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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.6190#0073

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Vereine — Vermischtes

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ist Wilhelm Claudius durch ein flott und saftig hingesetztes
Aquarell: Seelandschaft, vertreten; Rudolf Scheffler durch
eine Kreidezeichnung, Strand in Egmond; Georg Hänel
durch eine vorzügliche Tierzeichnung: Kälber. Otto Fischer
hat eine neue Radierung, Oberbuchwald, beigesteuert; Erich
Buchwald-Zinnwald einen in einfachen Farben gehaltenen
Holzschnitt, Grauer Tag; Otto Richard Bossert in Leipzig
zwei Radierungen, Hütte und weibliche Akte; Ferdinand
Steiniger eine Radierung, Unter hohen Fichten; und Otto
Westphal einen monumentalen Holzschnitt unserer unver-
geßlichen Augustusbrücke. Heinrich Hübner, ein Enkel des
ehemaligen Direktors unserer Gemäldegalerie, ist durch acht
geschmackvolle Lithographien vertreten, die teils Zimmer
aus dem Schlosse Paretz, teils Motive aus Pillnitz enthalten.
Von Richard Müller ist das große Erinnerungsblatt an das
Jubiläum der Kunstakademie vorhanden. Von Berliner
Künstlern nennen wir Max Liebermann mit einem vor-
züglichen Bildnis Bodes, dann sieben sehr zart behandelte
Tier-Radierungen von August Gaul: Schafe, Ziegen, Pin-
guine, Gänse u. a., dabei auch das reizende Exlibris des
Geheimrats Franz Oppenheim in Berlin mit einer liegenden
Sphinx (in zwei Plattenzuständen). Von Wilhelm Doms ist
der lebensvolle Kopf einer jungen Frau in Steindruck aus-
gestellt. Aus München seien erwähnt fünf Radierversuche
von Olaf Gulbransson (Geschenke des Künstlers), darunter
das entzückende Bildnis seiner Frau, der Dichterin Grete
Gulbransson, von Eugen Kirchner ein neues Exlibris (Ge-
schenk des Künstlers) und die beiden hübschen Radierungen
von Richard von Below: Schlafendes Mädchen und Sinai-
kloster. Ludwig von Hofmann in Weimar ist durch fünf
Holzschnitte vertreten, die den wandlungsfähigen Künstler
wieder auf neuen Bahnen zeigen. Endlich ist noch Maxi-
milian Liebenwein in Wien mit einer sehr lebendigen
Zeichnung von zahlreichen Katzen, einer Radierung und
einer Anzahl kleinerer Gelegenheitsarbeiten: Exlibris, Neu-
jahrswünschen usw. (im Durchgang) zu nennen. Von
Ausländern ist diesmal nur die talentvolle Amerikanerin
Mary Cassatt mit neun ihrer schönsten Kaltnadelradierungen
vertreten, die meistens das Thema Mutter und Kind in
fesselnder und außerordendlich lebendiger Weise abwandeln.
Die Drucke sind sämtlich von hervorragender Schönheit,
und man staunt über die farbige Tiefe, mit der beispiels-
weise die Porzellantasse neben dem Mädchen mit dem
Fächer in Schwarz und Weiß wiedergegeben ist.

VEREINE

® In der Novembersitzung der Berliner Kunstge-
schichtlichen Gesellschaft sprach Herr Grautoff über
Nicolas Poussin als Maler. Der Vortragende gab an der
Hand einiger ausgewählter Beispiele eine Charakteristik
und ein Bild der künstlerischen Entwicklung des Meisters.
Nach wenig bekannten Anfängen bildet sich der erste Stil
Poussins seit 1624 in Rom unter dem Einflüsse Raffaels
und Domenichinos, zu dem sich in steigendem Maße der
Eindruck Tizianscher Farbe und Komposition gesellt. Die
Kopie von Tizians Ariadnebild, die Poussin 1629 an-
fertigte, gibt den äußeren Anhalt. Motive aus der Komposi-
tion kehren in Werken der folgenden Zeit nicht selten
wieder, aber niemals in ängstlicher Nachahmung, sondern frei
verarbeitet. Die ersten Jahre einer glücklichen Ehe spiegeln
sich in der idyllischen Stimmung und den beruhigten Themen
der Zeit nach 1630. Das allgemeine Signum des neuen
Stils gibt der Name Lionardos, des positivistischen Theo-
retikers, von dessen Trattato della Pittura Poussin 1635
eine Abschrift nahm. Die Romantik in der Behandlung
von Farbe und Licht weicht einer klaren Plastik der Gruppie-

rung und einem rationalistischen Grundton, der an den
großen Zeitgenossen Descartes denken läßt. Daneben
bleibt aber in Poussins Werken stets jenes Unbewußte,
Inkommensurable, das in den philosophischen Strömungen
der Zeit mit Leibniz' Namen bezeichnet wird. Die Antike
wirkte mächtig auf Poussin. Aber er sah sie nicht als
Italiener, sondern mit den Augen des modern empfinden-
den Franzosen. In den Werken der Pariser Jahre glaubt
man den puritanischen Geist der Zeit unmittelbar zu emp-
finden. Der Weg führt Poussin nun zurück zu seinen
ersten Eindrücken in Rom, zu Raffael und Domenichino.
Die bühnenmäßige Form der Dramatisierung stark beweg-
ter Vorgänge kann an Corneille erinnern. Nochmals wandelt
sich der Stil des Meisters durch die Aufnahme der Land-
schaft, die nun in einem anderen Sinne als bisher in die
Bildkomposition eintritt. Der Mensch ist nur mehr ein
Teil des Kosmos. Poussins Landschaft ist der Prototyp
der sogenannten »idealen Landschaft». Nicht die Indivi-
dualbildung der Natur ist ihr Voraussetzung, sondern die
Idee, als Seelenzustand oder als Begriff. In den Gemälden
der vier Jahreszeiten, die Poussin 1660—64 für Richelieu
malte, vollendet sich seine Kunst, er schuf hier die typisch
allgemeingültige und zeitlose Landschaft, die an keine
Sonderform der Natur mehr gebunden ist, sondern aus der
Grundstimmung des Bildmotivs rein hervorwächst.

VERMISCHTES

Venedig. Das Schicksal der Venezianischen Inter-
nationalen Kunstausstellung war nach den Kriegserklärun-
gen besiegelt. Sie schloß am 8. November mit einem
beträchtlichen Defizit ab, hätte aber ein besseres Los
verdient. Der Verkaufserlös blieb natürlich, so wie die
Besucherzahl, weit hinter dem der vorigen Ausstellung
zurück. Die Verkaufssumme betrug nur 300000 Lire. Die
gedrückte Stimmung in allen Kreisen ließ die Ausstellung
vergessen. Die trübe Stimmung, unter der Venedig zu
leiden hat, erstreckt sich auch auf unsere Galerie der Aka-
demie, in deren Sälen die Ruhe eines Friedhofs herrscht.
Man zählt manchen Tag nur 2 — 3 Besucher. Von Frem-
den ist keine Rede mehr. Um so ungestörter konnten die
Sicherungsarbeiten an Portal und Vorhalle in Angriff ge-
nommen werden. Es zeigten sich schon seit Jahren Sen-
kungen, welche in letzter Zeit auch einen unabgeschlosse-
nen Teil des großen Saales in Mitleidenschaft zogen. An
S.Marco, sowie an der Frarikirche wird fleißig weiter-
restauriert; auch sind in die großen Fenster dieser Kirche
Glasgemälde eingesetzt worden, die grau in grün Wunder
der hl. Franziscus und Antonius von Padova darstellen,
sie wurden ausgeführt in der Glasmalereianstalt Beltrami
in Mailand Es mag erwähnt werden, daß die kleine
reizende Kirche Sta. Maria Mater Domini nach eingehend-
ster Restauration nun dem Kultus zurückgegeben ist.
Dem Pietro Lombardo verdankt man den Bau (1510),
von Jacopo Sansovino (1540) beendet. Ein reicher Edel-
mann, Conte Torinelli, vermachte unlängst testamentarisch
100000 Lire zum Ausbau der am Canale grande gelegenen
Kirche S. Ermagora e Fortunato, der bisher eine Fassade
fehlte. Es ist die einzige Kirche Venedigs, deren Altäre
ausschließlich nur plastischen Schmuck aufweisen. Der
Bau ist 1736 entstanden. Venedig wird um ein Museum
bereichert werden: Das Wohnhaus Carlo Goldonis wurde
von der neugegründeten Goldoni-Stiftung angekauft, nach
sachgemäßer Restaurierung in seinen ehemaligen Zustand
versetzt und soll zu einem Goldonimuseum umgestaltet wer-
den. Bedeutende Schenkungen sind bereits erfolgt, a. Wolf.

Inhalt: Die Ausstellung alter Meister aus Leipziger Privatbesitz. Von Dr. Karl Lilienfeld. — Die Baudenkmäler im östlichen Belgien. Von Paul
Clemen. — Professor Hermann Emil Pohle t; M. A. Guggenheim t- - Personalien. — Krieg und Kunst. — Ausstellung im Kaiser-Wilhelm-
Museum zu Krefeld; Eine • Kriegsausstellung« in Düsseldorf. — Neueinrichtung im Kaiser-Friedrich-Museum zu Berlin; Neuerwerbungen
des Königlichen Kupferstichkabinetts zu Dresden. — Berliner Kunstgeschichtliche Oesellschaft. — Vermischtes.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann in Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., q. m. b. h., Leipzig
 
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