht und natürlich, wie er sie am Felde,
im Walde findet und umgicbt sie mit einem passenden
Stück Natur; ein bescheidenerRealismus — ich finde kcinen
passenderen Ausdruck für Breton's klare, wahre und doch
dem Ganzen so untergeordnete Farbengebung — verbun-
den mit einem edel empfundenen Stile giebt jenen ein-
fachen Motiven einen Reiz und eine Bedeutung, daß
der Beschauer gefesselt vor dem Gemälde stehen bleibt,
vhne sich gleich Rechenschaft darüber geben zu können
worin der Zauber des Bildes liegt. I. Breton hat bei
seinen zwei neuesten Bildern die Figuren, abweichend von
seiner früheren Art, lebensgroß genommen und dadurch
auch deren Wirkung erhöht. Auf dem Bilde „Der
Brunnen", welches den Vorzug verdient, sind zwei Bauern-

mädchen dargestellt, welche aus einen Steinquell Wasser
schöpfen; ein Mädchen kauert am Boden, seinen Krug
füllend, während das andere aufrecht steht, seinen
großen Thonkrug auf der Achsel haltend; hinter den Ge-
stalten steigt ein Stück Wiese und ein Stück Saatfeld auf,
an welches der dämmerige Horizont gränzt; der Ober-
körper, Kopf und Krug des aufrechtstehenden MLdchens
silhouettiren sich in der grauen Luft und heben sich zugleich
plastisch davon ab; das Bild trägt eine ruhige, glanzlose
Abendstimmung. Das zweite Bild zeigt uns ein am
Saume eines Waldes sitzendes Mädchen, welches sich
mehr mit seinen Gedanken als mit den in der Ferne
grasenden Kühen beschäftigt; den Hintergrund bilden
BLume, eine zwischen diesen halbversteckte Hütte und die
erwähnten Thiere.

Die Historienmalerei ist in neuerer Zeit etwas in
Verruf gerathen; theils ist der vielleicht seichter gewordene
Geschmack des Publikums daran Schuld, zum größten
Theile aber ist wohl die Art, wie dieses Gebiet der Malerci
heutzutage von den Malern bestellt wird, der Grund,
warum ersteres theilnahmslos an den Historienbildern
vorübergeht oder rathlos vor ihnen steht, im besten
Falle einen sehr unbestimmten Eindruck von ihnen mit
sich ninnnt. Die Künstler vergessen zu oft, daß auch
bei der Vergegeuwärtigung historischer Momente das
„ewig Menschliche" die Hauptrolle spielen muß, wenn das
Bild auf den Beschauer einen nachhaltigeren Eindruck
machen soll als eine gemalte Geschichts-Jllustration.
AndrerseitS sind wohl auch geschichtliche Stoffe besonders
geeignet zu großen, durch großartige Komposition und
brillante malerische Ausführuug packenden dekorativen
Gemälden, aber diese Richtung sehen wir heute in Frank-
reich und auch in Deutschland fast ganz verwaist.

Die historischen und biblischen Gemälde, welchen
man im diesjährigen „Salon" begegnete, rührten zum
Theil von Malern her, welchen darum zu thun war, in
Seiden- und Sammtgewändern, Rüstungen und Prunk-
gegenständen die Brillanz ihrer Technik flimmern und
flattern zu lassen, theils von kaum aus der Maler-Akademie
stügge gewordenen Jünglingen, welche vermeinten, un-
fehlbar die allgemeine Bewunderung auf sich und ihr Bild
zu lenken, wenn sie eine in dem Winkel eines obscuren
Geschichtswerkes aufgestöberte oder „entdeckte" historische
Begebenheit oder Fabel zur Darstellung brachten. Es
sei damst nicht gesagt, daß es an bedeutenden und bemer-
kenswerthen Gemälden auf diesem Gebiete vollständig
fehlte. Der Jury war es augenscheinlich darum zu thun,
den Vertretern der Historie die meiste Gunst und Ermun-
terung angedeihen zu lassen, da sie denselben die meisten
Medaillen zuwendete.

GustavDorä, der berühmteJllustrator, hatte zwei
große Bilder ausgestellt: „Im mnsssvrs äes innoesnts"
mid „D'TpIsnok". Erstcres zeichnet sich durch die lebendig
 
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