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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

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Ein Denkmal mittelalterlicher Plastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4815#0398

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Ein Denkmal mittelalterlicher Plastik.

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scinen künstlerischm Wcrth cin hohes Jnteresse in An-
spruch nimmt, das aber leider der Zerstörung anheim-
zufallen droht, wenn nicht alsbald eine schützende Hand
sich seiner annimmt. Es ist das G,rabdenkmal des
Krcuzfahrers und Miuucsängers Otto von Botcn-
lauben, Grafen von Hcnneberg, und seiner Gcmahlin
Beatrix, Nichte dcs Königs Balduiu IV. vou Jeru-
salcm, in der Kirche des von dem edlcn Paare gcstif-
teten Cisterzienscr-Nonncnklosters zu Frauenrode, drei
Stunden nördlich von Kissiugen. Zwischen der in un-
mittclbarer Nähe des berühmten Badeortes gelegenen
Burg Botenlaube, dercn Ruinen in dcn Brunnenschriften
der hicsigen Badeärzte nm Recht als einer der schönsten
Punktc dcs Kurorts zu Wanderziclen cmpfohlen werdeu,
und jener Gründung von Frauenrode besteht ein ähn-
licher poetisch-legendarischer Zusammenhang, wie er an
dem Ursprung einiger anderen Klosterstiftungen haftet
und u. A., auch von Klosterncuburg bci Wien erzählt
wird. Ein auf Schloß Botenlaube durch die Winds-
braut von Beatriceus Haupt verwchter Schleier bestimmte
den Platz, worauf das Kloster Frauenrode sich erhob,
in dessen Kirche die frommen Stifter gegen die Mitte
des 13. Jahrhundcrts ihre Ruhestätte fanden. Der
Zahn der Zeit und die Unbill der Menschen, die das
Bauwerk als wohlfeilen Steinbruch benützten, haben
das Meiste dcr Gründung hinwcggetilgt. Nur ein Theil
der ihrer Seitenschiffe beraubten romanischen, in den
Arkaden vermauerten Pfeilerbasilika mit Chor aus der
Uebergangsepoche blieb übrig, und hier, an der Süd-
wand, unmittclbar vor der Altartribuna, befindet sich
das in Rede stehende Denkmal des gefeierten Minne-
sängers und sciner Gemahlin. Es sind zwei neben-
einander befindliche Grabplatten mit den lcbensgroßen,
in kräftigem Hochrelief hervortretenden Figurcn der Ver-
storbenen. Die Mouumente sind in einer so unvollkom-
menen Weise der Mauer eingefügt, daß der gegenwär-
tigc Standort nicht wohl als der ursprüngliche gelten
kann; auch deutet die Analogie gleichzeitiger und ähnlich
behandelter Sepulkral-Denkmäler darauf hin, daß die
beiden Skulpturen als Deckplatten von Sarkophagen
gedient haben mögen, von denen jedoch keine Spur mehr
übrig ist. Ob der um fast einen Meter erhöhte Fuß-
boden der Kirche die Särge birgt, wäre der Untersuchung
werth. Die Schönheit der beiden Leichensteine überrascht
um so mehr, je weniger der Beschauer erwartet, einer
so bedeutenden plastischen Leistung in dem stillcn, von
den großen Kunststätten Frankens entlegenen Thale dcr
waldigen Rhön zu begegnen- Die Figuren sind nahezn
lebensgroß. Graf Otto erschcint im Schmuck der rit-
terlichen Dalmatika, die auf der Brust von einer Zier-
scheibe zusammengehalten wird, in deren Mitte die Um-
risse eines herzförmigen Schildcs erkennbar sind, den woht
bie heraldische Henne geziert haben mag. Das Haupt ist

unbedeckt, das volle, gelockte Haar von eincr schmalcn
Stirnbinde umgebcn. Die Arme tretcn frci aus dem
Mantel hervor. Die fehlende rechte Hand mag auf
dem Dolche geruht haben, der am Lendengürtel herab-
hängt, falls sie nicht, in Uebereinstimmung mit dem
Miniatnrbild des Grafen Otto im Manesse'schen Codex
den Pilgerstab trug, als Symbol der Wanderungen des
Sängers in den Orient. Die Linke faßt die Dalma-
tika, die in reichen Falten zn den Füßen herniederfließt,
wo einerseits ein Löwe die Stärke symbolisirt, anderer-
seits ein Schild, worauf ein Helmvisir mit Schirmhut
und zwei Pfauenschweifen, an die Draperie sich anlehnt.
Gräfin Beatrix tritt in langem, faltenvollem, ungegür-
teteni Gcwande auf. Den wallenden Mantel schmückt
anf der Schulter das Kreuz der Ritter des St. Jo-
hannes - Hospitals zu Jerusalem. Das reiche Haar,
ebenfalls von einer Stirnbinde zusammengehalten, bedeckt
ein leicht bewegter Schleier. Die rechte Hand ist gegen
die Brust erhoben, der linke Arm ist abgeschlagen. Wie
bei Otto der Löwe, so schmiegt sich bei Beatrix ein
Bracke als Sinnbild der Treue an die Gewandung an.
Der Abschluß der Figuren am Fußpunkt ist zur Zeit
nicht erkennbar, hier verlieren sich die Grabplatten jm
aufgeschütteten Boden der Kirche. Die zu Tage tretenden.
Haupttheile genügen übrigens, um dem alten Meister
den Vorzug edclster Auffassung in hohem Grade zu
sichern u»d die Stärke seines kunstgewandten Meißels
erkennen zu lassen. Die Gesichtszüge, freundlich und
doch würdevoll, haben nicht mehr den allgemeinen, un-
bestimmteren Typus der streng romanischen Epoche, sie
sind individuell, mit bildnißartig-realistischen Momenten,
wobei jenes charakteristische Lächeln nicht fehlt, das an
die Aegineten erinnert und, wie diese, das Herannahen
einer kunstreichen Zeit verkündigt. Das lockenreiche Haar
ist wohlgeordnet uud schon fast völlig frei von konven-
tioneller Behandlung. Ueber alles Lob erhaben ist aber
an beiden Figuren die Drapirung. Der Wurf der
Gewänder, das Herabfließen der breiten Falten über die
8-förmig geschwungene Linie der Körperhaltung ist von
solcher Vortrefflichkeit, daß die beiden Steinbilder in
diesem Betracht unbedingt zu den bcsten Gewandfiguren
der, Zeit gehören. Verglichen mit dcm kuusthistorischen
Thatbestand der Epoche und der örtlichen Umgebung
köunen wir nicht anders als sie einzureihen in die Zahl
der würdigsten Werke der späteren Bildhauerschule von
Bamberg, also iu jenes Entwickelungsstadium, wo diese
Schule den Zug in's Realistische annimmt, so wie er
u. A. in den Figuren des Christenthums und der Sy-
nagoge am Nordportal des Bamberger Domes zu vor-
trefflichem Ausdrucke gelangt ist. Und diese edelschönen
Werke stehen, wie gesagt, in Gefahr, der Zerstörung
anheimzufallen und sind es zum Theil schon. Die Feuch-
tigkeit des aufgeschütteten Bodens hat sie ergriffcn und
 
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