Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4815#0025

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
39

Nekrologe. — Sammlungen und Ausstellungen.

40

werde, als Rahl's Schüler und Mitarbeiter Griepen-
kerl und Bitterlich. Sie erhielten den Auftrag und
theilten die Arbeit in der Art, daß Bitterlich die Zeich-
nung sämmtlicher Kartons, Griepenkerl dagegen den
malerischen Theil des Auftrags übernahm. Heute ist
Niemand darüber im Zweifel, daß Lie Rahl'schen Werke
nicht bloß dem Jnhalte, sondern auch der Ansführung
nach die besten im Opernhause sind. Letzteres Verdienst
kommt ganz allein auf Rechnung der beiden Künstler. Nur
eine kleine glückliche Abänderung des Vorhangprojektes
haben sich die Künstler erlaubt. Rahl hatte die Absicht,
im Mittelbilde der Orpheussage unter den Schatten, die
Hades' Thron umschweben, seine Freunde erscheinen zu
lassen. An ihrer Statt erscheinen heute die fünf hervor-
ragend betheiligten, aber während des Baues gestorbenen
Künstler: die Maler Rahl und Dobyaschofsky, der
Bildhauer Hans Gasser und die beiden Architekten Van
der Nüll und Siccardsburg.

Zu Bitterlich's hervorragendsten Eigenarbeiten, ich
spreche hier nicht von den vielen Aquarellen und Por-
träts der schönsten Art, gehören der Reihe nach: Lie
pompejanischen Darstellungen im Palais Vpsilanti und
in seinem eigenen pompejanischen Salon, die 20 Lunetten
im Speisesaale des „Grand Hotel" am Ring, die Bilder
für das von Hansen restaurirte Sommerschloß des Erz-
herzogs Leopold in Hörnstein — Wissenschaften und
Künste — drei Figuren für die Decke des Speisesaales,
uud Darstellungen der Tugenden des Habsburger Hauses
für die Decke des Ahnensaales, — die „Künste" für das
Tietz'sche Haus, dann die Freskeukompositionen für das
Stiegenhaus, die Bibliothek und das Empfangszimmer,
das Frauenschlafgemach und Boudoir im Guttmann'schen
Hause. Letztere Entwürfe sind besonders schön. Für die
Decke des Boudoirs komponirte Bitterlich die weiblichen
Tugenden in antiken Repräsentationen — Penelope, Anti-
gone, Cornelia und Baucis — für das Schlafgemach
der Frau „Nacht und Morgen", umgeben von den Seg-
nungen des Schlafes — der Schlaf als Liebesgott, als
Befreier, als Tröster und als Friede, als ewiger Friede.
Seltsam genug, daß diese Prachtentwürfe vom Bau-
herren nicht angenommen worden sind. Für den neuen
Palast des Erzherzogs Johann von Toskana hatte
Bitterlich die Ausführung eines großen 'Frieses über-
nommen, und als Stoff die sinnvolle Mythe der
Persephoneia gewählt. Die Schattenkönigin selbst hat
ihn von dieser Arbeit abgerufen, sie ist unvollendet ge-
blieben.

Bitterlich war nicht bloß ein vortrefflicher Zeichner
und Maler, sondern auch ein bedeutendes plastisches
Talent. Er modellirte selbst sehr gut. Viele von den
Trägern, Karyatiden und Jnitialstguren und die meisten
der aus Kliukosch's Fabrik hervorgegangenen figürlichen
Arbeiten sind nach Bitterlich's Zeichnungen oder Modellen
ausgeführt worden.

Bei Gelegenheit der Konkurrenz für das Schiller-
denkmal in Wien betheiligte er sich mit einem Entwurf,
der ob seiner originellen und plastischen Auffassung all-
gemeine Bewunderung erregte. Er zeichnete den Lieb-
lingspoeteu der Jugend als begeisterten Sänger der
„Freude"im antiken Kostüm vorschreitend, mit erhobenem
Becher auf die Lyra gestützt, Adler und iltike neben sich
auf einem einfachen, von Hansen entworfenen Sockel.
Nm sich auch bei der Konkurrenz für das Goethedcnkmal

in Berlin zu betheiligen, hat er die letzten Kräfte seines
siechen Leibes aufgerafft.

Bitterlich war ein Mann von seltener Offenheit, Wahr-
heitsliebe und Anhänglichkeit an sein Vaterland. Untreue
war ihm fremd .Seine Zunge war ebenso ungeschickt zum
Heucheln wie sein Rücken zumBücken. Er hatte keinenTrop-
fen Eigennutz in seinen Adern. Einige Tropfen davon
hätten ihm oder doch seiner Familie nicht geschabet. Dafür
trug er aber ein Herz in der Brust, voll Sturm und
Ebb' und Fluth, in dessen Tiefe, wie Heine sagt, manch
schöne Perle ruhte. Er liebte Weib und Kinder, aber
kein Ereigniß in seiner Familie hat ihm so große Freude
bereitet, wie die Erhebung des deutschen Bolkes 1870.
Wie alle ideal angelegten Naturen liebte er die Menschen
und haßte nur die Renegaten, Baterlandsverräther und
Jesuiten gleich den Juden, und zwar Letztere nicht ihres Be-
kenntnisses, sondern ihrer schlechten und oft gemeinschäd-
lichen Raceneigenschaften wegen. Jch hörte ihn manchmal
sagen, wenn wieder dieZeitungen von rumänischen Greueln
zu erzählen wußten: „Jch finde es begreiflich, wenn rohe
Völker, von unbarmherzigen Blutsaugern zur Verzweiflung
gebracht, ihre Peiniger erschlagen und ersäufen. Es wäre
vernünftiger, gegen die Ursache als gegen die Wirkung
aufzutreten." Bitterlich kränkelteschon seit vielen Jahren.
Ein unheilbares Leiden hatte sich eingenistet in seinem
Körper. Jn der letzten Zeit konnte er nur noch einige
Arbeitsstunden seiner qualvolleu Krankheit abtrotzen.
Anfang Mai d. I. wurde er noch mit Mühe nach
Pfalzau bei Preßbaum gebracht. Äm Pfingstsonntag
starb er nach einem langen fürchterlichen Todeskampfe.
Am 23. Mai wurde er auf dem Matzleinsdorfer Fried-
hofe in's Grab gelegt. Der armen Wittwe des Verstor-
benen hat die Wiener Kunstgenossenschaft die Eintritts-
gelder der letzten Ausstellungstage dieses Jahres— 1020
fl. — überwiesen. Der geringe künstlerische Nachlaß soll
für die Weltausstellung aufbewahrt werden. Fr. Hottner.

V. Nordenswan ch. Jn Tawastehus in Finland starb
am 25. August d. I. die Malerin Frl. Victorine Norden-
swan in Folge eines langdauernden Brustleidens. Geboren
in derselben Stadt am 14. Juni 1838 als Tochter des Kam-
merrath I. H. Nordenswan und einer geb. v. Nnmers, machte
sie ihre Kunststudien von 1864 ab in Düsseldors unter Leilung
des Historienmalers O. Mengelberg und ergab sich mit
Liebe und Erfolg vorzugsweise der religiösen Malerei. Als
ihre besten Arbeiten sind zu nennen: der Evangelist Johannes
(1867), die trauernden Frauen am Grabe des Herrn (1869),
Maria Magdalena am Kreuze Christi (1876), welche ihre
warme Hingebung zur schönen Kunst bezeugen; außer diesen
lieferte sie mehrere treffliche Kopien alter Gemälds aus den
Museen Dresdens und Berlins. Erst im Juni d. I. war sie
aus Deutschland heimgekehrt.

Lammlungen unS ^usstcllimgrii.

Hamburg. Die beiden jüngsten Erwerbungen der hiesigen
städischen Gemäldegalerie sind die Nonue von Max und das
gestörte Verlobungsfest von Herpffcr, beide aus dem Heine-
schen Legat angeschafft. Der Ankauf des bekannten Max'schen
Bildes hat allgemein befriedigt — ausgenommen vielleicht
die Hamburger Künstler, welche es Max uicht verzeihen
können, daß er seine eigenen, wenn auch nicht immer empfehlens-
werthen Wege wandelt, immer aber zur Aufmerksamkeit, zum
Nachdenken zwingt und das Bestreben zeigt, sich möglichst wenig
zu wiederholen; ihm scheint, wie Berthold Auerbach dies von
dem echten Künstler verlangt, in der Unzufriedenheit mit jedem
vollendeten der Keim zu einem neuen vollkommneren Werke
zu liegen, eine Todsünde in deu Augen der selbstzufriedenen,
jeden einmal gelungenen Wurf bis zum Ueberdruß wieder-
holenden Manieristen. Das andere Gemälde versetzt uns
in die Zeit des Rococo und zeigt auch sonst manche An-
klänge an den nicht weit davon hängenden Vautier'schen „Toast
 
Annotationen