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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 18.1883

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Schönfeld, Paul: Litteratische Reflexe der Raffaelfeier in Italien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5806#0264

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Litterarische Reflexe der Raffaelfeier in Jtalien.

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plätzen und rhetorischer Deklamation; von Ausländern
hat Morris-Moore fnn. eine vierzeilige Strophe bei-
gesteuert, die infolge übertriebener Kourtoisie den Ehren-
platz erhalten hat; an zweiter Stelle wird einem
Rumänen das Wort vergönnt, um in den Lauten
seines Stammes die „Nnäonng. vslsis^ zu preisen.
Die Rede des Präsidenten der Gesellschaft, des Fürsten
Baldassare Odesealchi, die den zweiten Bestandteil des
Heftes bildet, versucht in allgemein gehaltenen Um-
rissen eine Charakteristik Raffaels, der hier im Gegen-
satz zn jenen „einincnt individuellen Genies wie Michel-
angelo und Wagner, dic bci ihrcm ersten Auftreten
sich sofort von der Mode ihrer Zeit entfernen und
ihr einen völlig neuen Charakter aufprägen," als ein
Künstler bezeichnet wird, der seine Ausdrucksweise nach
seiner Umgebung modifizire und ähnlich dem Prisma
die Strahlen des Lichtes anziehe und mit blendenden
Farben reflektire. Sehr zeitgemäß und beherzigenswert
ist die am Schlnsse ausgesprochene Mahnung an die
heutigen Künstter Jtaliens — deren ja so viele in
Raffael einen Menschen, der nicht „malen" konnte, be-
dauern — Naffael nachzustreben, nicht sklavisch, sondern
im Geiste der eigenen Zeit und nach eigener Empfindung
schaffend, und nicht in ihrem vielgepriesenen vsrismo —
man möchte sagen Lola'iswo — ausschließlich an den
Nachtseiten des Lebens zu haften, sondern die Grazien,
die Raffaels Werke weihten, wieder Einkehr halten zu
lassen.

Vom Komitö der öffentlichen Festlichkeiten ward
eine reich itlustrirte Festschrift großen Formats heraus-
gegeben (disl osntsnario äi Ralcknsllo äa CrUino a'
cll 28 äi Uar^o äsl 1883. koma, ooi tipi äslln
stLmxsria äsl Lsnato), deren Ertrag für ein in Rom
zu errichtendes Raffaeldenkmal bestimmt ist. Der
Jnhalt dieser Publikation ist in der Weise gruppirt,
daß das Ganze durch den bekannten Passus aus
Vasari's Raffaelbiographie („0 kslivs s bsnta anima"
sts.) eingeleitet wird, woran sich die Rede des Sekre-
tärs der Accademia di S. Luca, des Commendatore
Quirino Leoni, anschließt, die in Gegenwart der ita-
lienischen Majestäten im großen Rathaussaale auf dem
Kapitol gehalten wurde. Auch diese Rede ist mehr
ein Beispiel für das gsnns ornats st slsFnntsr äi-
esnäi, das ja bei den Jtalienern auf Grund natür-
licher Begabung in hoher Entwickelung steht, als eine
auf den Gegenstand eingehende, dem Hörer sachlich
etwas bictende Arbeit, die sich weit mehr über Raffaels
Zeitalter im allgemeinen, als über den Künstler und
seine Werke verbreitet. Recht unangenehm ist übrigens,
gewiß für Leser jeder Parteistellung, das Haschen nach
Gelegenheiten, um der monarchischen Regierungsform —
die doch mit dem Gegenstande wenig zu thun hat —
ü tcmt prix Huldigungen darznbringen; nicht sowohl

patriotisch als vielmehr byzantinisch wirkt besonders
die forcirte Schlußwendung, in der der Redner mit
dem Aufgebot all seiner Phantasie ausmalt, wie bei
Bestattung Viktvr Emanuels auch Raffaels Geist auf
der Schwelle des Pantheons sich verehrend nieder-
geworfen und vielleicht sich die Lebenskraft zurück-
gewünscht habe, in der er einstmals seine Disputa ge-
schaffen, „in der Erwägung, wie leicht er, beinahe mit
derselben Kvmposition (sio), eine Apotheose des großen
Königs hätte geben können" — eine Jdee, die dann
im einzclnen ebcnso sinnreich weiter durchgeführt wird. —
Es solgen darauf u. a. kleine Beiträge von Ferdinand
Gregorovius und Ersilia Caetani Lovatelli, Ehrenmit-
gliedern der Accademia di S. Luca, und von Enrico
Panzacchi, alsdann eine Kanzone von Tullio Massa-
rani, der man das Zeugnis nicht versagen kann, daß
sie in schwungvoller Form der Würde und Bedeutung
ihres Gegenstandes gerecht zu werden strebt. Von
Giuseppe Cugnoni verfaßt ist eine Abhandlung über
Raffaels Galatea, welche Deutung gcgenllber der Be-
zeichnung „Venus" hier verteidigt wird. Weiterhin
begegnet man dem bekannten lateinischen Epigramm
Ariosts auf Raffael nebst einer italienischen Übersetzung
von D. Gnoli, zwei Briefen des KünstlerS an seinen
Oheim Simone Ciarla, die freilich schon von Guattani
und Pungileoni veröffentlicht waren, und endlich den
Dokumenten zur Geschichte der Wiederauffindung von
Raffaels Gebeinen im Jahre 1833.

An Jllustrationen, meist in Lichtdruck hergestellt
und zwar im Atelier Danesi, bringt das Heft als
Titelblatt Raffaels. Porträt in den Ufsizien, ferner den
Karton der Schule von Athen in der Ambrosiana,
den s.1 krssoo gemalten Putto in der Galerie dcr
Accademia di S. Luca, Raffaels Geburtshaus und sein
Grabmal im Pantheon, sein Skelett nach der Original-
aufnahme von Camuccini, seinen Schädel und seine
rechte Hand nach dem Gipsabguß, sowie die Urne mit
Bembo's berühmtem Epigramme.

Eine der hohen Bedeutung der Feier auch nur
annähernd entsprechende litterarische Leistung hat Jtalien
also, wie man aus vorstehenden Andeutungen sieht,
nicht aufzuweisen. Jn periodischen Zeitschriften sind
verhältnismäßig nur wenige Artikel zu unserer Kennt-
nis gelangt, die sich aus Anlaß der nationalen Festes
mit Raffael beschästigen, und das Wenige ist keines-
wegs der Art, daß es die Begierde nach mehr zu
erregen vermöchte. Meist Sachen für das große Publi-
kum: Raffaels Liebesverhältnisse, Raffaels Haus (Oo-
insnios Istksrsris vom 25. März) oder feuilletonistische
Betrachtungen über Raffael als Gelehrter, Archäolog
und Patriot, sein Testament u. dergl. — Das Unglaub-
lichste an unfreiwilliger Komik leistet eine Parallele
zwischen Raffael nnd Albrecht Dürer (Usllkulls äslls.
 
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