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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

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Künstlerfasching in Wien
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Künstlerfasching in Wien.

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eine Woche, bevor der Kalender die Erlaubniß ertheilte.
Zur Sylvcsterfeier wurde eine Parodie der „großen
Kunstauktiouen" in Scene gesetzt und zwar mit einer
Fülle von Witz uud Humor. Die Parodie nahm ihren
Ansang schon in dem lmit Annoncen-Vignetteu aus
Zeitungen) „reich illustrirten" Kataloge, in welchem
Phidias und Giotto so wenig fehlten, wie Rasfaelische
Majoliken uud Porträts von Rembrandt und Frans
Hals; zugleich bot er eine wundervolle Blumenlese kunst-
händlerischer Stilistik dar. Da kamen der „Knabe
mit einem Korbe, welcher Kirschen ißt", das „über die
Mauer geküßte Mädchen", der „sich steinigende heil.
Hieronymus", „Manu und Frau aus einem Glase trin-
kend", „Rindvieh mit Hirt und Hirtin iu eifrigem Ge-
spräch" und viele andere Perlen hiesiger Auktionskataloge
wieder vor. Wer die Bilder dann an den Wänden suchte,
war freilich schlecht berathen, denn nur ausuahmsweise
stimmten die Nummern. Dafür fand er andere alte und
neue Meister auf das witzigste, zum Theil wirklich genial
karrikirt. Jn hervorragender Weise hatte sich Makart
betheiligt, dessen Bilder in der Manier der Rosa Bonheur,
Voltz, G. Max und Anderer den Künstler von einer ganz
neuen Seite zeigten. Und damit die Parodie vollständig
wurde, erhitzten sich die Liebhaber bei dieser wie bei jeder
Bersteigerung so sehr, daß das Erträgniß sich aufmehrere
tausend Gulden belief. Auch der Katzenjammer wird bei
Manchem nicht ausgeblieben sein, der die theuer erstan-
denen, bei künstlicher Beleuchtung und für solche gemalten
Bilder bei Tage betrachtete.

Theatralische Darstellungen, in welcheu die Tollheit
schon einen ziemlich hohen Grad erreichte, Musik- uud
Tanzabende reihten sich an; den Schluß- und Glanzpunkt
des Künstlerfaschings aber bildete, wie herkömmlich, der
„Gschnasball". Der Ausdruck Gschnas bedeutet iu
der Wiener Muudart Abschuitzel, Abhub, Ueberbleibsel,
und seine Anwendung in diesem Falle hat ihre Geschichte.
Vor Iahren war bei einem Künstlerfeste für des Leibes
Nahrung so reichlich gesorgt worden, daß der Gedanke
auflauchte, von dem „Gschnas" ein zweites Mahl zu ver-
anstalten, und der führte wieder zu dem weiteren Einfall,
sich auch „gschnasig" zu kostümiren. Seitdem besteht
für diese mit ziemlicher Regelmäßigkeit wiederkehrenden
Maskenseste das Gesetz, daß das Kostüm so treu wie mög-
lich iu Schnitt und Farbe, aber durchaus nicht echt im
Stvff zu sein hat. Gewöhnlich wird irgend eine Stil-
periode vorgeschrieben; wir haben autike, gothische u. s. w.
Gschnasbälle gehabt, und es ist unglaublich, wie sinn-
und phantasiereich da die schlechtesten Fetzen, die abge-
tragensten Kleider, Haus- und Küchengeräthe verwendet
werden, wie der sonst verpönte Frack sich jedem Zeitalter
anpaßt, kurz mit wie bescheidenen Mitteln die komischsten
und zugleich glänzendsten Effekte sich erzielen lassen. Für
dieses Jahr hatte „Se. Durstschlauch Fürst Gschnas der

Erste und Einzige" cinen Hoftag ausgeschrieben; nur
blaues Blut war geladen, vorzugsweise aber Potentaten,
welche in dcm Gothaischen Kalender nicht mehr oder noch
nicht aufgenommen sind und Repräsentanten ausgestor-
beuer Adelsgeschlechter. Der Plan wurde vorzüglich
auSgeführt. Schon die Dekoration des Repräsentations-
saales im Kiiustlerhause war im höchsten Grade gelungen.
Makart und Laufberger hatten Paneele im Stile Dietter-
lin's geliefert mit unerhörten Karyatiden u. dgl, m., und
die eine Querwand zeigte Landschaften von der Hand
Friedrich Sturm's, welchem man schon die unvergleichliche
Dekoration zu einer babylonischen Tragödie, die thatsäch-
lich hängenden Gärten mit dem Weltausstellungspalaste
als Thurm von Babel, verdankte. Hier hatte er ein
zopfiges Paradies gemalt. Zwischen verschnittenen Hecken
prangte ein Krapfenbaum, dessen eine Frucht Eva uoch
am Zweige angebissen hatte, Essig und Oelflasche figurirten
als Fontaine, die Zinkwellen eines Waschbretts als Bassin,
ein Doppelperspektiv krönte als Lustschloß eineu Hügel,
Regenschirme, Feuerzeuge, Hosenträger, Gebäck, Gemüse
und hundert andere Dinge waren von des Künstlers
Laune zu Elementen landschaftlicher oder architektonischer
Dekoration erhoben. Ueber dem Ganzen aber lag ein so
heiterer Glanz, daß man dem lachenden Sommerbilde
gegenüber das Moment der Karikatur ganz vergessen
konnte. Makart's Bilder waren, eiuige Uebertreibungen
abgerechnet, wirkliche Meisterstücke des Barockstils, welcher
dem Künstler unverkennbar höchst sympathisch ist; Sturm
und Laufberger hatten den wahren „Gschnas" gemalt,
diese ganz besonders lokale Art des Faschingshumors.
Beide Richtungen hatten denn auch ihre Vertretung in
dem lebenden Bilde, welches die Bewohnerschaft des Saa-
les darbot. Doch hatte Gschnas die Mehrheit. Da
wogten gekrönte oder doch hochadelige Vertreter aller
Zeiten bunt durcheinander, und ohne Ende verkündete der
Oberceremonienmeister stolze historische oder mythische
Namen vor dem Throne des Fürsten Gschnas, der im
Hermelin von Watte mit gedörrten Zwetschen seine Gäste
mit unnachahmlicher Würde und Huld begrüßte. Da
kamen König Saul mit seinem Kronprinzen David, die
drei heiligen Könige, der Erlkönig mit Kron und Schweif
(die Töchter am Gürtel tragend), der Gnomenkönig, Kar-
tenkönige, halb und ganz wilde Fürsten, Sultane, Dogen,
auch geistliche Fürsten, auonyme Könige, von denen einer,
in spanischer Tracht, ein Wanderbündel trug, während
ein zweiter sich das Modell zu einem vom dankbaren Volkc
zu errichtenden Denkmal vorsorglich nachtragen ließ, da
fehlten Baron Münchhausen, Don Rauudo de Colibrados
nicht— merkwürdigerweise aber Don Quixote: wahr-
scheinlich hatte er gesürchtet, zu vielen Kollegen zu begegnen.
Kreuzritter, Krautjunker, eine Gruppe von Spaniern,
denen die ungeheuren Radkrausen nicht erlaubten, die
Hand zum Munde zu führeu, das Gefolge Barbarossa's,
 
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