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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 18.1883

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Rosenberg, Adolf: Die Hamiltonschen Manuscripte im Berliner Kupferstichkabinet, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5806#0122

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Die Hamiltonschen Manuscripte im Berliner Kupferstichkabinet.

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ebenfalls in Florenz thätig war. Ein fnr diesen
König ausgemaltes Missale zeigt außer dem Namen
des Malers Xotg,v8nti8 äs Xot8vgntil>n8 die Jahres-
zahlen 1485 und 1487. Damals wird also dieser
Kiinstler schon eines gewissen Rufes erfreut haben.
Sein Stil war natürlich von den großen Malern
seiner Zeit beeinflußt und demgemäß auch spezifisch
florcntinisch, wie denn auch Ghirlandajo unter dcnen
genannt wird, mit deren Stil derjenige Attavante's
gewisse Bernhrungspunkte hat. Das erste jener drei
Prachtstücke aber, cin siir den Kardinal Giulio von
Medici geschriebenes Meßbuch, trägt nicht nur alle
charakteristischen Stileigentümlichkeiten der Mailänder
Schule, namentlich in den landschaftlichen Teilen so
deutlich an sich, daß man es sogar dem Antonio da
Monza zuzuschreiben geneigt ist, sondern die Jahres-
zahl 1520 spricht auch gegen die Autorschaft Atta-
vante's, zumal die figiirlichen wie die ornamentalen
Kompositionen aus einen Meister hinweisen, der sich
auf der Höhe seiner Kraft befunden haben muß.
Wenn Attavante wirklich noch im Jahre 1520 gelebt
und zugleich die Kraft besessen hat, ein Werk auszu-
schmücken, in welchem man 32 figürliche Kompositio-
nen, unter ihnen eine Anbetung der Könige, eine
Kreuzigung, eine Messe des hl. Gregor, 28 die ganzen
Blätter nmschließende Einfassungen, 38 große Jnitialen
mit Figuren und 3100 kleinere zählt, so würde sich
wenigstens nvch eine Spur von Anklang an den floren-
tinischen Stil finden, in dessen Formensprache Atta-
vante aufgewachsen ist. Jn Len ornamentalen Kom-
positionen, den auf Goldgrund gemalten Jnitialen und
den Bordllren, in welche Kameen, Gemmen, Münzen,
Perlen, ELelsteine, Vögel, phantastische Menschen- und
Tiergestalten mit seinstem Gefllhl für die Gesetze der
Flächendekoration hineinkomponirt sind, giebt sich der
Farbensinn, der Formenadel, die Phantasie und der
Geschmack eines Malers kund, der sich mitten im vollen
Strome der voll entwickelten Renaissance bewegte. Jn
die Bordüren sind überall sehr sinnreich die Embleme
und Wappen der Mediceer verwebt: die von einem
Ringe mit der Devise Leinpsr umschlossenen drei
Federn und das Kugelwappen deuten auf den Besitzer,
den nachmaligen Papst Clemens VII., hin, und zum
Übersluß findet sich allerorten auf Schildern der Name
des Kardinals, allein oder mit dem Zusatz: llirlius
Oaräinnlis ins liori ksoit in nrbs. Am Schlusse des
Werkes liest man endlich die Jnschrift: Ksäonto I-sons
X. ?ont. Itlnxiino Imäonions Viosntinns soribsbnt
Roinas L.n. 8sl. UOXX- War dem Schreiöer gestattet,
seinen Namen zu nennen, so würde es auch Attavante
haben thnn dürfen, zumal La er es sonst, wic wir aus
einer ganzen Reihe seiner Werke wissen, nicht zu thun
versäumt hat. Ein Teil der Gründe, welche hier

gegen die Autorschaft Attavante's sprechen, gilt auch
in Bezug auf die zweite jener drei Arbeiten, eine
?rg.spnrs.tic> aä Nissam (Vorbereitnng zur Messe),
welche für Papst Leo X. nnd zwar laut Jnschrift
ebenfalls 1520 geschrieben worden ist. Dieses Buch
kann sich mit jenem Missale weder an Reich-
tum der bildlichen Ansschmückung, noch an künstleri-
scheni Werte meffen. Jn der Zeichnnng der Figuren
nnd in der Charakteristik der Köpfe macht sich
etwas Handwerksmäßiges breit. Es fehlt den Köp-
fen an tieferem Ausdruck, den Gliedern an Gelenkig-
keit und Beweglichkeit. Das figurenreiche Titelblatt
stellt den Papst aus seinem Throne sitzend dar, um-
geben von einer großen Zahl von Geistlichen, aus
deren Mitte ihm ein Paar goldener Schuhe überreicht
wird. Lebendiger waltet die Phantasie des Künstlers
in den Bvrdüren, die mit Vögeln und andern Tieren
belebt sind. Eine besondere Vorliebe zeigt der Künst-
ler für Affen, die häufig wiederkehren, einmal sogar
als Musikanten. Ein anderes Mal ist ein Kampf
zweier Satyrn dargestellt. Auch sind die Rand-
leisten m it 29 Brustbildern des Papstes in ver-
schiedenen Gewändern verziert. Sollte dieses Werk
in der That von Attavante herrühren, so würde er
nicht das Lob verdienen, welches ihm Vasari spendet.
Der Autor dieser kr8.sxarg.tio aä niis88in reicht
weder an Len des Meßbuchs für Julius von Medici,
noch an den des drittcn Werkes heran, eine für den
Kvnig Ferdinand I. von Neapel (1458—1494) mit höch-
ster Sorgfalt gefertigte Horazhandschrift, deren Titel-
blatt eine herrliche Renaissancebordüre mit Perlen,
Kameen, Gemmen, Nachbildungen von Münzen, Edel-
steinen u. dgl. zeigt. Ein großes Jnitial umschließt
die drei Grazien. Die Umriffe sind streng, und in
der Modellirung zeigt sich noch eine gewiffe Härte;
in der Kolorirung bekundet sich aber ein reich ent-
wickeltes Farbengefühl, llber welches der Autor der
krasxaratio aä niissain nicht in gleichem Grade ver-
fügt. Das englische Verzeichnis, welches als Katalog
für die beabsichtigte Versteigerung dienen sollte, schreibt
noch ein weiteres Werk, eine Handschrift der Briefe
des hl. Hieronymus, dem Attavante zu. Aber das
Titelblatt dieser Handschrift, welches den Heiligen in
seinem roten Kardinalskleide in einer stolzen Renais-
sancehalle thronend darstellt und vor ihm eine An-
zahl Geistlicher, vermutlich seine Kommentatoren,
weist unverkennbar auf die Schule von Verona hin.
Die Ausführung der figürlichen Darstellung sowohl
wie der köstlichen, ebenfalls mit Perlen, Edelsteinen
und Kameen geschmllckten Umrahmung ist so meister-
haft, das Kvlorit so kräftig und harmonisch, daß man
geneigt ist, an das Hanpt der Veroneser Miniatoren,
an Liberale da Berona selbst, zu denken. Es liegt in
 
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