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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6190#0077

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Krieg und Kunst — Vermischtes

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Zusammenhang blieb mit der im übrigen wesentlich
historisch-systematischen Anordnung der Galerie. Es war
darum ein sehr glücklicher Gedanke, diesem Zustande ein
Ende zu machen und den Raum inhaltlich an den folgen-
den Eyck-Saal anzugliedern, indem hier im wesentlichen
die Werke der Vorläufer der Kunst des 15. Jahrhunderts
in den nordischen Ländern versammelt wurden, entsprechend
dem Kabinett der Trecentisten gegenüber, das den Eingang
zu der italienischen Abteilung bildet.

Die Gemälde, die bisher zwischen den Skulpturen des
deutschen Mittelalters verteilt waren, konnten überdies an
der neuen Stelle zu ganz anderer Wirkung gebracht werden.
Das Mittelstück der Hauptwand bildet die böhmische
Madonna des Erzbischofs Ernst von Prag. In zwei Gruppen
sind unten zu ihren Seilen die übrigen, meist kleinen Bilder
angeordnet, während in der oberen Reihe zwei große
Breitformate der Wand die nötige Haltung geben. Beide ge-
hören, wie übrigens eine nicht unbeträchtliche Zahl der
in dem Räume vereinigten Bilder, zu den Erwerbungen
der letzten Jahre. Es ist die figurenreiche westfälische
Tafel mit der Dreieinigkeit in der Mitte und die kölnische
Kreuzigung mit assistierenden Heiligen, die Charles Sedel-
meyer in Benz auf Usedom entdeckt und im Jahre 1910 dem
Museum zum Geschenk gemacht hat. Das Stück gehörte zu
der großen Schenkung, die unter dem Gesamtnamen der
»Florakinder« bekannt wurde und seinerzeit unter diesem
Stichwort auch hier eingehende Würdigung fand. Noch
einer Reihe anderer Bilder, die damals in den Besitz des
Berliner Museums gelangten, begegnet man nun in demneuen
Räume, so den sechs in lJredellenform zusammengeordneten
Täfelchen von dem Altar, den Werner von Pallandt 1429 der
Kirche zu Linnrich stiftete, der Grablegung und Auferstehung
von dem älteren Meister der heiligen Sippe, die aus einem
Passionszyklus stammen, dessen übrige Teile in den Mu-
seen von Köln und Aachen verwahrt werden, und endlich
der merkwürdigen und schwer zu behandelnden Tafel mit
der Dreifaltigkeit auf dem Throne und der Begegnung von
Maria und Elisabeth, die in einer noch nicht sicher be-
stimmten Weise mit dem burgundischen Kunstkreise, dem
auch Konrad Witz entstammt, in Zusammenhang zu bringen
ist. Ein burgundischer Meister des ausgehenden. 14. Jahr-
hunderts dürfte der Urheber des kleinen Vierpaßtriptychons
sein, das aus der Webersammlung in das Kaiser-Friedrich-
Museum gelangte. Ein ebenfalls viel diskutiertes Bild ist
das kleine Tondo mit der Darstellung der Marienkrönung,
das höchstwahrscheinlich ebenso gleich dem außerordentlich
feinen Diptychon mit der Kreuzigung um die Wende des Jahr-
hunderts in Frankreich entstanden ist. Eines der kostbarsten
Stücke altkölnischer Malerei ist das Diptychon mit der Ma-
donna und der Kreuzigung, das aus der Sammlung Robinson
in das Berliner Museum gelangte. Ihm nahe steht das eben-
falls um die Mitte des 14. Jahrhunderts entstandene Bild
mit Joseph und Maria, das einzige von allen diesen Werken
gotischer Malerei, das zu dem alten Bestände der Museen
gehört. Westfälischer Herkunft ist die Vera Icon mit den
besonders zart behandelten kleinen Engelgruppen in den
Zwickeln. Nach Obetdeutschland führt eine Kreuzigung
Christi, deren schwere Falten auf das erste Jahrzehnt des
15. Jahrhunderts weisen. In den Kreis der Kunst des
sogenannten Meister Wilhelm gehört das zierliche Tri-
ptychon mit Maria im Kreise weiblicher Heiligen. Und
schließlich ist die ebenfalls kölnische und zumal ikono-
graphisch sehr wichtige vielteilige Tafel mit Darstellungen
aus dem Leben Christi zu erwähnen, die an ihrer bisherigen
Stelle nur geringe Beachtung finden konnte.

In dieser Zusammenstellung, die noch manche Er-
gänzung aus dem Bestände der Sammlung hätte erfahren
können, wenn der Raum zugereicht hätte, zeigt sich der
verhältnismäßige Reichtum des Museums an den höchst
seltenen Gemälden der vor-van-eyckischen Kunst, und
diese Tafeln kommen mit ihren starken, hellen
Farben in dem übrigens durch ein einfaches Mittel in
seinen Beleuchtungsverhältnissen gebesserten Räume aufs
vorteilhafteste zur Geltung, ganz im Gegensatz zu den
früher hier untergebrachten niederländischen Bildern, die
jetzt an passender Stelle in der Sammlung verteilt wurden.
Die fünf Hauptstücke der Wesendoncksammlung haben in
dem großen Niederländersaal in der Mitte der einen Lang-
wand nun ebenfalls einen würdigen Platz gefunden. Gleich-
zeitig wurde ein schönes Stifterbildnis des Adriaen Tho-
mas Key als Geschenk des Herrn van Gelder in Uccle in
die Sammlung eingereiht. Und schließlich sei ein Herren-
bildnis des Philippe de Champaigne erwähnt, das Herr
Hugh Lane dem Kaiser-Friedrich-Museum schenkte, ein
sehr erwünschter Zuwachs, da der Meister bisher in Berlin
nicht vertreten war. o.

KRIEG UND KUNST
Zum Wiederaufbau von Ostpreußen. Die Berliner
Vereinigung ostpreußischer Künstler und Kunstfreunde macht
jetzt zum Wiederaufbau Ostpreußens beachtenswerte Vor-
schläge. Sie empfiehlt die Berufung tüchtiger Städtebauer
in die für Ostpreußen eingesetzte Arbeitskommission und
die Abhängigmachung der zu gewährenden staatlichen
Beihilfen zum Wiederaufbau von künstlerischer Ausge-
staltung der Bauten. Es fehlte aber überhaupt an Archi-
tekten in Ostpreußen. Die Vereinigung hält es daher für
wünschenswert, tüchtige Architekten zu dauernder Betätigung
in die Provinz zu ziehen. Das dürfte allerdings nur mög-
lich sein, wenn ihnen von der Behörde Garantien für ihre
wirtschaftliche Existenz und ihr Fortkommen gegeben
werden. Auf der anderen Seite würde das der Zentral-
behörde das Recht geben, dauernd über deren Arbeitskraft zu
Zwecken der Allgemeinheit verfügen zu können. Die Ver-
einigung hat nun Stadtbaurat Beusker, Geh. Baurat Prof.
Gerlach, Prof. Bruno Möhring, Stadtsyndikus Dr. Sen-
britzki und Architekt Hugo Wagner bestimmt, diese Vor-
schläge dem Oberpräsidenten von Ostpreußen vorzutragen
und im einzelnen zu ergänzen.

VERMISCHTES
Arthur Kampf legt in diesen Tagen die letzte Hand
an sein Monumentalbild in der neuen Aula der Berliner
Universität, das Fichte als den Redner an die deutsche
Nation darstellt. Seit dem Frühjahr hat der Künstler un-
unterbrochen an dem Werke gearbeitet. In der vorigen
Woche reiste er dann zum Kriegsschauplatz ab, um im
Felde Studien zu machen. Nach seiner Rückkehr
hofft Kampf, das Fichtebild aus größerem, zeitlichem Ab-
stand" noch einmal überblicken zu können und möglicher-
weise ihm notwendig scheinende Änderungen anzubringen.

Von der Unterrichtsanstalt am Berliner Kunst-
gewerbemuseum sind jetzt während des Krieges auf
Anregung des Verbandes der Kunstgewerbezeichner un-
entgeltliche Unterrichtskurse für Kunstgewerbezeichner ein-
gerichtet worden. Denn bei der sehr großen Zahl der
infolge des Krieges stellungslos gewordenen Musterzeichner
liegt es sowohl in ihrem wie im Interesse der Allgemein-
heit, daß diese künstlerischen Arbeitskräfte während der
langen Zeit unfreiwilliger Muße nicht brachliegen.

Inhalt: Die belgischen Baudenkmäler. Von Paul Clemen. — Geh. Baurat Paul Effenberger f, Geh. Baurat Hermann Gehrts f; Aemil Fendler t- —
Personalien. — Städtebauliche Frage für das innere Stuttgart. — Neueinrichtung im Kaiser-Friedrich-Museum zu Berlin. — Krieg und
Kunst. — Vermischtes.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann in Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig
 
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