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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

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Aus Oberitalien
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347

Au« Oberitalien.

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allerorten gutem Willen, der aber leider nicht imnier auch
von glücklichem Erfolge begleitet ist. Die Restaurirungen
architektouischer Monumente sind durchschnittlich besonders
unglücklich. Welches Zerrbild ist der schöne Fondaco
dei Turchi in Benedig geworden, mit seiner nun gänz-
lich ruinirten Fayade und den sie krönenden, überaus
plumpeu mauresken Zinnen, die nach einer alten Vedute
des Palastes darauf gesetzt worden sein sollen! Man
fühlt es allen diesen Werken italienischer Architekten an,
wie sehr im Argen das Studium der alten Kunst liegt,
und wie wenige Talente unter den Epigonen Palladio's,
Sansoviuo's und Bramante's auferblühen.

Die Mailänder rühmen sich zwar, in Mengoni
einen würdigen Nachfolger der alten Meister zu besitzen,
doch will es mich bedünken, daß dessen Werke, so imposant
auch manche Details sind, der Klassicität entbehren. Die
Galerie Vittorio Emanuele ist ein entschieden viel weniger
bedentendes Werk, als es geschätzt wird. Für die immense
Höhe, welche für den Augenblick besticht, sind die Seiten-
wäude zu hoch, dazu überladen mit Terrakotten und durch
schlechte Fresken verunziert. Die Spannung des Glas-
gewölbes ist kleinlich zu nennen und entspricht keinesfalls
dem leichten Material, auf das es berechnet sein sollte.
Ueber die Fayade dieses modernen Lieblingskindes der
Mailänder kanu man nicht sprechen, da dieselbe noch nicht
vollendet ist. — Jn Florenz oder Venedig hätte diese
Galerie weitaus nicht die Bedeutung und den Beifall
gefunden. Und Mengoni ist nicht nur der bedeutendste,
sondern auch der einzige Architekt Oberitaliens, der Be-
achtung verdient. Die anderen Baukünstler erfreuen sich
selbst bei ihren Landsleuten keiner besonderen Werth-
schätzung. Wahrlich, man sieht mit Bangen die Kuppel
der Salute inVenedig sich in einen Gerüstmantel hüllen
und harrt nicht mit frendiger Ungeduld auf das Fallen
der die Markuskirche und die Ecke des Dogenpalastes
verdeckenden Rohrwände. Wo einheimische Architekten
die Restaurirungsarbeiten leiten, kann man stets auf's
Schlimmste gefaßt sein, obwohl dietechnische Ausführung
als solche meisteus eine ganz vortreffliche ist.

Jn Bicenza wird die Fayade der S. Coroua
restaurirt — ein Domherr spendete Geld, der Magistrat
das übrige, — möge ihnen nun auch Gott einen ordent-
lichen Architekten bescheeren!

Ein wahrer Jammer ist es, wie kläglich der schöne
Palazzo del Consiglio in Verona zugerichtet wurde, diese
reizende, schöne Loggia! Nebst allem erdenklichen architek-
tonischen Unsinn wird Alles mit gräulichen Tüncheu bar-
barisch bestrichen, so daß Unwillen überall den Genuß
trübt. Mit Bangen hörte ich, daß der schöne Kreuz-
gang im Veroneser Dom nächstes Jahr auch restaurirt
werden soll. Die Malerei ist in Verona ebenfalls in
dieser Beziehung glücklicher als die Architektur. Seit
zwei Jahreu sind im Dom wieder viele Fresken aufgedeckt

worden*). Versuchc an den Wänden weisen nach, daß das
ganze Innere der Kirche mit Wandgemälden reich ge-
schmückt war. Sobald die Aufdeckungsarbeiten vollendet
sein werden, ist Verona um ein Denkmal von großem
Werthe reicher, das auf die unter Mantegna's Einfluß
und vielleicht Mithilfe thätigen Künstler des fünfzehuten
Jahrhunderts ein helles Licht werfen wird.

Die Barbarei der Geistlichkeit ist, was die Bewah-
rung der ihnen anvertrauten Kunstschätze anbelangt, aller-
orten groß, in Jtalien aber unerhört. Unzählige Denk-
male, besonders älterer Kunstperioden, sind unter Tüuche
und Anwurf begraben, Meisterwerke ersten Ranges sind
zu Grunde gegangen, — die Kapelle von S. Giovannie
Paolo bleibt ein ewiger Vorwurf für die Hüter der darin
verbrannten Schätze — andere sind dem stetigen Berfalle
und sicherem Untergange preisgegeben. Theils durch
Weihrauch, mehr aber noch durch den Qualm unzähliger
Wachskerzen, die kaum einen halben Schuh weit von den
Bildflächen an den so zahlreicheu Feiertageu brenuen,
werden die Bilder geschwärzt uud verdunkelt. Die strah-
leude Wärme verursacht das Abspringen der Farben,
Reißen des Firnisses rc. Eines der in solcher Weise am
meisten gemißhandelten Bilder ist die Madonna mit der
Familie Pesaro von Tizian in deu Frari zu Venedig.
Zu allem Angeführten kommt noch die Unannehmlichkeit,
daß bei diesem Bilde die ganze untere Hälfte durch eine
dichte Reihe fünfSchuh hoher Kerzen, geschmackloser Leuch-
ter und ungeheuerer Blumenbüsche aus Papier neuestens
verdeckt ist, so daß mau von den Herrlichkeiten des Bildes
kaum eine Ahnung haben kann. Eine ganz schlechte Kopie
erfüllte an dieser Stelle wohl auch ihren Zweck und für
Tizian's herrliches Bild wäre die Akademie ein günstigerer
Ort. Wie voll kann man die schönen Paolo's aus S.
Sebastiano genießen, die alle in einem runden Saal der
Akademie in trefflichem Lichte aufgestellt sind! Man
möchte wünschen, daß sie nach vollendeter Restauriruug
der Kirche auch da blieben.

Einiges ist wohl schon geschehen, um dem unver-
ständigen Gebahren der geistlichen Herren Einhalt zu
thun, doch nimmt man zumeist mit halben Maßregeln
vorlieb. Die Kirchen sind zwar nominell unter die Auf-
sicht der Akademien gestellt, die betreffenden Herren haben
aber nach und nach Gebrauchsgesetze einzuführen gewußt,
die obige Aufsicht illusorisch macht. Die Bilder werden
nach wie vor shstematisch ruinirt.

Nur selten findet man Gelegenheit, ein wirksames
Eingreifen der Akademie zu konstatiren, z. B. in S.
Giovanni zu Parma, wo der Ruin der herrlichenJntarsia-
Arbeiten an den Chorstühlen noch glücklich verhindert

*) UeLer diesen Freskenschmuck bringt die Zeitschrift dem-
nächst einen eingehenden Bericht aus Eitelberger's Feder.

A. d. Herausg.
 
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