107
Die Ausstellung alter Meister aus Leipziger Privatbesitz
108
Aus der Schule des Teniers stammt die farbenfrohe
»Wachtstube« von der Hand des Ferdinand Apshoven.
Es ist interessant zu sehen, wie der Künstler, obwohl
er sich gegenständlich, auch in der Raumbehandlung
und sogar im Kolorit eng an sein Vorbild lehnt,
doch zu einem eigenen malerischen Stil kommt. —
Ein W. d. P. bezeichnetes »Interieur« möchte ich eben-
falls der flämischen Schule, insbesondere dem Kreis
der Ryckaerts zuweisen, obwohl man das Monogramm
W. d. P. auf den Holländer Willem de Poorter be-
ziehen könnte. — Wenn Brouwer im allgemeinen
auch als Holländer betrachtet wird, so hat doch die
farbige Haltung seiner »Hütte am Meer« (Nr. 21,
Fr. Geheimrat Thieme) einen stark flämischen Ein-
schlag. Daß sie in ihrer poetischen, freien Behandlung
so vereinzelt innerhalb der flämischen Landschafts-
malerei dasteht, ist persönliches Verdienst ihres
Schöpfers. — Umgekehrt ist das der Fall bei dem I. Tho
bezeichneten »Flötenbläser« des J. Thomas (Nr. 128,
Familie Brockhaus), dessen brauner Ton und dessen
intime Stimmung eher auf einen holländischen Meister
(J.Thopas?) als auf den in Flandern geborenen Rubens-
schüler weisen. — Der neuerdings wieder sehr zu
Ehren gekommene Landschafter Jan Siberechts ist mit
einer seiner typischen Furt-Darstellungen vertreten.1)
Charakteristisch für Siberechts ist die tonige Behandlung
der Landschaft, die ihn der holländischen Schule, der
wir uns jetzt zuwenden wollen, äußerst verwandt macht.
Ist auch der Hauptmeister der holländischen
Schule, Rembrandt selbst, auf der Ausstellung nicht vor-
handen, so ist doch seine Schule in ganz vorzüg-
licher Weise vertreten. Vor allem wäre das prächtige
Bild »Abraham und die Engel« von Arent de Gelder
(Nr. 41, Dr. Naumann) zu nennen, das, als es vor
25 Jahren in der kleinen Stadt Pecq entdeckt und
nach Paris gebracht wurde, unter dem Namen »Rem-
brandt du Pecq« viel von sich reden machte und
zu einem »Tagesereignis« dadurch wurde, daß sich
das ganze intellektuelle Paris in zwei Parteien teilte,
von denen die eine das Bild für einen Rembrandt,
die andere es für ein Werk seiner Schule erklärte.
Seitdem diese gründlicher studiert wurde, ist es ein-
wandfrei festgestellt, daß es ein Werk Arent de Gelders
ist, jenes Meisters, der zu dem alten, von seiner Mitwelt
verkannten und gänzlich vernachlässigten Rembrandt
in die Lehre ging. Das, was die Zuschreibung an
Rembrandt seinerzeit veranlaßte, sind die großen künst-
lerischen Qualitäten des Bildes: vor allem das warme,
Kolorit mit seinem prächtigen Eigenleuchten und
weiterhin die feierliche Stimmung, die der Künstler
durch die Einfachheit der Komposition und Wahl
der Typen zu erreichen wußte. Farbig diesem Bilde
verwandt, technisch noch charakteristischer ist der an
sich weniger bedeutende »Ahasver« de Gelders (Nr. 42,
Dr. K. Lilienfeld).2)
1) Vergl. die ganz ähnliche Komposition im Antwer-
pener Museum.
2) Vergl. die ausführliche Literaturangabe für beide Ge-
mälde in K. Lilienfeld, Arent de Gelder (Haag 1914)
pag. 125 u. 139.
Der Rembrandtschule möchte man auch den farbig
reizvollen »Kopf eines jungen Mädchens« von der
Hand des Jan Lievens (Nr. 77) zuweisen, obwohl dieser
Maler kein eigentlicher Schüler Rembrandts war, aber,
wie dieses Bild zeigt, sich mit dem auf Grau und Gold-
gelb gestimmten, frischen Kolorit eng an den jungen
Rembrandt anschließt. — Das »Junge Mädchen« Go-
vaert Flincks (Nr. 39) dagegen zeigt schon einen so starken
Einfluß von flämischer Eleganz und Mangel an Hell-
Dunkel, daß man kaum begreift, wie dieser eigentliche
Rembrandtschüler in seiner Jugend Werke schaffen
konnte, die oft äußerst schwer von denen Rembrandts zu
unterscheiden sind. Die meisterhafte Ausführung und
der feine Ausdruck des Gesichtes aber stempeln dieses
höchst gefällige Bildnis doch zu einem Meisterwerke. —
Ebenfalls ein Schüler des jüngeren Rembrandt war
Salomon Köninck, dem ich das bisher dem Eeckhout
zugeschriebene »Gleichnis von den Arbeitern im
Weinberge« gegeben habe. Für Köninck charakte-
ristisch ist die feine Lichtbehandlung im Innenraum,
der wellige Faltenwurf der reichen Kleiderstoffe und
besonders die Zweiteilung der Komposition. — Einem
unbekannten Nachfolger Rembrandts gehört das »Männ-
liche Porträt« (Nr. 13) an, das dem Ferdinand Bol
— insbesondere einem »Männlichen Kopf« Bols in
Dresden — sehr nahe steht. — Zwei weitere Bilder,
die unter dem Einfluß Rembrandts entstanden sind,
sind der »Männliche Kopf« (Nr. 65) und der »Mäd-
chenkopf« (Nr. 66, H. Crüwell), die sich durch ihre
kräftige Malweise auszeichnen, und an frühe Werke
des Dirk van Santvoort, der oft der Rembrandtschule
zugerechnet wird, gleichzeitig auch an C. B. van Ever-
dingen erinnern. — Ähnliche Lichteffekte wie Rem-
brandt erzielte, ohne dessen Schüler zu sein, Leonard
Bramer, von dem die Ausstellung vier äußerst wichtige
Werke enthält. Zunächst wäre die große »Rückkehr
des verlorenen Sohnes« (Nr. 16, Dr. Naumann) zu
nennen, die wohl ungefähr gleichzeitig mit der groß-
figurigen Darstellung des Ryksmuseums von 1642 ent-
standen sein mag. Die Komposition, bei der wir un-
willkürlich an Rembrandts sicher später gemaltes Bild
der Petersburger Eremitage erinnert werden, scheint
der Künstler nicht ganz frei erfunden, sondern einer
Darstellung der »Enthauptung des Johannes« nach-
gebildet zu haben. Den Kompositionstyp, der Bramer
vorgelegen haben könnte, finden wir z. B. ganz ähn-
lich auf einer »Enthauptung des Johannes« im Kopen-
hagener Museum, die dem Jac. Bassano zugeschrieben
wird. Auf dieser »Enthauptung« hält die vordere
Rückenfigur links — der Henker — das Schwert,
während sie auf dem Gemälde Bramers gegenständ-
lich keine Erklärung findet. Auf einen venezianischen
Einfluß, und wieder speziell auf den Einfluß der
Bassani weisen die beiden »Anbetungen« (Nr. 18
und 19) Bramers durch ihre in die Tiefe gebeugten
Rückenfiguren, die Betonung des Beiwerkes und die
Lokalfarben. — Das vierte Werk Bramers, »Ein Künstler,
der in römischen Ruinen zeichnet« (Nr. 17, H. Wich-
mann), ist interessant durch den Gegenstand und könnte
auf den italienischen Aufenthalt Bramers selbst hin-
weisen. — Als Werk der Amsterdamer Historien-
Die Ausstellung alter Meister aus Leipziger Privatbesitz
108
Aus der Schule des Teniers stammt die farbenfrohe
»Wachtstube« von der Hand des Ferdinand Apshoven.
Es ist interessant zu sehen, wie der Künstler, obwohl
er sich gegenständlich, auch in der Raumbehandlung
und sogar im Kolorit eng an sein Vorbild lehnt,
doch zu einem eigenen malerischen Stil kommt. —
Ein W. d. P. bezeichnetes »Interieur« möchte ich eben-
falls der flämischen Schule, insbesondere dem Kreis
der Ryckaerts zuweisen, obwohl man das Monogramm
W. d. P. auf den Holländer Willem de Poorter be-
ziehen könnte. — Wenn Brouwer im allgemeinen
auch als Holländer betrachtet wird, so hat doch die
farbige Haltung seiner »Hütte am Meer« (Nr. 21,
Fr. Geheimrat Thieme) einen stark flämischen Ein-
schlag. Daß sie in ihrer poetischen, freien Behandlung
so vereinzelt innerhalb der flämischen Landschafts-
malerei dasteht, ist persönliches Verdienst ihres
Schöpfers. — Umgekehrt ist das der Fall bei dem I. Tho
bezeichneten »Flötenbläser« des J. Thomas (Nr. 128,
Familie Brockhaus), dessen brauner Ton und dessen
intime Stimmung eher auf einen holländischen Meister
(J.Thopas?) als auf den in Flandern geborenen Rubens-
schüler weisen. — Der neuerdings wieder sehr zu
Ehren gekommene Landschafter Jan Siberechts ist mit
einer seiner typischen Furt-Darstellungen vertreten.1)
Charakteristisch für Siberechts ist die tonige Behandlung
der Landschaft, die ihn der holländischen Schule, der
wir uns jetzt zuwenden wollen, äußerst verwandt macht.
Ist auch der Hauptmeister der holländischen
Schule, Rembrandt selbst, auf der Ausstellung nicht vor-
handen, so ist doch seine Schule in ganz vorzüg-
licher Weise vertreten. Vor allem wäre das prächtige
Bild »Abraham und die Engel« von Arent de Gelder
(Nr. 41, Dr. Naumann) zu nennen, das, als es vor
25 Jahren in der kleinen Stadt Pecq entdeckt und
nach Paris gebracht wurde, unter dem Namen »Rem-
brandt du Pecq« viel von sich reden machte und
zu einem »Tagesereignis« dadurch wurde, daß sich
das ganze intellektuelle Paris in zwei Parteien teilte,
von denen die eine das Bild für einen Rembrandt,
die andere es für ein Werk seiner Schule erklärte.
Seitdem diese gründlicher studiert wurde, ist es ein-
wandfrei festgestellt, daß es ein Werk Arent de Gelders
ist, jenes Meisters, der zu dem alten, von seiner Mitwelt
verkannten und gänzlich vernachlässigten Rembrandt
in die Lehre ging. Das, was die Zuschreibung an
Rembrandt seinerzeit veranlaßte, sind die großen künst-
lerischen Qualitäten des Bildes: vor allem das warme,
Kolorit mit seinem prächtigen Eigenleuchten und
weiterhin die feierliche Stimmung, die der Künstler
durch die Einfachheit der Komposition und Wahl
der Typen zu erreichen wußte. Farbig diesem Bilde
verwandt, technisch noch charakteristischer ist der an
sich weniger bedeutende »Ahasver« de Gelders (Nr. 42,
Dr. K. Lilienfeld).2)
1) Vergl. die ganz ähnliche Komposition im Antwer-
pener Museum.
2) Vergl. die ausführliche Literaturangabe für beide Ge-
mälde in K. Lilienfeld, Arent de Gelder (Haag 1914)
pag. 125 u. 139.
Der Rembrandtschule möchte man auch den farbig
reizvollen »Kopf eines jungen Mädchens« von der
Hand des Jan Lievens (Nr. 77) zuweisen, obwohl dieser
Maler kein eigentlicher Schüler Rembrandts war, aber,
wie dieses Bild zeigt, sich mit dem auf Grau und Gold-
gelb gestimmten, frischen Kolorit eng an den jungen
Rembrandt anschließt. — Das »Junge Mädchen« Go-
vaert Flincks (Nr. 39) dagegen zeigt schon einen so starken
Einfluß von flämischer Eleganz und Mangel an Hell-
Dunkel, daß man kaum begreift, wie dieser eigentliche
Rembrandtschüler in seiner Jugend Werke schaffen
konnte, die oft äußerst schwer von denen Rembrandts zu
unterscheiden sind. Die meisterhafte Ausführung und
der feine Ausdruck des Gesichtes aber stempeln dieses
höchst gefällige Bildnis doch zu einem Meisterwerke. —
Ebenfalls ein Schüler des jüngeren Rembrandt war
Salomon Köninck, dem ich das bisher dem Eeckhout
zugeschriebene »Gleichnis von den Arbeitern im
Weinberge« gegeben habe. Für Köninck charakte-
ristisch ist die feine Lichtbehandlung im Innenraum,
der wellige Faltenwurf der reichen Kleiderstoffe und
besonders die Zweiteilung der Komposition. — Einem
unbekannten Nachfolger Rembrandts gehört das »Männ-
liche Porträt« (Nr. 13) an, das dem Ferdinand Bol
— insbesondere einem »Männlichen Kopf« Bols in
Dresden — sehr nahe steht. — Zwei weitere Bilder,
die unter dem Einfluß Rembrandts entstanden sind,
sind der »Männliche Kopf« (Nr. 65) und der »Mäd-
chenkopf« (Nr. 66, H. Crüwell), die sich durch ihre
kräftige Malweise auszeichnen, und an frühe Werke
des Dirk van Santvoort, der oft der Rembrandtschule
zugerechnet wird, gleichzeitig auch an C. B. van Ever-
dingen erinnern. — Ähnliche Lichteffekte wie Rem-
brandt erzielte, ohne dessen Schüler zu sein, Leonard
Bramer, von dem die Ausstellung vier äußerst wichtige
Werke enthält. Zunächst wäre die große »Rückkehr
des verlorenen Sohnes« (Nr. 16, Dr. Naumann) zu
nennen, die wohl ungefähr gleichzeitig mit der groß-
figurigen Darstellung des Ryksmuseums von 1642 ent-
standen sein mag. Die Komposition, bei der wir un-
willkürlich an Rembrandts sicher später gemaltes Bild
der Petersburger Eremitage erinnert werden, scheint
der Künstler nicht ganz frei erfunden, sondern einer
Darstellung der »Enthauptung des Johannes« nach-
gebildet zu haben. Den Kompositionstyp, der Bramer
vorgelegen haben könnte, finden wir z. B. ganz ähn-
lich auf einer »Enthauptung des Johannes« im Kopen-
hagener Museum, die dem Jac. Bassano zugeschrieben
wird. Auf dieser »Enthauptung« hält die vordere
Rückenfigur links — der Henker — das Schwert,
während sie auf dem Gemälde Bramers gegenständ-
lich keine Erklärung findet. Auf einen venezianischen
Einfluß, und wieder speziell auf den Einfluß der
Bassani weisen die beiden »Anbetungen« (Nr. 18
und 19) Bramers durch ihre in die Tiefe gebeugten
Rückenfiguren, die Betonung des Beiwerkes und die
Lokalfarben. — Das vierte Werk Bramers, »Ein Künstler,
der in römischen Ruinen zeichnet« (Nr. 17, H. Wich-
mann), ist interessant durch den Gegenstand und könnte
auf den italienischen Aufenthalt Bramers selbst hin-
weisen. — Als Werk der Amsterdamer Historien-