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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Schmidt, Paul F.: Denkmäler der deutschen Bildhauerkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6190#0106

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Denkmäler der deutschen Bildhauerkunst

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zweigeschossig, auch in der Abwandlung von Einzelszenen
statt der Statuen, in den Nordseestädten (Wismar, Lübeck),
teilweise auch in Westfalen (Münster, Bischöfliches Museum)
weitergeführt. Das Schematische und Koordinierte der
Anordnung bleibt für die nordwestdeutschen Altäre auch
da bestehen, wo der niederländische Einfluß für großen
Reichtum im Figürlichen und Dekorativen siegt. Beispiele
dafür finden sich zahlreich publiziert: aus Calcar besonders,
wo die Entwicklung sich bis in die entschiedene Re-
naissance, mit Anleihen bei den Ornamentstichen der Klein-
meister, treu bleibt, in Dortmund, Aachen, Xanten, Wesel,
Osnabrück. Von den Ostseestädten wird Lübeck zu einer
vlämischen Filiale; von den importierten Werken der Art
wird der Altar der Briefkapelle in der Marienkirche als der
bedeutendste gezeigt.

Bei den Grabmälern tritt das reine Wandgrab, mit
der stehenden Figur in Nischenumrahmung und mit Bal-
dachin, mehr in den Vordergrund. Mehrere bedeutende
Arbeiten aus dem Mainzer und Würzburger Dom beweisen
es für das ganze 15. Jahrhundert, die beiden Riemen-
schneiderschen in Würzburg, Scherenberg und Henneberg,
nebst mehreren anderen Mainzern für die Blütezeit. Eine
Sonderstellung nimmt die prächtige Bronze des Truchseß
von Waldburg in Waldsee ein; sie ist ebenso Tumben-
deckel wie die zwei grandiosen Denkmäler für Kaiser
Friedrich III. und seine Gemahlin Eleonora in Wien resp.
Wiener Neustadt, Hauptwerke des bedeutenden Nikolaus
van Leyen. Dazu kommen noch zwei bronzene Renaissance-
tafeln aus Würzburg: man übersieht dergestalt die Grab-

malskunst bereits jetzt in einer fast lückenlosen Folge vom
13. Jahrhundert an.

Außerhalb dieser großen typologischen Reihen sind
die Hauptstätten der Bildnerkunst folgendermaßen ver-
treten: Nürnberg mit drei schönen, dem Veit Stoß nahe-
stehenden Figuren, einigen Skulpturen von Stoß selbst,
zwei Stationen von Krafft und vier vom Referenten (in
den Monatsh. f. Kunstwissenschaft) der Heilbronner Gegend
zugewiesenen Statuen des »Meister des hl. Martinus«, der
Hans von Heilbronn nahesteht; ihr Zusammenhang ist
also hier de facto schon ausgesprochen. Würzburg: die
drei Tympana der Marienkirche, von Riemenschneider
außer jenen Bischofsgräbern drei Madonnen, Adam, Eva
und Apostel von der Marienkirche (Werkstatt-Ausführung),
ein Kruzifix vom Bürgerspital — er ist von den großen
Künstlern am würdigsten vertreten. Vom Mittelrhein
eine Reihe der vielfigurigen Monumentalgruppen, wie sie
uns gerade aus der Mainzer Gegend erhalten sind: die
Grablegung im Mainzer Dom, die den gleichzeitigen und
späteren französischen Werken der Art in Solesmes und
S. Mihiel (von Ligier Richier) künstlerisch überlegen ist,
die riesigen Kreuzigungsgruppen in Mainz und Frankfurt
(für die seither Dehio selbst den Namen Backoffens ge-
funden hat); an sie schließt sich die in der milden Schön-
heitsauffassung der Schwaben von ihnen abweichende
Kreuzigung in Stuttgart (S. Leonhard 1501, von Hans von
Heilbronn) an. Die spezifisch schwäbische Formenreife
wird dann noch von einer ganzen Reihe von Einzelfiguren
aus der Rottweiler Lorenzkapelle zwischen 1500 und 1525
 
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