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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

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Meyer, Bruno: Zwei Trümpfe - zwei Triumphe
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https://doi.org/10.11588/diglit.4815#0403

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Zwei Trümpfe — zwei Triumphe.

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zeigen und sie gewissermaßen nach langem Verhalten
austoben zu lassen; oder ob ihn die Vorwürfe seiner
Angreifer, die Zweifel an seiner Fähigkeit nach dieser
oder jener Richtung hin geärgert, ernmdet und schließ-
lich veranlaßt haben, einmal zu zeigen, was er vermag,
und damit alle Bedenken nieder zu schlagen; — wer mag
es wissen? Vielleicht ist es ihm selbst nicht deutlich, durch
welche unbeobachteten Vorgänge in seinem Jnneren die
Stimmung seines Geistes entstanden ist, aus welchem
ein solches Werk geboren werden konnte — mußte.

Genug, das Werk ist da; und jeder, der den ersten
Schrittcn unseres Künstlers mit Zittern, vielleicht stellen-
weise mit Schaudern zugesehen, ohne doch deswegen an
seiner Zukunft zu verzweifeln, wird sich freuen, beruhigter
in die Folgezeit blicken und von ihr weitere Belehrung
über die Entwickelung eines Künstlers erwarten zu
können, der ohne Zweifel zu den bemerkenswerthesten
und genialsten der Gegenwart gehört, und der in der
Unberechenbarkeit und den überraschenden Phänomenen
seiner Entwickelung getreulich den unklaren, hastigen,
springenden, gährenden Charakter unserer Zeit wieder-
spiegelt. Dann wird auch auf jene Fragen ein Licht
fällen, und es wird möglich sein, sie mit der Sicherheit
und Schärfe zu beantworten, welche in diesen Dingen
möglich ist.

„Venedig huldigt der Caterina Cornaro", so lau-
tet der officielle Titel des Gemäldes, welches nun bald
füuf Monate im Wiener Künstlerhause ausgestellt ist.
Es zeigt — mehr oder weniger sichtbar hervortretend
— 39 lebensgroße Figuren und hat ein breit gestrecktes
Format. Rechts thront die jugendlich schöne Königin
von Cypern, umgeben von ihrem Vater nnd ihren Da-
men; in der unteren Eckc hält ihce prächtigeGondel. Von
links her, wo wir das festlich geschmückte Schiff gewah-
ren, das die Königin ihrem Lande zuführen soll, nahen
sich Männer und Weiber in buntem Gemisch, der Schei-
denden huldigend ihre Gaben darzubringen. Eine präch-
tige Architektur, an hervorragende venetianische Gebäude
anklingend, schließt die Scene ab.

Was zuerst — im Gegensatze zu den früheren Bil-
dern — freudig überrascht und sogleich für das Werk
einnimmt, ist, daß uns hier ein deutlicher, realer Vor-
gang gezeigt ivird. Die Räumlichkeit ist, so weit man
sie sieht — wo das Wasser für die Gondel herkommt,
wird nicht ganz klar —, vollkommen sicher und nachmeß-
bar durchgebildet- Die Gestalten sind so übersichtlich
und natürlich gruppirt, daß ich glaube, man würde mit
dem Experimente, den Grundriß der ganzen Komposition
zu entwerfen, kaum auf erhebliche Schwierigteiten stvßen.
Die einzelnen Figuren ferner — auch das ist bei Ma-
kart neu und erfreulich — haben ein individuelles Ge-
präge, und viele sind von wirklicher, zum Theil von
großer Schönheit — auch für denjenigen, der ganz und

gar nicht einsehen konnte, wo bei den früheren Gebilden des
Meisters daS von seinen Verehrern gepriesene Schöne
saß. Die Attituden sind mannichfaltig und anmuthig;
hervorragend in dieser Beziehung ist ein junges Mäv-
chen, das vor der Herrscherin kniet, mehr noch ein an-
deres, das niedergekanert in der Mitte des Bildes dem
Beschauer den Rücken zuwendet, und einer der Pagen,
welche auf das Fußgestelle des Flaggenmastes gestiegen sind,
um besser zu sehen. — Die Malerei ist auffallend solide,
meisterhaft, aber ohne aufdringliche Prätention. Der
blaue Himmel mit dem leichten weißen Gewölk ist von
wnnderbarer Klarheit nnd Tiefe, vollendet der Esickt der
Lichtspiegelung äuf den beiden vor demselben in verschie-
dener Stellung gehaltenen Partisanen. Auch die Farbe
des Bildes nimmt nicht bloß durch die bekannten Reiz-
mittel Makart'scher Technik ein und verdankt ihre Ein-
heit und Harmonie nicht wie gcwöhnlich zumeist der
gänzlichen Abwesenheit ganzer Farbenreihen nnd deni
gleichmachenden Luor der Fänlniß, welcher über alles
Sichtbare gebreitet ist, vielmehr ist das Fleisch fast durch-
gehcnd von natürlichem Tvn und gesunder Frische, die
Stosie von saftiger Färbung, alle Gegenstände in ihrer
wirklichen, richtigen Farbe gemalt. Auch ein sehr
intensives Blau — bekanntlich sonst Makart's Anti-
pathie — erscheint nicht bloß rein und schön am Him-
mel, sondern auch an anderen Stellen, zumal in der um-
fangreichen Draperic der Gondel, sehr zum Vortheil der
farbigen Gesammtwirkiing. Das Kostüm ist malerisch
und geschmackvoll mannichfaltig; antiquarisch will es nicht
betrachtet sein: sowohl Architektur- wie Kleiverformen
sind jünger als 1471; das ist jedoch kein Kapitalfehler.

So tritt das Ganze mit ungewöhnlicher Rundnng
und Großartigkeit vor uns; nichts Kleines oder Klein-
lichcs drängt sich störend in die Darstellung ein. Die
Massen sind trefflich abgewogen und geschickt bewegt;
die einzelnen Gruppen befriedigen nicht minder, als das
Ganze sich in geschlossener Einheit darstellt. Ungefähr
so — kann man sich vorstellen — haben die besten Bil-
der Paolo Veronese's ausgesehen, als sie frisch aus der
Werkstatt des Meisters kamen. Kann man einen modernen
Koloristen höher stellen, als vamit geschieht? Und doch
werden die Herolde des Makart'schen Ruhmes nichl da-
mit zufrieden sein, sie werden die Erkenntniß und die
Anerkennung des nie Dagewesenen in Makart darin
vermissen; aber eben hierin haben sie sich von jeher ge-
irrt. Es ist von Seiten der bedächtigen, der anf ge-
schichtlicher Basis urtheilenden Kritik immer gesagt wor-
den, und die Caterina Cornaro beweist es besonders
schlagend: das Gute an Markart ist nicht neu, und das
Neue ist — oder sch möchte seinem Neuesten gegenüber
fast schon lieber sagen: war nicht gut; nicht gut war das
anrüchige, durch keinen Bersuch künstlerischer Verklärung,
nicht eimnal durch eigene begeisterte Versenkung iu das-
 
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