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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Krieg und Kunst

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ausgedacht hat, habe ich nichts gemein. Meine Uber-
zeugung ist vielmehr, daß allen Kulturländern die Erzeug-
nisse ihrer Kunst und ihr rechtmäßiger Besitz an Kunst-
werken erhalten werden soll, und daß wir den Denkmäler-
schutz wie im eigenen Lande so auch im Feindeslande
auszuüben haben. Schafft doch auch die massenhafte An-
häufung von Kunstwerken, wie sie der Louvre und die
Londoner Museen zeigen, nur kolossale Kunstmagazine,
die den Genuß der Kunstwerke schwer beeinträchtigen.

Gerade um die Kunstwerke in Belgien für Belgien zu
retten, hat der Unterzeichnete die Entsendung eines unserer
Museumsbeamten nach Belgien beantragt. Geheimrat von
Falke ist seither im Auftrage des belgischen Gouverne-
ments gemeinsam mit unseren Militärbehörden, die trotz
der völkerrechtswidrigen Haltung der Bevölkerung schon
vorher mit eigener Gefahr für die Erhaltung der Denkmäler
in Belgien wie in Frankreich, besonders in Reims, besorgt
waren, eifrig bemüht, die Kunstschätze in Belgien zu
sichern. Das Bestreben der Berliner Museumsverwaltung
wird darauf gerichtet sein, daß Deutschland nach einer
siegreichen Beendigung des Krieges das Beispiel nicht
nachahme, welches England durch die Entführung der
Parthenonskulpturen und das Frankreich unter Napoleon I.
durch die Plünderung der Kunstschätze fast aller Länder
Europas gegeben hat. Bode.«

Folgende Erklärung veröffentlichte zu der gleichen
Frage der Berliner Kunsthistoriker Prof. Dr. Karl Frey eben-
falls im Berliner Lokalanzeiger:

»Abgesehen davon, daß es eine erprobte Weisheit ist,
das Fell des Bären, bevor er erlegt ist, nicht zu verteilen,
gehört eine Erörterung über die Art und Weise der Kriegs-
entschädigung wirklich nicht zu den Aufgaben und Kom-
petenzen von Gelehrten. Wir wollen die feste Zuversicht
hegen, daß die dafür zuständige deutsche Diplomatie, auf
Grund der Großtaten unseres herrlichen Heeres, mit aller
Umsicht und Entschiedenheit dieses Problem zu einem
glücklichen, unseren ungeheuren Opfern und Anstrengungen
voll entsprechenden, das deutsche Gewissen vor allem be-
friedigenden Resultat führen wird, — wenn es dafür an
der Zeit sein wird. Dergleichen persönliche Äußerungen
und Wünsche von unverantwortlicher Seite erscheinen, im
Hinblick auf unsere in Gesinnung und im Handeln sich so
glänzend betätigende Einheit und Stärke, als wirklich un-
angebracht.

Aber wir Deutsche müßten eine Kriegsentschädigung,
zahlbar in Kunstwerken, auch aus künstlerischen und ethi-
schen Gründen ablehnen. Bilder sind kein entsprechendes
Äquivalent für das teure vergossene Blut und für all den
Jammer und das Elend, die der ruchlose und ungerecht-
fertigte Überfall unserer Feinde über unser Volk in all
seinen Klassen und Ständen gebracht hat. Das wäre zu
sehr vom Standpunkte des Antiquars gerechnet. Kunst-
werke aus ihrem eigentlichen Milieu entfernen, die mo-
dernen vollgepfropften Galerien noch mehr zur Qual für
den Besucher und für den stillen Kunstgenuß werden zu
lassen, kann auch nicht im Sinne eines aufrichtigen Kunst-
freundes sein. Bode führt durchaus zutreffend aus, daß
das Raubrittertum der Franzosen und Engländer von ehe-
dem in der Beziehung nicht nachahmenswert ist. Er lehnt
das vom Standpunkte der Königlichen Museumsverwaltung
ab. Er hätte getrost sagen können: Das ist überhaupt
nicht deutsche Art, wie immer und überall die aufopfernde
Schonung feindlicher Kunstdenkmäler (vide Reims) seitens
unserer Soldaten und Offiziere allem Lügengeschwätze zum
Trotz beweist. Hier heißt es für uns: Vestigia terrent.«

Irregeleiteter Patriotismus. Unter der Spitzmarke:
Kriegerisches aus dem Wallraf Richartz-Museum erhalten

wir eine Notiz, in der zu lesen steht: »In der modernen
Abteilung der Gemäldegalerie findet eine neue Sehens-
würdigkeit viel Beachtung. Mitten zwischen den Bildern
hängt dort eine Tafel, auf der zu lesen steht: ,An dieser
Stelle hing ein Bild von Ferdinand Hodler, der sich
nicht gescheut hat, einen Genfer Protest mit zu unter-
zeichnen, in dem die Rede ist von einem ungerechtfertigten
Attentat der Vernichtung der Kathedrale in Reims, das
nach der beabsichtigten Zerstörung historischer und wissen-
schaftlicher Schätze in Löwen einen neuen Akt der Bar-
barei bedeute und die ganze Menschheit herausfordere'.«

Wenn die Leitung des Wallraf Richartz-Museums das
Bild Hodlers entfernt, um es vor Beschädigungen zu
schützen, so könnte man ihre Vorsicht loben; wenn sie es
tut, um Hodler zu strafen, so muß man dazu mit dem
Kopf schütteln. Was hat denn das Bild verbrochen? Es
wird an Stelle seines Urhebers ins Gefängnis gesetzt —
warum? Weil der Maler Hodler so töricht war, der Drucker-
schwärze zu glauben, wie ein Kind, das noch nicht weiß,
daß viele Zeitungen lügen, wie gedruckt. Es ist Zeit, gegen
das Löwengeschrei und die Ungereimtheiten über Reims
aufzutreten und dem Unheil, das lediglich die Leicht-
gläubigkeit von Toren anrichtet, entgegenzuwirken. Welche
Beschämung wird Herr Hodler empfinden, wenn er er-
fährt, daß das Rathaus in Löwen noch fast ganz unver-
sehrt steht, daß es die verblendeten Belgier selbst waren,
welche es gefährdeten, daß die Kathedrale von Reims von
den Franzosen als Deckung gegen deutsche Artillerieschüsse
mißbraucht worden ist! Welche Gefühle müssen ihn
beschleichen, wenn er eines Tages einsieht, daß er für
bare Münze nahm, was in den Zeitungen seiner Umgebung
stand, daß er sich durch seinen Protest lächerlich ge-
macht hat, weil er, statt gegen den blinden Fanatismus
der verhetzten Belgier und gegen die kirchenmörderische
Wut der betörten Franzosen zu protestieren, seine Stimme
gegen die um das Bestehen ihres Vaterlandes kämpfen-
den Deutschen erhoben hat! Wie wird Herrn Hodler
zumute werden, wenn er die Kathedrale von Reims und
das Stadthaus von Löwen mit eigenen Augen sieht, wenn
er inne wird, daß sein Protest Geplärr war, daß die Be-
sonnenheit der Deutschen es war, die beide Kunstwerke
soweit geschont hat, als es die entsetzliche Not der Zeit nur
irgend zuließ! Zwar zugeben, daß er das Opfer seiner
Leichtgläubigkeit war, das wird Herr Hodler schwerlich.
Denn es gehört seltene Charakterstärke dazu, einen Irrtum
zu bekennen, zu erklären, daß man sich hat täuschen
lassen. Herr Hodler wird vermutlich von dem Neutralitäts-
bruch der Deutschen sprechen, um dem Kernpunkte aus-
zuweichen. Aber gegen die Motivierung der Entfernung
des Hodlerschen Bildes müssen wir Widerspruch laut
werden lassen. Es ist nicht wohlgetan, solche »Proteste«,
wie Herr Hodler sie kundgibt, mit dieser Art Maßregeln
zu beantworten. Hier, wie in vielen anderen Fällen, fehlt
es an Einsicht, fehlt es an Belehrung. Schickt Herrn Hodler
Photographien der Bauwerke, damit er einsieht, daß er ein
voreiliges Urteil sprach, daß er im Unrecht ist. Belehrt
auch die anderen »Protestler«, wie z. B. Herrn Bernhard
Shaw, der gewiß gern ehrlich sein möchte, wie seine
Werke beweisen, aber ebenso ein Opfer englischer Zei-
tungen geworden ist, wie Herr Hodler eines der Lügen
oder Unwahrheiten seiner Zeitung wurde! Es ist ja ver-
ständlich, daß viele Gelehrte ihre Auszeichnungen, weil
sie aus England stammen, mit einem Male den Engländern
vor die Füße warfen, weil es sich zeigt, daß die gegen-
wärtige englische Regierung wieder in das alte historische
Arsenal englischer Politik gegriffen hat: Zwietracht zu
säen, Unwahrheit als Waffe zu benutzen und fremde Völker
dazu zu treiben, sich zu Nutz und Frommen Englands zu
 
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