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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Gefährdete Kunstwerke, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6190#0020

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Gefährdete Kunstwerke

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der Bildung — ein »Besitztum der ganzen Mensch-
heit«, wie Sie bemerken — umschließt, in die größte
Festung der Erde umzuwandeln beschloß, wäre es
vielleicht angezeigt gewesen, wenn die gelehrten
Körperschaften Englands sich an die Spitze eines Pro-
testes der gelehrten Welt gegen dies kulturfeindliche
Unternehmen gestellt hätten. Es ist indessen so wenig
damals von einem Proteste der Wissenschaft zugunsten
von Paris etwas zu hören gewesen, wie sich die
Stimme der »Royal Irish Academy« erhoben hat, als
Rom, das doch nicht minder wertvolle, unersetzliche
Schätze der gelehrten Bildung und Kunst in sich
schließt als Paris, 1849 von den Franzosen unter
Oudinot ... mit Waffengewalt genommen wurde.
Ja, selbst als die eigenen Truppen Ihrer Großbritan-
nischen Majestät die Aufständischen ... in Delhi
belagerten, hat sich in England kein Protest ver-
nehmen lassen, um die an Monumenten alter Kultur
reiche Stadt vor dem englischen Belagerungsgeschütz
zu bewahren . . .«

Daß dagegen von deutscher Seite alles geschieht,
um den bedeutendsten Kunstwerken jeden möglichen
Schutz angedeihen zu lassen, geht aus vielen Ver-
öffentlichungen hervor. Wir geben hier nur eine
offizielle Meldung von deutscher Seite wieder, die
sich mit der Schonung der Kunstdenkmäler in Ant-
werpen und Mecheln beschäftigt.

»Bei dem Kampfe um Mecheln hatte die schwere
Artillerie des deutschen Heeres den ausdrücklichen
Befehl erhalten, nicht auf die Stadt zu schießen, da-
mit die Kathedrale geschont werde. Die Belgier
selbst aber warfen aus dem Fort Waelhem, nördlich
von Mecheln, schwere Granaten in die von den
deutschen Truppen besetzte Stadt.

Das Kommando der Antwerpen belagernden
deutschen Truppen hat behufs Verständigung der
belgischen Regierung dem amerikanischen und dem
spanischen Gesandten in Brüssel folgendes mitgeteilt:
Soweit die belgischen Militärbehörden sich verpflichten,
Kunstdenkmäler, insbesondere Kirchtürme, nicht für
militärische Zwecke nutzbar zu machen, sind die
deutschen Belagerungstruppen bereit, diese Bauten
bei einer Beschießung tunlichst, d. h. insofern es bei
der ungeheuren Sprengwirkung der modernen Ge-
schosse möglich ist, zu schonen.«

Kurz nach der Besetzung von Mecheln folgte so-
dann eine neue Mitteilung des offiziellen Telegraphen-
bundes, die folgenden Wortlaut hat:

»Bei einer Besichtigung von Mecheln, die heute
sofort nach der deutschen Besetzung von mehreren
Herren unter Führung des mit dem Schutze der
Kunstdenkmäler beauftragten Geheimrats v. Falke vor-
genommen wurde, konnte festgestellt werden, daß die
hervorragenden Baudenkmäler der Stadt keinen er-
heblichen Schaden erlitten haben. Nur an wenigen
Stellen sind einige Häuser ohne künstlerische Be-
deutung durch Artilleriefeuer zerstört worden. Das
schöne Haus des Großen Rats mit dem anstoßenden
Museum und die Giebelhäuser am Großen Platz haben
nicht gelitten. Die hoch emporragende Kathedrale
ist mehrfach von Artilleriegeschossen getroffen wor-

den. Zwar hatten die deutschen Truppen strikte Be-
fehle erhalten, die Kathedrale zu schonen, doch haben
nach Besetzung der Stadt durch deutsche Truppen
heute belgische Schrapnells und Granaten die Kirche
im Augenblicke der Besichtigung durch die Herren
der Zivilverwaltung wiederholt beschädigt. Die Bau-
schäden können ohne große Schwierigkeit wieder aus-
gebessert werden. Die ausnahmslos modernen Glas-
gemälde sind, wie alle Fenster der Stadt, durch den
Luftdruck zersplittert. Die anderen Kirchen von
Mecheln sind unversehrt geblieben. Alle wertvollen
Bilder wurden, soweit es sich nachweisen läßt, vor Be-
setzung der Stadt entfernt. Die schönen alten Häuser
am Kanal blieben unbeschädigt. Der deutsche Stadt-
kommandant hat strengen Schutz aller Kunstdenkmäler
angeordnet.«

In ausländischen Berichten, die einer früheren Be-
schießung der Stadt Mecheln folgten, hieß es, das
herrliche Altargemälde des Rubens sei ein Raub der
Flammen geworden. Die Nachricht fand bisher glück-
licherweise keine Bestätigung. Und man wird sich
in diesem wie in den meisten anderen Fällen bis
nach dem Kriege gedulden müssen, um das endgültige
Konto der Verluste aufzustellen.

Merkwürdig ist, daß im Gegensatz zu der allge-
meinen Erregung über jeden Verlust von Kunst-
gütern im feindlichen Auslande eine Mitteilung so
wenig Beachtung fand, die aus St. Petersburg kam,
und der zufolge die Sammlung des Grafen Pourtales,
eine der letzten alten Sammlungen im Berliner Privat-
besitz, die im Gebäude der deutschen Botschaft unter-
gebracht war, mit diesem zerstört worden sei, als in
den ersten Tagen nach der Kriegserklärung der Pöbel
das schöne Gebäude, das kürzlich erst von Peter
Behrens vollendet worden war, stürmte. Die Samm-
lung, die der alte Graf Wilhelm Pourtales zusammen-
gebracht hatte, war berühmt durch ihre herrlichen
Renaissancebronzen, durch die gewählten alten
chinesischen und europäischen Porzellane, wie durch
italienische Gemälde. Dazu war der Neubau ausge-
stattet mit Bildern von Lenbach, Böcklin, Liebermann
und anderen deutschen Meistern.

Eine andere Nachricht, die ebensowenig Be-
achtung fand, kam aus Lemberg. Es wird berichtet,
die Russen hätten aus der Bibliothek des Fürsten
Ossolinski die kunsthistorischen Schätze und Buch-
raritäten nach Petersburg übergeführt.

Das kann eine Maßregel sein, die zum Schutze
der Kunstwerke angeordnet wurde. Aber es geht
aus der kurzen Notiz nicht hervor, ob wirklich die
Russen hier ebenso uneigennützig dachten wie die
Deutschen in einem anderen Falle, als ein deutscher
Offizier aus einem brennenden Bethaus in Eppeyhem
bei Mecheln zwei größere Altargemälde altvlämischer
Meister rettete, die er dem Verwaltungschef beim
Generalgouvernement überwies, der sie seinerseits der
Verwaltung der belgischen Museen zur Verfügung stellte.

Denn neben dem Verlust durch Zerstörung droht
den Kunstwerken in den vom Kriege unmittelbar
betroffenen Gebieten der andere durch Verschleppung.
Man weiß, wieviel von den Kunstschätzen der alten
 
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