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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

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Guttenberg, G.: Der Salon von 1872, [4]
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203

Der Salon von 1872. IV.

204

Staat ihrer Salontoilette, einen Fächer oder eine Blume
zum Spiel in der Hand, ein Lächeln der Welterfahrung
auf den Lippe», von den Meistern und Meisterinnen der
modernenPortraitmalereidargestellt. Die letzterenbrilliren
aber auch in diesen Bildern mit einer außerordentlich
blendenden Technik und einem Geschmacke, welcher den
Modistinnen, von denen die Kleider und der Putz her-
rühren, alle Ehre macht. Die Beschreibung der Toiletten
würde für ein Mode-Journal von großem Jnteresse sein,
hier aber glaube ich mich derselben entschlagen und mich
darauf beschränken zu dürfen, die Leser mit den hervor-
ragendsten Vertretern der neuen Richtung bekannt zu
machen. Es sind dies: Carolus Duran, MadameLaure
de Chatillon, Madame Lucile Doux, Jean Bapt.
Paul Lazerges, Philippe Parrot und Eduard Du-
bufe; Letzterer hat übrigens auch eine etwas unreife, aber
in der Farbe gelungene Odaliske gemalt.

An sonstigen guten Figuren und Studienköpfen sind
noch hervorzuheben: Leon Bonnat's „k'owino ck'klstn-
ritr", eine alte Frau in schwarzem, baskischem Kostüme,
gute uud interessante Farbenstudie; von demselben Künstler
war anch ein durch gediegene Farbe hervorragendes Fi-
gurenbild: „(Loilrs ä'^.kndLli", Araber zu Pferde in
rauher, gebirgiger Gegend, ausgestellt. JameS Ber-
trand, zwei Ophelien; eine sehr gelungene Ophelien-
studie, weiß in weiß gemalt, d. h. die Gestalt in Weiß ge-
kleidet und sich von der weißen Wand, an welcher sie
lehnt, in feiner Wirkung abhebend; das blasse, irre Antlitz
ist auf ein Blumenbündel geheftet, welches sie in der Hand
hält; die zweite, minder gelungene Ophelia ist in schwarzes
Gewand gehüllt und schwimmt als Leiche auf dem Wasser.
Franyois Delobbe's „H'llssn", eine algerische Frau,
ist sammt den Gegenständen, welche sie umgeben, mit
Geschmack und sehr tüchtiger, ungekünstelter Technik ge-
malt; Bernard de Girondä's „I^s sominsil", ein Mäd-
chen auf rothem Lager ausgestreckt und den nackten Körper
mit rothem Teppich halb zugedeckt, wirkt durch Makart'sche
Farbentiefe; etwas unbequem ist jedoch die Stellung der
Schlafenden, welcher unbedingt das Blut zu Kopfe steigen
muß. Mad.Adelaide Salles-Wagner: „lLsusisross.",
ein schwärmerisches Frauenbild in Phantasiekostüm, von
wirkungsvoller, leuchtender Farbe. Charles Landelle,
der Verehrer der braunen Schönheiten, hat dießmal eine
„^lmss" (orientalische Tänzerin) ausgestellt und in
dieser eine seiner gelungensten Fleischstudien, eines seiner
besten Bilder geliefert. Die junge, in der herrlichsten
Blüthe ihres Lebens und Leibes prangende Orieutalin
lehnt, den etwas geneigten Kopf in die hinter demselben in
einander greifenden Hände gestützt, an einer Maucr,
scheinbar von einem ihrer ermüdenden Tänze ausruhend;
die Stellung ist prächtig uud ungezwungen und läßt den
ganzen herrlichen Gliederbau des schönen jungen Körpers,
welcher in ein weites, dunkles, wenig discretes Gewand ge-

kleidet ist, in glücklichen, anmuthigen und dabei entschie-
denen Linien verfolgen; das warme, goldbronceue Fleisch,
die mattschwarze Hülle und die gelblichgraue Mauer bilden
ein wunderbares Farbentrio. Eine sehr gute Fleischstudie
finden wir auch in der „Courtisane" von Edouard Th.
Blauchard; es ist eine bleichere'aber ebenfalls südliche,
sinnliche Schönheit, deren goldiger Körper aus dem rothen
Lager uud der über dasselbe sich wölbenden Damastdecke
prächtig hervorleuchtet. Jules Jos. Lefebvre's „Du
siAsls" und Lematte's wäßrige „Dryade" gehörten
ebenfalls zu den besseren Fleischstudien des Salous.

IV.

Die Landschaftsmalerei ist es vor Allem, in
welcher die Franzosen den Vorrang vor ven Künstlern
aller Nationen in Anspruch uehmen und es würde aucb
in den letzten Jahrzehnteu schwer gehalten haben, ihnen
denselben streitig zu machen. Die jüngste Revolution in
der Landschaftsmalerei ist vou Frankreich ausgegangeu,
die neue, künstlerisch so eminent berechtigte Richtung,
welche Troyon, Theodor Rousseau, nennen wir auch
Diaz inaugurirten, hat zuerst auch in Frankreich Wurzel
geschlagen uud in begabteu Jüngern tüchtige Vertreter
uud Berbreiter gefunden. Jndessen hat aber der frische
Wind aus dem Westen auch in die deutscheu Landschafts-
schulen neues Leben gebracht; und heute liefern Wien,
Düsseldorf und Weimar schon Proben einer erreichten
künstlerischen Höhe, welche den Franzosen um ihre
Suprematie ernstlich bange machen könuen; dieß um so
mehr, als von den jüngsten Vertretern der französischen
Landschafterschule nur wenige ihrer Lehrer würdig zu
werden scheinen.

Jm Salon von 1872 stand die französische Land-
schafterei entschieden nicht auf der Höhe ihrer Renommäe;
es fehlte zwar nicht an guten Bildern, den Werken der
bekannten und bewährten Meister, aber es war dieses
Gebiet durch keiu einziges ausgezeichnetes Bild vertreten;
auch in Bezug auf die Anzahl der Gemälde stand die
Landschaft dießmal vernachlässigt da. Eines der inter-
essantesten und die gegenwärtige Richtung am meisten
bezeichnenden Bilder war Charles Fr. Daubigny's
„Tonnelier"; derBöttcher, derseineWerkstatt und armselige
Hlltte mitten im Walde aufgeschlagen hat, ist Nebensache;
Hauptsache ist die Landschaft in prächtiger Abendstim-
mung; ein dunkler Wald, der einen Hügel überzieht, ein
Thal, welches an den Wald gränzt und den Blick in
weiter Perspektive bis an den Horizont streifen läßt, eine
leichte, lichtgetränkte Luft, welche durch ihren Uebergang
in durchstchtiges Grau das Nahen des Abends anzeigt.
Der Wald, der dicht und plastisch den Hügel hinansteigt,
die Bäume und Gebüsche, die im Thale stehen, der Weg,
das Häuschen des Böttchers, alle diese Dinge zerfließen,
wenn man ganz nahe an das Bild herantritt, in schein-
 
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