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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 8.1873

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Rosenberg, Adolf: Das Siegesdenkmal zu Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4815#0413

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815

Das Siegesdenkmal zu Berlin.

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Moritz Schulz (gegossen in der Eisengießerei zu Ber-
lin) geliefert hat, können wir uns kürzer fassen. Den
Mittelpunkt des Ganzen bildet die Begegnung des Kaisers
und des Kronprinzen auf dem Schlachtfelde, jeder ist von
vier Geucralen begleitet. Gruppen von Kriegern drängen
sich jubelnd an die Heerführer heran, während links die
Schlacht in ihrcn lctzten Augenblicken tobt- Verfolgte
österreichische Reiter sinken an einer kleinen Kapelle mit
der Statue des heiligen Nepomuk zusammen. Es scheint,
als habe dcr Künstler den böhmischen Schutzpatron in
Mitleidenschaft ziehen wollen. Aber der traurige Ge-
sichtsausdruck des Heiligen wirkt eher entgegengesetzt anf
den Beschauer. Die Rettung eines Verwundeten durch
einen Krieger erinnert an ähnliche Grnppen auf griechi-
schen Reliefs mit Amazonenkämpfen, womit aber kein
Tadel ausgesprochen sein soll. Weiterhin wird die Kom-
position weniger ersreulich. Verwundete werden auf
einem Bauernwagen mit schrecklich abgetriebenen Pferden
untergebracht. Daneben spielt die Regimentsmusik, wahr-
scheinlich mit Bezug auf die mittlere Scene. Den Ab-
schluß bildet zur Linken, dem zusammenstürzendcn Oester-
reicher entsprechend, ein sterbender preußischer Krieger.
Man begegnet hier trotz mancher Mängel im Einzelnen,
die namentlich die Mittelgruppe treffen, wenigstens dem
Bestreben, eine einheitliche Komposition zu schafsen, die
von einem gemeinsamen Mittelpunkte aus nach den Seiten
zu in verschieden abgestuften und vcrschieden gestimmten
Tönen ausklingt.

Wir haben bei der Beschreibung der einzelnen Re-
liefs absichtlich die umgekehrte historische Reihenfolge ge-
wählt, um wenigstens unserer Darstellung einen be-
friedigenden Abschluß zu geben. Denn das vierte und
letzte Relief, auf den dänischen Krieg bezüglich, von
Alexander Calandrelli übertrifft die drei anderen
in so bedeutendem Maße, daß selbst dem blödesten Auge,
dem kunstverhärtetsten Gemüthe der eminente Abstand in
schlagender Weise entgcgentritt. Wir gestehen offen, daß
wir nach Calandrelli's Entwurf zum Goethedenkmal keine
größen Erwartungen von seinem Relief gehegt haben.
Wir freuen uns darum doppelt über die freudige Ueber-
raschung, die wir dem Künstler verdanken. Die gesammte
Fläche ist in zwei Theile getheilt, deren einer den Aus-
zug, der andre die hervorragendste Episode des Befrei-
ungskampfes, die Erstürmung der Düppler Schanzen dar-
stellt. An gemeinsamem Altar stehen in idealer Eintracht
links ein evangelischer Geistlicher, der den zurückbleiben-
den Verwandten der Ausziehenden den Segen ertheilt,
rechts ein katholischer Priester, welcher ein stattliches
Paar vereinigt. Denn der Bräutigam muß vom Altar
in die Schlacht. Schon ziehen die Schaaren seiner
Brüder, begleitet von dem begeisterten Jubel des Volkes,
zum blutigen Ringen hinaus, mitten unter ihnen hoch
zu Roß die populäre Gestalt des alten Wrangel. Noch

drängen sich Frauen und Kinder zum letzten Abschied an
die davonziehenden Krieger. Verschiedene Momente, deren
einer sich aus dem andcrn natürlich und ohne Zwang
entwickelt, von der entsagungsvollsten Ruhe bis zur leb-
haftesten, stürmischcn Bewegung! Noch höheres Lob
verdient der Kampf auf der Schanze, welcher das zweite
! Feld einniinmt. Nicht den Moment des endlichen Sieges
hat der Künstler mit weiser Einsicht gewählt, sondern
eingedenk der Vorschrift unseres grvßen Kunstrichters den
Moment vor der Entscheidung. Der größere Theil der
Preußen hat bereits die Schanze erstiegen, andere sind -
noch bemüht, sie mit äußerster Kraftanstrengung zu er-
klimmen. Noch steht auf der Höhe ein dänischer Offi-
zier, der mit erhobenem Revolver sich den andringendcn
Feinden entgegenwirft. Aber um ihn haben sich die
Reihen gelichtet. Todte und Verwundete decken den
Boden. Hinter ihm entspinnt sich ein verzweifelter Kampf
zwischen einem Dänen und einem Preußen, der seinen
Gegner mit eisernem Griff an der Kehle gepackt hält,
eine äußerst lebensvolle Situation von der ergreifendsten
Wahrheit. Durch das Ganze geht trotz der realistischen
Durchführung im Einzelnen ein idealer Schwung, der
die Begeisterung des Künstlers auf den Bcschauer
überträgt.

Vorgänge jüngster Vergangenheit in idealer poe-
tischer Verklärung und in einem fast idealen Gewande
der Gegenwart vorzuführen, welche jene Ereiguisse als
etwas Miterlebtes in frischer Erinnerung hält, ist gewiß
xine schwere Aufgabe für den bildenden Künstler. Wir
können aber mit vollem Rechte sagen, daß A. v-. Werner
seine Aufgabe, den Kampf und dic Einigung Deutsch-
lands in idealer Weise darzustellen, mit großeu Glücke
gelöst hat. Er hat es verstanden, Sage, Poesie und
Wirklichkeit in so harmonischer Weise zu verbinden unv
diese Harmonie so farbenprächtig zu gestalten, daß nirgends
ein Mißklang stört oder eine frostige Allegorie erkältend
in den Kreis der Gestalten tritt.

Hoch am Ufer des Rheins steht die Figur der Ger-
mania. Noch schmückt der Kranz des Friedens ihre
Locken, aber ihre HLnde greifen schon nach Helm, Schwert
und Schild. Riesen reichen ihr aus der Tiefe die alten
Waffen zur Abwehr entgegen. Ueber ihr schwebt Borussia
kampferprobt und kämpfgerüstet, Württemberg und Bayern
eilen als willkommene Bundesgenossinnen herbei. Wenn
auch unschuldige Kinder noch im Kornfeld zu den Füßen
der Germania spielen, so braust schon vom Rhein her
das Ungewitter herbei. Der Jmperator, umflattert von
der Tricolore, die Frankreich über seinem Haupte schwingt,
steht im stolzen Siegesbewußtsein mitten unter seinen
kampflustigen Schaaren. Seine fahle Blässe kontrastirt
wirksam mit der Lebensfrische und dem freudigen Muth,
der aus dcr Mitte der heranströmenden Deutschcn den
Feinden gleichsam entgegensprüht. Die Reitergestalt des
 
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