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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 18.1883

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Rosenberg, Adolf: Die Kunst auf der Berliner Hygieneausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5806#0280

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555

Die Kunst auf der Berliner Hygieneausstellung.

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Da kann man nur zufrieden sein, daß sich die
Erbauer des Hauptgebäudes, die Bauräthe Kyll-
mann und Heyden, bei der Anwendung deutscher
Renaissanceformen großer Mäßigkeit befleißigt haben,
ohne gerade in Nüchternheit zu verfallen. Die Auf-
gabe, welche sie zu lösen hatten, war eine ungemein
schwierige, ja, wenn man den strengsten Maßstab der
Kritik anlegt, sogar aussichtslose. Das Brandun-
glück des vorigen Jahres hatte die Errichtnng eines
feuersicheren Ausstellungsgebändes zur Notwendig-
keit gemacht. Da das Terrain der Ausstellung von
der Staatsregierung dem Komitö nur für das Jahr
1883 überlassen war, konnte an die Aufführung eines
durch und durch massiven Gebäudes aus Stein-
mnterial nicht gedacht werden, sondern man sah sich
genötigt, zu einer Eisenkonstruktion in Verbindung
mit Glasdeckung zu greifen, um das Gebäude trans-
portabel zu machen. Zu diesem Zwecke wurde eine
Konkurrenz an 20 deutsche Firmen ausgeschrieben,
deren Ergebnis war, daß der Entwurf der Jnge-
nieure vr. Prötl und Scharowsky in Dresden zur
Ausführung angenommen wnrde. Demselben ist nicht
das Prinzip durchgehender Hallenbauten, welches bis-
her am meisten Ublich gewesen war, sondern das-
jenige selbständig nebeneinander gesetzter Einzelsysteme
zu Grunde gelegt. Es war nun die Aufgabe der
Herren Kyllmann und Heyden, diesen Entwurf archi-
tektonisch so durchzuarbeiten, daß er einen künstlerischen
Charakter erhielt. Ein Fingerzeig war dcn Architekten
durch die Bauten der Stadtbahnhöfe geboten. Auch
an diesen, meist sehr imposanten und mit solider Technik
durchgesührten Konstruktionen war der Versuch ge-
macht worden, Mauerwerk niit deutschen Renaissance-
formen, Eisenkonstruktion und Glasverdachung zu einem
einheitlichen Ganzen zu vorschmelzen. Schon vor fast
vierzig Jahren hatte Carl Bötticher in einer Schinkel-
festrede auf das Eisen anfmerksam gemacht, dessen
deckenbildende Kraft ihm die Keime eines neuen Bau-
stils zu enthalten schien. Bei unseren großen Bahn-
hosshallen und Ausstellungsbauten ist diese Kraft in
einem bisher ungekannten Maßstabe zur Ausbeutung
gekommen. Es ist aber nach einer verhältnismäßig
erst kurzen Zeit der Erfahrnngen nicht zu erwarten,
daß man bereits auch zu einer organischen Verbindung
des Mauerwerkes mit dem Eisengerippe gelangt sein
sollte. Vvrerst trägt das Mauerwerk noch den Cha-
rakter der Basis, der Substruktion für die Eisenwölbung,
und dieser Charakter läßt sich auch in dem Gebäude
der Hygiene-Ausstellung nicht verkennen, wenngleich es
den Architekten gelungen ist, denselben möglichst zu
verdecken und durch dekorative Mittel eine äußerliche
Einheit herbeizuführen.

Der Palast crhebt sich anf einer Grundstäche Vvn

11 500 Quadratmeter und besteht aus 25, von Kup-
peln überhöhten Einzelsystemen, welche zu einer qua-
dratischen Gruppe vereinigt sind. An diese 25 Systeme
schließen sich in der HauPtachse noch drei weitere Systeme
hintereinander an, deren mittleres durch zwei pvlygone
Hallenarme mit den Ecksystemen des Hauptquadrats
verbunden ist. Jn dem letzten Systeme der also ver-
längerten Hauptachse befindet sich das Hertelsche Pano-
rama. Die äußere Umfassungsmnuer des Hauptge-
bäudes, welche also für den Eisen- und Glasbau eine
Art Substruktion bildet, ist in Rohbau ausgeführt,
mit Gurten, die in Zement aufgeputzt sind. Sie ist
4 Meter hoch und wird von Portalen und Fenstern
unterbrochen, deren Bögen, Gesimse, Bekrönungen und
Spitzsäulen ini Stile der deutfchen Renaissance eben-
falls in Zement ausgeführt sind. Darüber erhebt sich
die 5,7 Meter hohe Fenster- oder richtiger Glaswand,
deren Eisengerippe durch seine hvrizontalen und verti-
kalen Gliederungen sehr glücklich mit den aufstreben-
den Pfeilern der Portale und den horizontalen Gurten
harmonirt. Durch diese Fensterwand wird dnrchweg
eine seitliche Beleuchtung gewonnen, während außer-
dem jedes System noch durch die 2 Meter hohen senk-
rechten Wände des oberen kuppelartigen Aufbaues hohes
Oberlicht erhält. Die Beleuchtung ist so reich, daß
wir nicht anstehen, diesen Glaspalast auch als Kunst-
Ausstellungsgebäude zu empfehlen, zumal das Jnnere
fiir diesen speziellen Zweck, dank den getrennten Sy-
stemen, nach Belieben umgestaltet und die Lichtzusuhr
ebenfalls nach Bedllrfnis regulirt werden kann. Das
Mittelsystem der Hauptsront ist durch einen mächtigen
Kuppelbau ausgezeichnet worden, welcher dem Gebäude
einen nionumentalen Charakter verleiht.

Das Hertelsche Panorania von Bad Gastein nnd
seiner Umgebung ist zum Ersatz sür das verbrannte der
römischen Campagna von Wilbcrg geschaffen worden.
Die Kunst der Panoramenmalerei hat sich in den letzten
Jahren nach dcm großen Kriege, in Deutschland ivie
in Frankreich, so sehr vervollkommnet und künstlerisch
veredelt, daß man nicht mehr von bloßer Veduten-
und Dekorationsmalerei reden darf, zumal hüben und
drüben Künstler ersten Ranges diesem Zweige der
Malerei ihre Kräfte geliehen haben. Albert Hertel, der
ausgezeichnete Landschaftsmaler, ist hinter keinem seiner
Bvrgänger zurückgeblieben. Er hat sie sogar noch an
Kraft und Wahrheit der Darstellung, an Einheitlich-
keit der Stimmung und an Harmonie des Tones über-
troffen, weil seine Aufgabe ihm die Erreichung ciner
vollkommen geschlossenen, bildmäßigen Wirknng in weit
höherem Grade gestattete, als den Schöpfern der grvßen
Schlachtenpanoramen, welche sich ihr Rundbild erst
zusammenkomponiren mußten. Hertels Werk ist kein
Panvrama im eigentlichen Sinne, sondern es besteht
 
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