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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Die Gerechtigkeit des Kaisers Trajan: ein Dantestoff und seine Darstellung in der Kunst, "Io dico di Traiano imperatore"
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https://doi.org/10.11588/diglit.6190#0047

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Die Gerechtigkeit des Kaisers Trajan

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mehr nähert sich den Danteversen ein Relief auf dem
Konstantinsbogen, das auf dem Trajansforum ge-
funden war und gedeutet wurde in dem Sinne, daß
Trajan vor der Bibliotheca Ulpia der Errichtung der
Trajanssäule zuschaut. Es hat natürlich nichts mit
der Legende von der Vedovella zu tun, denn Kon-
stantin errichtete den Bogen 315, als er über Maxen-
tius triumphierte. Das zu seinen Füßen liegende,
diesmal nicht kniende Weib stützt ihren linken
Arm auf ein Rad und ist so als Personifikation des
Verkehrs gedacht, mit deutlicher Beziehung auf die
Tätigkeit des Kaisers in der Anlegung von Straßen.
Wenn nun das Mittelalter alle diese Reste römischer
Triumphplastik in dem christlichen Sinne der Nächsten-
liebe auffaßte, so wiederholt sich auch hierin das
Schicksal des Allegorischen, mißverstanden zu werden.
Hierbei blieb aber die Legende nicht stehen. Bisher
war von einer Bestrafung des Schuldigen nicht die
Rede; aber schon die alten Chroniken des 13. und
14. Jahrhunderts und ebenso die Dantekommentatoren
Jacopo della Lana, Benvenuto da Imola, Francesco da
Buti haben die Erzählung erweitert: der eigene Sohn
des Kaisers hat im Spiel oder durch einen unglück-
lichen Zufall das Kind der Witwe getötet. Er soll
nach dem harten aber gerechten Spruch des Kaisers
durch Henkershand sterben, aber die Anklägerin
selbst bittet für ihn um Gnade und der dem Beile
des Henkers Entronnene wird der Witwe an Sohnes-
statt gegeben, um ihr bis zu ihrem Ende ein Er-
nährer zu sein. Diese rührende Geschichte setzt sich
aus mehreren Legendenstoffen zusammen, deren Ur-
sprung wohl im Orient liegt. Hierauf deutet schon
das Rechtsprechen des Kaisers im Vorbeiziehen, das
durchaus nicht römisch, sondern orientalisch ist.
Wollte man diese Spuren weiter verfolgen, so würden
sich wohl Wandlungen und Wiederholungen ergeben
ähnlich denen, die die Geschichte von der treulosen
Witwe in der Weltliteratur erlebt hat1).

Kein Zweifel, daß Dante diesen Stoff für die
Kunst erobert hat. Es kann nicht die Absicht sein,
alle künstlerischen Darstellungen der Trajans-Legende
zu besprechen, wie es mit einiger Vollständigkeit in
dem Aufsatze von Giacomo Boni in der »Nuova
Antologia« vom November 1906, betitelt »Leggende«,
geschieht. Nur auf einige charakteristische Beispiele
sei kurz hingewiesen. Mit besonderer Sorgfalt hat
Botticelli in seinen Federzeichnungen zur Divina Com-
media gerade dieses Blatt gestaltet. Diese Zeich-
nungen sind bekanntlich von Botticelli mit einem
Silberstift leicht skizziert und dann mit der Feder in
brauner oder schwarzer Farbe ausgeführt, nur drei
Blätter sind koloriert. Einige hat der Künstler nur
angelegt und nicht völlig ausgeführt, und es scheint,
daß diese Arbeit, die Botticelli für Lorenzo di Pier-
francesco de' Medici unternahm, ihn bis zu seinem
Tode 1510 beschäftigte. Daß diese Zeichnungen
trotz ihres diskursiven Charakters einen vollen künst-
lerischen Genuß gewähren, liegt besonders daran,

1) F. Orisebach, Die treulose Witwe. Eine orienta-
lische Novelle und ihre Wanderung durch die Weltliteratur.
4. Aufl. 1882.

daß Botticelli durch den seelischen Ausdruck seiner
Gestalten besonders den Typus der Beatrice geradezu
neu geschaffen hat. Andererseits müssen wir Cor-
rado Ricci darin Recht geben, daß Lippmann, der
1887 die Zeichnungen in originalgetreuer Reproduktion
herausgab, in seiner Schätzung zu weit gegangen ist.
Die Zeichnungen bleiben doch immer Botticelli und
verbreiten die ihm eigene Grazie auch über die
grausigen Szenen der Hölle. Um so höher steigt
für Ricci ein Künstler des 16. Jahrhunderts, dessen
Dante-Illustration er in einer großen Ausgabe der
Divina Commedia reproduziert. Es ist Federigo
Zuccaro (f 1609). Es sind im ganzen 87 Blätter,
zum Teil nur mit Rötel gezeichnet, die der Künstler
in den Jahren 1587 und 1588 im Escurial in Madrid,
wohin ihn Philipp II. berufen hatte, schuf. Während
Botticelli auf die Figuren das Hauptgewicht legt und
die Szenerien nur ganz leicht andeutet, behandelt
Zuccaro die Umgebung mit großer Sorgfalt. Wenn
wir ihm auch das Lob eines geistreichen und vir-
tuosen Künstlers nicht vorenthalten können, so werden
wir doch dem Botticelli den Vorzug geben, denn die
schulmäßige Art des Zuccaro verführt ihn oft zu
einer Manier, die sich mit dem Geist des Dante-
werkes nicht verträgt. Soviel im allgemeinen über
das Werk, das sich in der Handschriftenabteilung der
Uffizien befindet. Die hierher gehörige Tafel des
Ricci-Werkes zu Purgatorio X zeigt die drei Reliefs
mit mathematischer Regelmäßigkeit nebeneinander
stehend.

Neben einer Skulptur aus der ersten Hälfte des
15. Jahrhunderts am Dogenpalast in Venedig sei ein
Kupferstich des deutschen Kleinmeisters Hans Sebald
Beham genannt. Von dem Augsburger Hans Schäufe-
lein stammt ein Holzschnitt in einem Werke, das im
Jahre 1535 in Augsburg gedruckt wurde. Es heißt
der Deutsch-Cicero und enthält 40 Holzschnitte mit
dem bekannten Künstlerzeichen, der kleinen Schaufel.
Von modernen Darstellungen ist von besonderem
Interesse das Gemälde von Delacroix im Museum
von Rouen von wahrhaft Rubensscher Formengebung.

Eine eingehendere Würdigung rechtfertigen zwei
Darstellungen der Legende, die ungefähr derselben
Zeit, aber verschiedenen Stilrichtungen entstammen.
Im historischen Museum von Bern befindet sich ein
Wandbehang, der wohl um 1450 in einem nieder-
ländischen Hautelisse-Atelier in Brüssel hergestellt sein
dürfte. Dieser Teppich stammt nicht, wie durch
einen Irrtum Kinkels in den Mosaiken zur Kunst-
geschichte (Berlin 1876) oft in der Literatur ange-
gegeben ist, aus der Burgunder-Beute, die die Schweizer
in der Schlacht bei Granson 1476 Karl dem Kühnen
abnahmen, vielmehr gehörte er ursprünglich dem
Bischof Georg v. Saluces, der im Jahre 1461 starb.
Das Wappen der Familie, die von 1142—1548 die
Markgrafschaft Saluzzo besaß, befindet sich im oberen
Rande des Teppichs, der mit mehreren anderen
Stücken von dem Bischof der Kathedrale von Lau-
sanne gestiftet wurde (vgl. Stammler, der Paramenten
schätz im historischen Museum zu Bern 1895). Wahr-
scheinlich ist er 1537 von Lausanne an Bern aus-
 
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