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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

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Meyer, Bruno: "Die Wiedertaufe im Berliner Museum"
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https://doi.org/10.11588/diglit.4815#0091

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171

Die Wiedertaufe im Berliner Museum.

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denen er doch an künstlerischem Verständniß und histo-
rischem Sinne weit überlegen war?

Es ist ferner einfach nicht wahr, daß der Berliner
Gemäldegaleriekatalog „anfangs vielleicht ein Muster
seiner Art" gewesen. Er war, was er bis jetzt geblieben
ist: ein möglichst knapp gehaltenes Verzeichniß. Auch war
Waagen, als derselbe zuerstzusammengestellt wurde, noch
gar nicht der Mann dazu, einen nach unseren heutigeu
Begriffen „wissenschaftlichen" Katalog der Sammlung zu
machen. Das wurde er erst durch seine Reisestudien in
England und Frankreich. Dann aber kam das Regime
des Herrn von Olsers, nnd wie es seitdem gestanden, habe
ich in der am 27. April d. I. erschienenen Nr. 14 der von
Paul Liudau redigirten „Gegenwart" in meinem Aufsatze
„Zur guten Stunde. Ein Nothschrei über und für die
preußische Kunstverwaltung" angedeutet: „Auch an den
wissenschaftlichen Katalog der Galerie selber, den die be-
rühmteste Autorität für dergleichen Arbeiten, welche die
Sammlung ihren Direktor nennen durfte, der verstorbene
Waagen, uicht abfassen konnte und durfte, weil die nöthigeu
Mittel nicht zu erübrigen wareu, und der Generaldirektor
die dringende Obliegenheit stets zu hintertreibeu wußte,
ist noch nicht wieder gedacht worden."

Es widerspricht dem klaren Thatbestande, daß der
Autor an den Auflagen „wie sehr auch" nachzubessern
suchte: er trug gerade nur die neu erworbenen Bilder
nach nnd änderte gelegentlich eine Benennung, wenn die
„Wievertaufe" die Genehmigung des Herrn General-
direktors erhalten halte, und die Sache sich ohne wissen-
schaftliche Exkurse (für die in dem zugemessenen Rahmen
einmal absolut kein Raum war) machen ließ. So darf
man auch von Rechts wegen nicht sagen, daß der Katalog
immer tiefer unter das Niveau der Forschung „sank",
sondern er„bliel>" —undzwarohneSchuld,vorAllem nicht
wegen Unfähigkeit des Verfassers — unter demselben^).

*) Jn der bevorwortenden Einleitung Dove's zu der
bereits Eingangs von Seiten des Herausgebers citirten Ehren-
rettung Waagen's von Alfred Woltmann besteht Dove auf
der Richtigkeit seines Urtheils über den Berliner Katalog.
Vielleicht gesteht er dem hier hervorgehobenen Unterschiede des
richtig geschilderten Sachverhaltes von seiner (und der gewöhn-
Iichen)Auffassung eine wesentlich modificirende Kraft zu. Heutc
würde Waagen auch einen genügenden wissenschaftlichen Katalog
machen, den er zu jeder Zeit während seiner späteren Lebens-
jahre hälte machen können, wenn es ihm verstattet worden
wäre. Es ist wohl selten eine niedrigere Handlungsweise
unter krassester Schädigung des dienstlichen Jnteresse's von
einem hohen Vorgesetzten geübt worden, als das Verbot des
Verkaufes eines wissenschaftliches Kataloges, den Waagen auf
eigene Hand mit Unterstützung eines befreundeten Verlegers
herausgeben wollte, in den Räumen der Galerie. Man weiß
ja, daß auch das sehr verdienstliche Vorhaben, einen brauch-
baren populären Führer durch das Museum, den wahren
Schlüssel des Verständnisses für das Publikum, zu schaffen,
an derselben Weigerung des Generaldirektors scheiterte; denn

Zu denen, welche Julius Meyer's Ernennung zum
Galeriedirektor „mit hoher Freude begrüßt" haben, und
die von ihm die baldige Besorguug eines vortrefflichen
Kataloges erwarten, gehöre ich ganz gewiß mehr als viele
Andere, weil ich mir schmeichle, besser zu wissen, was
Noth thut, und besser taxiren zu können, was jener aus-
gezeichnete Forscher zu bieten vermag. Aber jene Ver-
besserungen verbürgt seine Ernennung nicht nur, weil er
Julius Meyer ist, sondern wesentlich, weil vor und mit
seiner Ernennung ein ganz neuer Geist in unsere Kunst-
verwaltung eingezogen ist, der in dem Protektorate des
Kronprinzen seine Kraft hat, und der die Fähigkeiten der
Bediensteten zur Wirksamkeit entfesselt. Vor der Be-
trauung des Kronprinzen mit jenem schönen Amte (er faßt
es streng als solches, nicht als einen Prunk und Namen
und eitel gleißenden Schein auf) und vor dem Ministerium
Falk wäre auf Julius Meyer gar keine Hoffnung zu setzen
gewesen, weil eiu Ministerium Mühler ihm nie die gegen-
wärtigen geziemenden Bedingungen zugebilligt haben
würde, und er daher sicher gar nicht nach Berlin gekom-
men wäre. Unfehlbar ist übrigens Niemand, und es heißt
einen schlechten Dienst leisten, wenn man Iemanden, dem
in seiner schwierigen Stellung einzelne Mißgriffe, z. B.
bei Ankäufen, sehr leicht wirklich passiren können oder noch
mehr nach Dieses oder Jenes Meinung passiren werden,
durch im Tone und in den Mitteln vergriffene Präkoni-
sirung und überschwängliche, der Natur der Sache nach
unerfüllbare Erwartungen jeder späteren mißgünstigen
Kritik nur noch angreifbarer macht.

Daß nun unter I. Meyer's Direktion beiAbfassung des
neuen wissenschaftlichen Kataloges „unter den angeblichen
Meisterhänden eine wahre Klauenseuche sürchterlich auf-
räumen" wird — ich kann nicht unterlassen, diesen von
dem Verfasser für „scherzhaft" gehaltenen Ausdruck dem
Geschmack der Leser dieser Blätter zur Begutachtung zu
unterbreiten —, ist wohl ziemlich klar; nur werden die
Umtaufen zum größten Theile nur Fixirungen des längst
— auch von Waagen — als sicher Angenommenen sein.

Ueber die Jo des Correggio schrieb Waagen anläß-
lich des Wiener Bildes (Kunstdenkmäler in Wien I, S.
77): „Bekanntlich findet sich ein anderes und ebenfalls
sehr ausgezeichnetes Exemplar desselben Bildes im Museum
zu Berlin. Doch ist das obige (d. h. das Wiener!) sicher
das ursprüngliche Original. Es ist im allgemeinen viel
klarer und zugleich wärmer im Ton, auch in der Behand-
lung breiter und von soliderem Jmpasto." — Jch weiß
nicht, ob hierin (das Buch erschien 1866) ausgesprochen
sein soll, daß das Berliner Bild gar nicht von Correggio's
Hand sei; bei verschiedenen Gelegenheiten habe ich aber

allerdings auf eine Konkurrenz mit den Objekten des gegen-
wärtig vor dem Mirseum betriebenen Straßenhandels kann
sich ein anständiger Autor nnd ein gediegenes Werk nicht ein-
lassen. Anm. d. Verf.
 
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