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Die Entwürfe zu einem Denkmal fiir die während de« letzten Krieges gefallenen Hambnrger.
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gungen 1—4 sich erhoben, können wir nicht akS be-
rechtigt anerkennen; No. 6 aber wird kaum einer allge-
meinen Verurtheilung entgehen, wenn wir bemerken, daß
unter den sechs Mitgliedern der Kommission nur ein Sach-
verständiger sich befindet (Herr Vivi6). Es ist überstüsstg,
einem kunstverständigen Publikum gegenüber das Un-
passende dieser Maßregel hervorzuheben. Von den ein-
geladenen Bildhauern versagten Börner, Bläser uud Hähnel
ihre Mitwirkung. Neuber lieferte zwei Modelle, Wolff in
Berlin und Knoll in München machten dieZahlsieben voll.
Die Ausstellung dieser sieben Modelle brachte uns
eine solche Fülle geistvoller und origineller Gedanken,
eine so hohe Vollendung der Form und so ideal schöne
Köpfe an den Haupt- und Nebenfiguren, daß die Be-
trachtung einen wahrhaften Genuß bereitet; mit Aus-
nahme des zweiten Entwurfs von Neuber würden wir
keinen einzigen missen wollen, und wir stehen nicht an
zu erklären, daß ein Fremder, welcher von deutschen Bild-
hauern nichts Anderes gesehen hätte als diese Modelle, mit
einer hohen Jdee von dem eminenten Range der deutschen
Skulptur nach Hausc zurückkehren müßte. Wenn wir
trotzdem fast gegen alle der eingelieferten Entwürfe Be-
denken und Zweifel erheben, so fallen dieselben doch dem
Totaleindruck gegenüber zu wenig in's Gewicht, um
das Gesammturtheil wesentlich zu modificiren.
Allen Entwürfen gemeinsam ist die treue Beobach-
tung des Passns 3 der Bedingungen; außerdem stnden
sich fast durchgängig ein Hamburgisches Wappen und
als Hauptfigur der plastischeu Gruppe eine Germania
mit der Kaiserkrone vor. Letztere fehlt nur in den Ent-
würfen von Schilling und Neuber.
Neuber umgiebt auf seinen beiden Modellen das
Postament mit reichem plastischem Schmuck. Wir beginnen
mit dem zweitcn seiner Entwürfe, dem einzigen, welcher
von der engeren Wahl entschieden auszuschließen sein
wird. Schon der Unterbau ist nicht recht gelungen; ein
Viereck, dessen Seiten wieder je in drei Flächen gebrochen
sind, kann kaum als eine glückliche Jdee betrachtet werden.
An den vier Hauptccken sitzen mit trauernden Geberden
vier Gestalten, die wir aber weder als allegorische noch
als wirkliche Personen zu rekognosciren im Stande sind.
Die Gruppe, welche den Sockel krönt, ist derb realistisch.
Ein Landwehrmann, mit der Rechten ein Bajonctt in
eineu Franzosen stoßend, mit der Linken einen, wie es
scheint, tödtlich getroffenen Fahnenjunker haltend, zu
dessen Füßen ein erlegter Turko sich krümmt, — das
soll uns ein Denkmal für unsere gefallenm Landsleute
sein! Abgesehen davon, daß dies dem Grundgedanken
der Aufgabe wenig entspricht, ist die Kampfscene in einer
alle zarten Gefühle und alle ästhetischen Rücksichten außer
Acht lassenden Weise gedacht und ausgeführt. — Der
erste Entwurf von demselben Bildhauer läßt an den
sechs abgestumpften Ecken des Sockels allegorische Figuren
sehen, deren BedeutuNg an sich klar, deren Beziehung zum
Denkmal aber nicht gauz verständlich ist; es sind nach
vorn Handel und Schisffahrt, nach hinten Jndustrie
und Landwirthschaft, an den Seiten Kunst uud Wissen-
schaft. Den Sockel, welcher mit zahlreichen Reliefs,
Medaillons und Znschrifteu ausgeschmückt werden soll,
krönt eine Hammonia, den gesallenen Helden einen Sieges-
kranz hinreichend, eine weinende Gestalt zur Rechten
symbolisirt die Trauer der Hinterbliebenen.
Ein in vielfacher Beziehung ausgezeichnetes Werk
ist das von Prof. E. Wolff. Seinen Hauptvorzug
bildet der Aufbau, ein längliches Viereck mit vier
vorspringenden Pfeilern, je zwei Halbsäulen an den
Lang- und je einer Halbsäule an den Schmalseiten.
Dieses würdevolle und einfache Mausoleum charakterisirt
schon an sich die Jdee, welche das ganze Denkmal zum
Ausdruck bringen soll, und es ist tief zu bedauern, daß
die plastische Gruppe, eiue prachtvoll gebildete Germania
mit zwei kleineren weiblichen Gestalten, welche sie liebe-
voll beschützend umfaßt, eine schwer verständliche Allegorie
zum Vorwurf hat. Soll die Gestalt mit dem Füllhorn
den Ucberfluß, jene mit dem Schwert, welches sie in die
Scheide stößt, den Frieden, oder sollen sie die friedlichen
Arbeiten und die kriegerischen Mühen des deutschen Volkes
darstellen? Eine solche Räthselfrage darf ein Denkmal
uns nicht aufgeben, am wenigsten ein solches, welches
einem ganzen Volke zur Erinnerung an die große Ver-
gangenheit und an die Tugenden früherer Geschlechter
beständig vor Augen sein soll.
Dieselbe SchönheitdesPostaments, dieselbeMangel-
haftigkeit der Hauptgruppe stehen einem durchschlagenden
Erfolge des Knoll'schen Entwurfes hindernd entgegen.
Der reiche und stilvolle Bilderschmuck an der Vorderseite
des Sockels zeichnet ihn vor allen übrigen Entwürfen
vortheilhaft aus. Blumengewinde zieren den ersten Absatz;
die Jnschrifttafel wird umrahmt von zwei geflügelten
Gestalten; unter ihr ziehen sich Blumen und Frucht-
schnüre hin, über ihr schwebt ein Adler mit ausge-
breiteten Fittigen. Die trophäenartigen Ornamente,
Granaten und Vollkugeln, würden wir allerdings gern
vermissen. Auf diesem Piedestal nun eilt eine, übrigens
wohlgelungene Germania, mit einer etwas zu leiden-
schaftlich bewegten Geste, einen verwundeten Offizier zu
stützen. Ein Offizier als Vertreter der Gefallenen?
Das scheint uns nicht wohlgethan; ein Soldat, ein Ge-
meiner, um uns dieses unangenehmen Ausdrucks zu be-
dienen, kann das ganze Heer repräsentiren, ein Offizier
nur seine Rangstufe. Auch der Paletot ist häßlich und
wirkt in Verbindung mit dem ohnehin wenig martialischen
Gesichte des Kriegers einigermaßen philiströs. Neben
diesen schwer wiegenden Uebelständen ist es von nur ge-
ringer Bedeutung, daß die Gruppe, von hinten gesehen,
ein fast unverständliches Bild giebt.
Die Entwürfe zu einem Denkmal fiir die während de« letzten Krieges gefallenen Hambnrger.
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gungen 1—4 sich erhoben, können wir nicht akS be-
rechtigt anerkennen; No. 6 aber wird kaum einer allge-
meinen Verurtheilung entgehen, wenn wir bemerken, daß
unter den sechs Mitgliedern der Kommission nur ein Sach-
verständiger sich befindet (Herr Vivi6). Es ist überstüsstg,
einem kunstverständigen Publikum gegenüber das Un-
passende dieser Maßregel hervorzuheben. Von den ein-
geladenen Bildhauern versagten Börner, Bläser uud Hähnel
ihre Mitwirkung. Neuber lieferte zwei Modelle, Wolff in
Berlin und Knoll in München machten dieZahlsieben voll.
Die Ausstellung dieser sieben Modelle brachte uns
eine solche Fülle geistvoller und origineller Gedanken,
eine so hohe Vollendung der Form und so ideal schöne
Köpfe an den Haupt- und Nebenfiguren, daß die Be-
trachtung einen wahrhaften Genuß bereitet; mit Aus-
nahme des zweiten Entwurfs von Neuber würden wir
keinen einzigen missen wollen, und wir stehen nicht an
zu erklären, daß ein Fremder, welcher von deutschen Bild-
hauern nichts Anderes gesehen hätte als diese Modelle, mit
einer hohen Jdee von dem eminenten Range der deutschen
Skulptur nach Hausc zurückkehren müßte. Wenn wir
trotzdem fast gegen alle der eingelieferten Entwürfe Be-
denken und Zweifel erheben, so fallen dieselben doch dem
Totaleindruck gegenüber zu wenig in's Gewicht, um
das Gesammturtheil wesentlich zu modificiren.
Allen Entwürfen gemeinsam ist die treue Beobach-
tung des Passns 3 der Bedingungen; außerdem stnden
sich fast durchgängig ein Hamburgisches Wappen und
als Hauptfigur der plastischeu Gruppe eine Germania
mit der Kaiserkrone vor. Letztere fehlt nur in den Ent-
würfen von Schilling und Neuber.
Neuber umgiebt auf seinen beiden Modellen das
Postament mit reichem plastischem Schmuck. Wir beginnen
mit dem zweitcn seiner Entwürfe, dem einzigen, welcher
von der engeren Wahl entschieden auszuschließen sein
wird. Schon der Unterbau ist nicht recht gelungen; ein
Viereck, dessen Seiten wieder je in drei Flächen gebrochen
sind, kann kaum als eine glückliche Jdee betrachtet werden.
An den vier Hauptccken sitzen mit trauernden Geberden
vier Gestalten, die wir aber weder als allegorische noch
als wirkliche Personen zu rekognosciren im Stande sind.
Die Gruppe, welche den Sockel krönt, ist derb realistisch.
Ein Landwehrmann, mit der Rechten ein Bajonctt in
eineu Franzosen stoßend, mit der Linken einen, wie es
scheint, tödtlich getroffenen Fahnenjunker haltend, zu
dessen Füßen ein erlegter Turko sich krümmt, — das
soll uns ein Denkmal für unsere gefallenm Landsleute
sein! Abgesehen davon, daß dies dem Grundgedanken
der Aufgabe wenig entspricht, ist die Kampfscene in einer
alle zarten Gefühle und alle ästhetischen Rücksichten außer
Acht lassenden Weise gedacht und ausgeführt. — Der
erste Entwurf von demselben Bildhauer läßt an den
sechs abgestumpften Ecken des Sockels allegorische Figuren
sehen, deren BedeutuNg an sich klar, deren Beziehung zum
Denkmal aber nicht gauz verständlich ist; es sind nach
vorn Handel und Schisffahrt, nach hinten Jndustrie
und Landwirthschaft, an den Seiten Kunst uud Wissen-
schaft. Den Sockel, welcher mit zahlreichen Reliefs,
Medaillons und Znschrifteu ausgeschmückt werden soll,
krönt eine Hammonia, den gesallenen Helden einen Sieges-
kranz hinreichend, eine weinende Gestalt zur Rechten
symbolisirt die Trauer der Hinterbliebenen.
Ein in vielfacher Beziehung ausgezeichnetes Werk
ist das von Prof. E. Wolff. Seinen Hauptvorzug
bildet der Aufbau, ein längliches Viereck mit vier
vorspringenden Pfeilern, je zwei Halbsäulen an den
Lang- und je einer Halbsäule an den Schmalseiten.
Dieses würdevolle und einfache Mausoleum charakterisirt
schon an sich die Jdee, welche das ganze Denkmal zum
Ausdruck bringen soll, und es ist tief zu bedauern, daß
die plastische Gruppe, eiue prachtvoll gebildete Germania
mit zwei kleineren weiblichen Gestalten, welche sie liebe-
voll beschützend umfaßt, eine schwer verständliche Allegorie
zum Vorwurf hat. Soll die Gestalt mit dem Füllhorn
den Ucberfluß, jene mit dem Schwert, welches sie in die
Scheide stößt, den Frieden, oder sollen sie die friedlichen
Arbeiten und die kriegerischen Mühen des deutschen Volkes
darstellen? Eine solche Räthselfrage darf ein Denkmal
uns nicht aufgeben, am wenigsten ein solches, welches
einem ganzen Volke zur Erinnerung an die große Ver-
gangenheit und an die Tugenden früherer Geschlechter
beständig vor Augen sein soll.
Dieselbe SchönheitdesPostaments, dieselbeMangel-
haftigkeit der Hauptgruppe stehen einem durchschlagenden
Erfolge des Knoll'schen Entwurfes hindernd entgegen.
Der reiche und stilvolle Bilderschmuck an der Vorderseite
des Sockels zeichnet ihn vor allen übrigen Entwürfen
vortheilhaft aus. Blumengewinde zieren den ersten Absatz;
die Jnschrifttafel wird umrahmt von zwei geflügelten
Gestalten; unter ihr ziehen sich Blumen und Frucht-
schnüre hin, über ihr schwebt ein Adler mit ausge-
breiteten Fittigen. Die trophäenartigen Ornamente,
Granaten und Vollkugeln, würden wir allerdings gern
vermissen. Auf diesem Piedestal nun eilt eine, übrigens
wohlgelungene Germania, mit einer etwas zu leiden-
schaftlich bewegten Geste, einen verwundeten Offizier zu
stützen. Ein Offizier als Vertreter der Gefallenen?
Das scheint uns nicht wohlgethan; ein Soldat, ein Ge-
meiner, um uns dieses unangenehmen Ausdrucks zu be-
dienen, kann das ganze Heer repräsentiren, ein Offizier
nur seine Rangstufe. Auch der Paletot ist häßlich und
wirkt in Verbindung mit dem ohnehin wenig martialischen
Gesichte des Kriegers einigermaßen philiströs. Neben
diesen schwer wiegenden Uebelständen ist es von nur ge-
ringer Bedeutung, daß die Gruppe, von hinten gesehen,
ein fast unverständliches Bild giebt.