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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 18.1883

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Rosenberg, Adolf: Ausstellung japanischer Malereien im Berliner Kunstgewerbemuseum, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5806#0028

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Äusstellung japanischer Nalereien im Berliner Kunstgswerbsinuseum.

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deshalb ein Querformat haben, d. h. die auf einen ob-
longen, in die Breite gehenden Papierstreifen gemalt
sind, die andere, Kaki mono, bezeichnet die Gemälde
von schmalem Längsformat, welche an den Wänden
aufgehängt wurden. Die Technik hat sich heute im
großen und ganzen noch so erhalten, wie sie vor 1000
und mehr Jahren geübt wnrde. Man malt in Japan
ausschließlich in Wasserfarben, die mit Hausenblase ge-
bunden sind, auf Papier. Die Pinsel, deren sich die
Maler bedienen, müssen von außerordentlicher Feinheit
sein, da die Detailausführung meist geradezu an das
Wunderbare grenzt. Die Stilprinzipien der japani-
schen Malerei sind so bekannt, daß wir hier nicht näher
aus dieselben einzugehen brauchen. Eine Luftperspektive,
Licht und Schatten, Stimmung und Kolorit in unserem
Sinne kennen sie gar nicht. Nur die Lokalfarben exi-
stiren für sie. Die älteren Maler gingen sogar so weit,
auf die Andeutung des Terrains zu verzichten, sv daß
man namentlich bei der Darstellung von Schlachten
nicht weiß, ob jemand in der Luft schwebt oder auf
der Erde liegt. Jn ihren engen Grenzen, in ihren
naiven Kunstanschauungen und mit ihren geringen
Mitteln bewegen sie sich aber mit einer Virtuosität,
daß man sich an ihren Produkten nicbt satt sehen
kann.

Jm Augenblicke, da wir diese Zeilen schreiben,
ist der Katalog nvch nicht erschienen, welcher uns in-
teressante Ausschlüsse über die Geschichte der Malerei
in Japan verheißt, die bisher in Europa sv gnt wie
unbekannt war. Nur einige Artikel in französischen
und amerikanischen Zeitschriften haben nns flllchtig über
einige hervorragende Künstler, namentlich über den
Resormator der japanischen Malerei in unserem Jahr-
hundert, Ho-ku-sai, orientirt. Ein zusammenhängen-
des, systematisches Stndium kann erst auf Grund der
Gierke'schen Sammlung beginnen, von der wir nur
wünschen können, daß sie für immer in den Besitz des
Kunstgewerbemuseums übergehe. Ho-ku-sa'i soll der
erste gewesen sein, welcher niit dem chinesischen Kanon
brach, der bis dahin seit uralten Zeiten die Fornien-
sprache der japanischen Künstler beherrscht hatte und
in seinen geistvvllen Zeichnungen sich eng an die Natur
anschloß.

Die älteste der in Japan existirenden Malereien ist
in der Gierke'schen Sammluug durch eine Kopie ver-
treten. Es ist das natürlich nicht individualisirte Por-
trät des Prinzen Shotoku Daijin, vvn zwei Pagen
umgeben, und soll von dem Maler Asa Daijin, einem
koreanischen Prinzen, um das Jahr 600 n. Chr. ge-
malt worden sein. Es folgt der Zeit nach ein Bild
des Feuergottes Fudo aus dem g. Jahrhundert Vvn
Chio Daijin, vvn welchem nur dieses cine Bild übrig
geblieben sein soll, und alsdann ein Bild des Buddha

aus dem 11. Jahrhundert, welcher mit seinem Hei-
ligenschein und in seinem ganzen Habitus eine merk-
würdige Ahnlichkeit mit spätbyzantinischen und alt-
russischen Heiligenbildern besitzt. Der Maler heißt Ka-
suga Motomithu. Jm 12. Jahrhundert lebte ein be-
rühmter Schlachtenmaler, namens Kivmori, welcher
die Kämpfe der Genji und Heike, ein Seitenstück zu
den Kämpfen der weißen und roten Rose, in meter-
langen Malereien mit einer Anschaulichkeit nnd Leben-
digkeit geschildert hat, die sich nur durch den llmstand
erklären, daß der Maler nicht nur diese Kämpfe mit
durchgekämpft hat, sondern daß derselbe zugleich ein aus-
gezeichneter Stratege war, der manche Schlacht selbst ge-
leitet hat. Die japanischen Heldenlieder sollen nach den
Versicherungen derer, welche in die rätselvollen Geheim-
nisse der japanischen Schrift eingedrungen sind, präch-
tige, glühende Schilderungen dieser Kämpfe enthalten,
aus welchen schließlich die Verfassung des Mikado und
Taikun hervorging. So haben auch die Japaner ihre
Jlias und ihren Polygnot gehabt. Aus dem 15. Jahr-
hundert sind die Göttersiguren von Setshiu bemer-
kenswert. Das 16. Jahrhundert scheint auch für die
japanische Malerei eine Art Renaissance heraufgeführt
zu haben, da in dieser Zeit die pathetischen Darstel-
lungen mehr der Genremalerei im engern Anschluß an
die Natur Platz machen. Um diese Zeit lebte ein un-
bekannter Maler aus dem Kano-Hause, welcher in
lebensvollen und gut beobachteten Genrebildern ver-
schiedene Gewerbe, wie Schirmmacher, Maurer, Schnei-
der, Fischer darstellte. Aus demselben Jahrhundert
stammen zwei große sechsblätterige Wandschirme von
Kano Motonobu, auf welchen Las Einfangen junger
Pferde durch eine Unmasse von Figuren dargestellt ist.
Der berllhmteste Maler des 17. Jahrhunderts war
Hishikawa Morvnobu, welcher sich besonders als Sitten-
maler auszeichnete und durch ein Paar vvrtreffliche
Stücke, Bootsfahrt einer vornehmen Gesellschaft und
Hochzeitsreise eines Fllrsten, vertreten ist. Der be-
rühmteste Maler unseres Jahrhunderts war der schon
erwähnte Hv-ku-sal, welcher seine Kunst dadurch populär
gemacht hat, daß er seine Malereien durch den Holz-
schnitt reproduziren ließ.

Jm Augenblicke, wo ich diesen orientirenden Ar-
tikel abschloß, wurde der von Prof. Gierke verfaßte
Katalog ausgegeben. An der Hand desselben werde
ich Gelegenheit haben, noch einmal auf diese unge-
wöhnlich interessante Ausstellung znrückzukommen.

Äd»lf Rosenberg.
 
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