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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

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Vom Christmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.4815#0071

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131

Vom Christmarlt. II.

132

der nwmentanen Situation im Auge behaltend. Vor
Allem ist es zu diesem Zwecke nöthig, daß sich eine Scene
vorfinde, in der die zu schildernden Individualitäten und
Charaktere in ihreni innersten Wesen und am vollständigsten
zur äußeren Erscheinung kommen, nnd daß der Zeichner
diese Scene auch wähle. Daß dies iu der vorliegenden
Galerie in den meisten Fällen geschehen ist, ist ein Ber-
dienst der Künstler nicht nur, sondern auch des Dichters;
denn wo sich zufällig in dem eiueu oder dem andern Stück
solche Scenen, in denen
die Hanptcharaktere auf-
gehen, nicht finden, da
konnte auch die größte
Gestaltungsgabe des
Bildners nicht erfolg-
reich mit dem Dichter
wetteifern. Jenes zeigt
sich gleich in dem ersten
Bilde, aus „Romeo und
Julia", den Moment vor
dem Tode Iulia's schil-
dernd, in welchem sich ein
All vou Empfindungeu
dräugt, ebenso schwierig
wie verlockend für den
Maler. Man wird dem
Künstler, Ferd. Piloth,
sagt Meher ganz mit
Recht, das Lob nicht vor-
enthalten dürfen, die Auf-
gabe in ihrem innersten
Kern erfaßt und das
Wesentliche trefftich ver-
körpert zu haben. Auf
dem zweiten Blatte stellt
Max aus dem „Winter-
märchen" die Scene dar,
wo kurz vor dem fröh-
lichen Feste der Schaf-
schurFlorizel mitder „wie
eine Göttin geschmückten"

Pcrdita in süßem Allein-
sein den Schwur ewigerLiebe erueut. Im dritten Bilde wird
von Thumann in reizcnder Weise, ganz auf die in dem
idealeren Theile des Gedichtes herrschende zarte nnd be-
zaubernde Stimmung eingehend, der Moment zur Dar-
stellung gebracht, wo Titania im Schlafe durch das zauber-
kräftige Kraut entzaubert wird, und zwar durch den lieb-
lichen „dienstbaren Geist", nicht durch Oberon selbst,
während auf die zahlreichen Nebenpersonen mit richtigem
malerischen Gefühl verzichtet ist. Dafür hat die heimliche
Märchenstimmuug um so mehr gewonnen, und Titania
stellt sich dafür um so reiner als ideale Erscheinung, nur

vou der ihren eigensten Cbarakter ausmachenden Schönheit
und Lieblichkeit, umwobeu, dar. Auf dem vierten Bilde
wird von Ferd. Piloty eine der ergötzlichsten Situationen
aus „Heinrich IV.", ein „wahrer Jnbegriff von humo-
ristischen Momenten", in einer Weise vorgeführt, daß man
nicht weiß, soll man die Palme humoristischer Charakteristik
dem Dichter oder dem Maler zuerkennen. „Eine wunder-
bare Schöpfung, solch ein Typus des Humors." Auf
dem fünften Bilde hat Schmitz ans dem „Kaufmann vou

Venedig" den Moment
der Wendung des Dra-
mas aus dem Tragischen
zu einem glücklichen AuS-
gang gewählt, eineschwie-
rige Aufgabe, da sie
keine der vorgeführten
Persönlichkeiten in der
Totalität ihres Charak-
ters darzustellen Gele-
genheit giebt. Die sechste
Zeichnung, aus „Cym-
beline", versetzt uns in
die nächtliche Scene, wo
Jachimo die Jmogen
ihres Armbandes beraubt.

Liezen-
Mayer, hat es wohl ver-
standen, das Unheimliche
des Borganges und das
Halbdunkel der Beleuch-
tung zu wirksamem Aus-
drucke zu bringen. Auf
dem siebentenBlatteführt
uns Ferd. Piloty ans
„Hamlet" die wahnsin-
nige Ophelia am Weiden-
baume Blumen in'sWas-
ser streuend vor, ein
grauenvoller, nur poetisch
erträglicher Moment und
darum fast zu schwer
für bildliche Darstellung.
Aus „Viel Lärmen um Nichts" hat Schniitz die malerisch
unergiebige und darum schwierige Scene bei der Laube zum
Gegenstande seiner Darstellung gewählt. Desto ergiebiger
für den Künstler war dagegen die Scene, die Grützner
aus „Was ihr wollt" uns vorgeführt hat, uns gewisser-
maßen mit einem gemalten Intriguenstück beschenkend. Wir
können Meyer nur beistinimen, wenn er sagt, daß dieses
Bild in jeder Hinsicht als eine derbesten Kompositionen be-
zeichnet werden könne, die zu eineni Shakespeare'schen Stücke
gemacht worden. Einen fast ebenso glücklichen Wurf hat
Lossow mit seinem Falstaff aus den „Lustigen Weibern"
 
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