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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 18.1883

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Rosenberg, Adolf: Die Wilberg-Ausstellung in der Berliner Nationalgalerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.5806#0004

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Die Wilberg-Ausstellung in der Berliner Nationalgalerie.

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lehrreich für den Eifer nnd die Gewisscnhastigkcit, mit
welcher sich Wilberg an die Arbcit machte. Für die
rvinische Epoche hatte cr das Ainphitheater in Pola ge-
wählt, für das frühe Mittelalter den byzantinisch-
romanischen Stil, die merkwürdigen Bauten in Ra-
venna. Zu einer definitiven Wahl hatte er sich noch nicht
entschlossen. Wir finden San Vitale, San Apollinare
in Classe und das Grabmal des Theodorich auf ver-
schiedenen Studien nnd Skizzen, die sämtlich nach der
Natur aufgenommen sind. Wilberg verschmcihte die
Eselsbrücke der Photographie. Erst wenn er seinen
richtigen Standpunkt gefunden und cine Aufnahme mit
pcinlichster Treue in Bleistift gemacht hatte, nahm er
die Photographie zu Hilfe oder er ließ erst eine solche
anfertigen, um die Richtigkeit seincr Anfnahme zu
kontrollircn nnd etwaige Sehsehler zu verbessern. Eine
Bleististzeichnung nach dem Turme des Freiburger
Münsters, welchen er als Repräsentanten der gotischen
Epoche gewählt hatte, zeigt uns, mit welcher Genauig-
keit er die kranse Ornamentik der durchbrochenen Pyra-
mide festzuhalten imstande war. Für die romanische
Epvche hatte er den Doni von Speher, für die der
Renaissance St. Peter gewählt — St. Peter, dessen
stolzc Silhonette und architektonische Details er sich
unauslvschlich sest in das Gedächtnis eingegraben hatte,
weil er ihn von allen Seiten, vvn denen man über-
haupt eine Ansicht gewinnen kann, aufgenvinmen nnd
zu Bildern verwertet.

Rom und Venedig waren seine Lieblingsplätze, zu
welchen er immer wieder zurückkehrte. Aus dem Stu-
dinm der antiken Trümmcrstätten entwickelte seine Phan-
tasie jene geistvollen Rekonstruktionen altrvmischer Bau-
werke in landschaftlicher Umgebung, mit welchen er
das Cafü Bauer und die Hvfe und Säle mehrerer
Privathäuser in Berlin geschmückt hat. Aber er ver-
stand nicht nur die äußeren Linien der Architektur mit
archäologischcr Treue festzuhalten, sondern auch die
inncren Ränmlichkeiten von Kirchen und Palästen mit
jener Birtuosität in der Charakteristik des Stofflichen
wiederzugeben, welche den Vergleich mit Alma Tadema
nicht zu scheuen braucht. Für die Marmorsäulen, die
Bronzekapitäle, Gemälde und Statuen, das Mosaik-
pflaster, die leuchtenden Goldmosaiken der Markns-
kirche, den Altarschmuck, die Sammet- und Scidenstoffe
der Mvbel und Portitzren — für alles hatte er einen
präzisen malerischcn Ausdruck gefunden, der keinen
Zweisel über den Charakter eines Stoffes aufkommen
ließ. Diese Peinlichkeit in der Detailausführung über-
rascht um so mehr, wenn man sich den LebenS- und
Bildungsgang des Künstlers vergegcnwärtigt. Wir
haben unmittelbar nach seinem Tode in diesen Blättern
(Nr. 35, S. 560 des vor. Äahrgangs) die Hauptzüge
seiner Biographie mitgeteilt. Dieselbe verlangt noch

insofern cine Vervollständigung, als darin seine Ju-
gend- und Lehrjahre übergangen waren. Wilbergs
Vater war ein Stnbenmaler, welcher der früh sich
äußernden künstlerischen Neigung des Sohnes nicht ein-
mal so weit entgegen kam, daß er ihn sein eigenes
Handwerk lernen licß, er gab ihn vielmehr zu einem
Maurer in die Lehre. Erst nach dem Tode seines
Vaters konnte sich Wilberg diesem Joche entziehen und
wenigstens Stubenmaler werden, in welcher Eigenschaft
er bis zu seinem zweiundzwanzigsten Jahre in seiner
Vaterstadt Havelberg arbeitete. 1861 kam er nach
Berlin, wv ihm noch neun Jahre unsichercn Nmher-
tastens bcvorstanden, ehe er auf sein Zicl gerade los-
gehen konnte. An künstlerischer Anleitung fehlte es ihm
nicht. Zuerst nahm sich der Maler Otto Weber seiner
an, dann trat er in das Atelier des Landschaftsmalers
Eduard Pape ein, welches er nach anderthalb Jahren
auf dessen Rat mit demjenigen von Paul Gropius
vertauschte. Er wollte also Dekorationsmaler werden.
Doch legte er hier bereits den Grund zu seinen um-
fassenden Kenntnissen in der Architektur und derPerspek-
tive, die er sich ohne Anleitung aus eigene Hand erwarb.
Aus den Jahren 1868 und 1869 stammen seine ersten
selbständigen Arbeiten: ein Entwnrf zu einem silbernen
Tintenfaß, landschaftliche Entwürfe für die Krollsche
Weihnachtsausstellung und Motive aus der Umgegend
von Havelberg. Jm Jahre 1870 ging Wilberg nach
Düsseldorf zu Oswald Achenbach, und damit trat die
entscheidende Wendung in seinem Leben ein, welche ihn
endlich der Kunst ganz zuführte. Eine Stndienreise
durch Deutschland, hauptsächlich nach Hamburg, im
Jahre 1871 unternommen, war die Borbereitung zu
der großen Reise nach Jtalien, wo er einen zweijähri-
gen Aufenthalt nahm. Die Früchte desselben, welche
er 1874 im Berliner Künstlervereine ausstellte, fanden
einc so sreundlichc Ausnahme, daß er sich entschloß,
in Berlin seinen danernden Aufenthalt zu nehmen,
welchen er nur durch seine Studienreisen unterbrach.

Wollte man Wilberg nur als Architekturmaler
und Maler der italienischen Landschast ins Auge fassen,
so würde man ein einseitiges Bild seiner künstlerischen
Persönlichkeit gewinnen. Die Gesamtausstellung seiner
Werke giebt nns über seine Bielseitigkeit überraschende
Ansschlüsse. Sic lehrt uns, daß Wilberg ebensowvhl
ein treuer Sohn seines Vaterlandes war, daß er die
Seele der deutschen Landschaft in ihrer ganzen Tiefe
zu erfassen und zu ergründen wußte. Eine Partie ans
dem Jlsethale kann sich an Tiefe der Empfindung und
an Jnnigkeit und Wahrheit der Anffassung mit den
stolzestcn und farbigsten seiner italienischen Landschaften
messen. Aus Vollratsruh am Rhein hat er eine ganze
Reihe köstlicher Motive geschvpft, welche beweisen, daß
er nicht prachtvoller Baudenkmäler bedurfte, um seine
 
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