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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

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Hans Freiherr von und zu Aufseß
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189

Hans Freiherr von nnd zu Aufseß.

190

Einigung man vielseitig so sehnlichst wünschte. Aufseß
selbst lieh dem Museum seine große Bibliothek und seine
gesammte kulturhistorische Sammlung für zehn Jahre
uuentgeltlich.

Schon im Jahre 1850 hatte Aufseß den ncben seiner
Wohnung gelegenen und mit derselben durch einen Gaug
verbundenen Thiergärtner Thor-Thurm zur Aufstellung
seiner Sammlung gemiethet. Jetzt, da die Sammlungen,
besonders die Bibliothek durch die Freigebigkeit dcs
deutschen Buchhandels, so ansehnlich sich mehrten, wurde
der Raum dafür zu kleiu. Er miethete daher auch noch
die beiden obersten Stockwerke des sehr malerisch am
Paniersplatze gelegenen Petersen'schen Hauses. Dort
wurden die Bibliothek und das Archiv aufgestellt und
dieBureaux eingerichtet, während die kulturgeschichtlichen
Sammlungeu im Thiergärtner Thor-Thurm blieben.

Am 15. Juni 1853 wurden die Sammlungen für
den Besuch des Publikums feierlich eröffnet und werden
seitdem von allen Nürnberg besuchenden Fremden besichtigt.

An der Spitze der Anstalt stand natürlich Aufseß
selbst. Neben ihm arbeiteten, besonders an der Herstellung
des projektirten Generalrepertoriums über alle Quellen
der deutschen Geschichte, viele Beamte. Ein aus fünfzehn
Personen, meist Gelehrten aus verschiedenen Theilen
Deutschlands, bestehender Verwaltungs Ausschuß unter
dem Vorsitz des Gründers hatte die oberste Leitnng der
Anstalt in die Hand genommen. Durch Ernennung eines
aus den bedeutendsten deutschen Geschichtsforschern be-
stehenden Gelehrten-Ausschusses wurde das Jnteresse
derselben an das Museum gefesselt und die Theilnahme des
wissenschaftlich gebildeten Theils des deutschen Volks
wurde durch regelmäßiges Erscheinen des „Anzeigers für
Kunde Deutscher Borzeit", als Organ des Musemns,
welches von den Fortschritten der Anstalt sorgfaltige Kunde
gab, rege gehalten.

Aber auch die vermehrten Räume wurden für Auf-
stellung der Sammlungen bald zu klein. Es galt die Be-
schaffung eines bessern, dem Museum selbst gehöreuden
Lokals.

Nachdem die Anerbietungen des Großherzogs von
Sachsen-Weimar, welcher die Warlburg, des Herzogs
von Coburg, welcher die Veste Coburg zur Aufnahme
des Mnseums und Aufstellung seiner Sammlungen an-
geboten hatte, ausgeschlagen worden waren, erwarb
Aufseß nach vielen Bemühungen endlich im Jahre 1857
unter günstigen Bedingungen für das Museum die frei-
lich zum größten Theile in Rninen liegende, ehemalige
Carthausc zu Nürnberg mit all ihren Nebengebäuden
und dem großen Garten. Nun ging es an das Bauen;
in den öden Ruinen eutstand ein reges Leben. Aufseß
wußte, unermüthlich thätig, theils Geld für die Bau-
kasse, theils Materialieu oder gute alte Bautheile, welche
verwendet werden konnten, herbei zu schaffen. Ein Raum

nach dem andern wurde in alter Weise hergestellt. W.
v. Kaulbach stiftete in kie Kirche ein großes, von ihm
selbst ausgeführtes Waudgemälde, der König von Preußen
ein großes Glasgemälde für ein Fenster der Kirche.

Nachdem die uothweudigsten Restaurations-Arbeiten
vollendet waren, zogen die Sammlungen noch im Jahre
1857 in das eigene sehr geräumige Lokal ein, iu welchem
sie noch heute sich befinden.

Die Sammlung wurde mit künstlerischem Sinne
arrangirt und in malerischer Weise*) aufgestellt. Hier
kam nun der Werth der einzelnen Stücke weit besser zur
Geltung als bisher, und nun erst wurde die bequeme Be-
nutzung derselben auch für auswärtige Gelehrte möglich.

Nachdem Aufseß unter Anwendung aller seiner
geistigen und materiellen Mittel das Museum gegründet
und im Verlaufe von zehn Jahren weiter eutwickelt hatte,
trat er im Jahre 1863 von der Leitung desselben zurück,
erwarb die Villa Kreßbronn am Bodensee und verlebte
dort, mit historischen Studien beschäftigt, den Abend seines
thatenreichen Lebens. Er stiftete dort eiuen „Verein zur
Erforschung der Geschichte des Bodensees", welcher
schon mehre werthvolle Arbeiten publicirt hat, und arbei-
tete sehr fleißig an der Geschichte seines Geschlechts. Doch
bewahrte er natürlich dem Germanischen Museum, dessen
Ehren-Vorstand er geblieben, das wärmste Jnteresse.
Noch in seiuem letzten Aufsatze, welcher wenige Tage
nach seinem Tode, in der Beilage der Augsburger All-
gemeinen vom 4. Juni 1872 erschien, suchte er dahin
zu wirken, daß die Kleinodien des ehemaligen Römischen
Reiches deutscher Nation dem Germanischen Museum zur
Aufbewahruug übergeben würden.

Das Germanische Museum erfreut sich auch nach dem
Rücktritt seines Gründers, nach einer kurzen Stockung,
unter der Leitung seines jetzigen Direktors A. Essenwein,
welcher den unterdeß wesentlich veränderten Verhältnissen
eutsprechend an der Lösung der großen Aufgabe arbeitet,
des schönsten Gedeihens.

Aufseß hatte die große Freude, die Wiederverei-
nigung Deutschlands zu eiuem einigen, großen uud mäch-
tigen Reiche, mit einem Kaiser an der Spitze, au das er
stets geglaubt, und an dem er nach Kräften mitgearbeitet,
noch zu erleben.

Obgleich körperlich schon schwach, wollte er doch das
schöne Fest der Eröffnung der neuen deutschen Hochschule
zu Straßburg nicht versäumen. Er ging, einer Einladung
folgend, dahin, kounte jedoch an den Feierlichkeiten selbst
uur wenig Theil nehmen, mußte vor Beendigung derselbeu

*) Nachdem die Sammlungen in neuester Zeit so sehr
bedeutenden Zuwachs erhallen haben, und die Lokalitäten
dafür vielfach erweitert worden sind, ist diese malerische Auf-
stellung mit Recht aufgegeben und dafür die einem wissen-
schaftlichen Jnstitute alleiri entsprechende systematische Auf-
stellung angeordnet worden.
 
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