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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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279

Literatur

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los schon vor dem Beginn der Krieges soweit fertiggestellt,
da sich jetzt der — zwar unter dem Protektorate des kunst-
sinnigen bayrischen Kronprinzen, dessen Porträt auch
die Festschrift schmückt, stehende aber im ganzen doch
nur über einige hundert Mitglieder verfügende —Verein eine
so reiche und kostspielige Jubiläumspublikation nicht hätte
gestatten können.

Eine kleine Einleitung über die Geschichte des Vereins
von Ludwig Höfling ist vorausgeschickt. Der verstorbene
Prinzregent, der hohe Gönner des Vereines und aller Künste,
hätte trotz des Verweises auf den Nachruf des Vorsitzenden
in der Trauerversammlung des Vereins doch wohl einen
ausführlicheren Nachruf verdient, als die sentimental-de-
voten Worte, daß »dem Schreiber dieser Zeilen die Worte
der Trauer über den Hingang des Regenten versagen«.
Der erste, vortreffliche Aufsatz von Philipp Maria Halm
»Zur Inntaler Grabplastik der Spätgotik« beschäftigt sich
mit dem Stiftergrab des Klosters Rott a. I., das den Mittel-
punkt einer Reihe sepulkraler Bildwerke des Inntals bildet
und als der wichtigste Vorläufer der beiden Hochgräber
in Ebersberg und Attel Wolfgang Lebs anzusehen ist. Halm
sieht das Rotter Grab keineswegs als eine Jugendarbeit von
Leb selbst an, sondern glaubt, daß der »Meister des Stifter-
grabes zu Rott« von Wasserburg aus als unmittelbarer Vor-
gänger Wolfgang Lebs, der seit etwa 1500 in Wasserburg
tätig war, das Inntal mit Denkmälern versorgte, von denen
eine ganze Anzahl aufgeführt werden. Doch finden sich
daselbst gegen Ende des 15. Jahrhunderts auch vereinzelte
Denkmäler, die als Salzburger Import anzusehen sind,
während in der ersten Hälfte und der Mitte des 15. Jahr-
hunderts die Einfuhr Salzburger Werke eine wesentlich
lebhaftere gewesen war. — Der Vorsitzende des Münchener
Altertumsvereins Franz Wolter, der überhaupt durch
seinen eigenen Besitz an Kunstwerken in dem Band einen
starken Raum beansprucht, behandelt zunächst einen ägyp-
tischen Frauenkopf aus Sykomorenholz aus dem 8. bis 9. Jahr-
hundert vor Chr. (richtiger des 9. bis 8. Jahrhunderts),
einen gotischen Tonkrug aus dem Jahre 1450, auf dem die
Übernahme des Schnitzcharakters auf die Keramik in inter-
essanter Weise sich zeigt und eine Schildbuckelfibula nor-
Ursprungs aus der Karolingerzeit. — August L. Mayer
veröffentlicht ein Madonnenbild aus dem Kreis des Pere
Serra im Besitz des Herrn Dr. Soltmann auf Schloß Falken-
berg bei Moosach, das wie viele katalonische Arbeiten von
der Wende des 14. und 15. Jahrhunderts eine eigenartige,
an die Arbeiten der zeitgenössischen Kölner Schulen erin-
nernde Verarbeitung des sienesischen Einflusses aufweist.
— Der umfangreichste für spätere Arbeiten wohl grund-
legende Aufsatz des Prachtbandes ist ein »Beitrag zur
Forschung und Geschichte der bayerischen Plastik des
15. und 16. Jahrhunderts« von Franz Wolter, der als
verständnisvoller Besitzer der meisten der von ihm be-
handelten Werke (von in den 110 Abbildungen wiederge-
gebenen, ungefähr 120 Werken gehört mehr als die
Hälfte der Plastiken der Wolterschen Sammlung an) des-
halb wohl ein geeigneter Bearbeiter eines bis jetzt nur
sprunghaft untersuchten Gebietes ist. Wolter will durch
seine, von ihm selbst doch nur als fragmentarisch be-
trachtete Darlegungen das Interesse an einer Kunst wach-
zurufen, die Hohes gewollt und geleistet hat, die in ihrer
Art auf derselben Höhe stehe, wie die Antike. Er be-

ginnt mit den, von der romanischen zur frühgotischen
Plastik führenden, meist recht handwerksmäßigen Stein-
skulpturen des endigenden 13. und beginnenden 14 Jahr-
hunderts. In den frühesten Epochen zeigt sich schon in
Oberbayern ein Zug zu einer kernigen künstlerischen, dem
Überfeinerten und Übersinnlichen abholden Auffassung, wie
solche im bayerischen Schwaben herrscht. Salzburger Einfluß

— Hans Heider — besteht im Beginn des 15. Jahrhunderts,
namentlich im Chiemgau; er weist einen zarter gearteten
Wirklichkeitssinn gegenüber dem starken, oft ins Derbe
hinuntergreifenden Realismus oberbayerischer Gefühlsweise.
Prächtige Werke aus dem perikleischen Zeitalter der Gotik

— 1440 bis 1450 — werden vorgeführt, wobei wichtige
Nebenbetrachtungen über die Entwicklung der Madonnen-
und Pietätypen abfallen. Ein Rückschlag durch Reduzierung
der Formen und Rückkehr zur Natur beginnt nach 1450.
Eine ganze Reihe bekannter Meister, aber auch neue und
wenig bekannte Namen von Steinmetzen und Bildschnitzern
tauchen in Wolters Darlegungen auf; sie werden stilkritisch
charakterisiert und lokalisiert. Bis weit in die Renaissance
hinein führen die beachtenswerten Vorarbeiten des Mün-
chener Malers, Sammlers und Kenners der bayerischen Kunst,
der mit Recht betont, daß der Sinn für die starke künstlerische
Kraft gotischer Kunst germanischer Stämme noch weiter
geweckt werden muß. — Auch der Aufsatz von Dr. F. X.
Weizinger über die Künstlerfamilie der »Strigel« in der
ehemaligen freien Reichsstadt Memmigen, ein Beitrag zur
Kunstgeschichte Schwabens, wird der Publikation des
Münchener Altertumsvereins viele Freunde gewinnen. Das
Abbildungsmaterial wie die Dokumentensammlung über
diese hochbegabte Malerfamilie, der wir ganz ausgezeichnete
Tafeln verdanken, und über den in einem Anhang behan-
delten Hans Maler von Ulm, Maler zu Schwaz, scheint ganz
lückenlos zu sein. — Die Autorität Wolfgang Maria
S c h m i d s beschäftigt sich mit einer Kasel des späten 11. Jahr-
hunderts in der Sammlung des Historischen Vereins Eich-
stätt, deren Stoff zu einer Gruppe von Seidenstoffen gehört,
welche auf ca. 1010—1040 zu bestimmen sind. Regensburg
oder ein Frauenkloster einer bayerischen Diözese mag den
Stoff im letzten Viertel des 11. Jahrhunderts in eine Kasel
umgewandelt und mit Stickereischmuck versehen haben. —
Eine Reihe kleinerer Aufsätze: über das Bildnis eines un-
bekannten Herrn von Jan van Livensz (G. von Dadelsen),
über 13 Handzeichnungen, Entwürfe, Studien und Skizzen
verschiedener Art von hervorragenden Künstlern, die im
16. und 17. Jahrhundert im Dienste bayerischer Fürsten
gearbeitet haben (Franz Wolter); ferner Beiträge zur
Miniaturmalerei in München von Dr. Hans Buchheit,
über einige Delfter Platten von Georg von Dadelsen
sind außerdem in dem reichen Bande enthalten, während
Dr. Georg Lill darin in seiner gewissenhaften und
in den Porzellanen wohlerfahrenen Art Amberger Aus-
formungen von Ludwigsburger Figurenplastik feststellt
und Adolf Feulner der Münchener Rokokoplastik des
Johann Baptist Straub und namentlich des Ignaz Günther
eine kleine Studie widmet. Der Band schließt mit Nach-
rufen für August Holmberg und Otto Seitz.

Durch seine neuangebahnten Forschungen und das
reiche interessante Abbildungsmaterial ist dieser Sammel-
band als ein wertvoller Beitrag zur Kunstgeschichte zu be-
trachten. Max Maas.

Inhalt: Hugo Vogel. Von Richard Oraul. — Dürer und Bramantino. Von Dr. Oscar Hagen. — Pauline Hummel f. — Personalien. — Wett-
bewerb um den Schmidt- Michelsen-Preis; Ein Kriegswettbewerb für Glasgemäldestiftungen. — Ausstellungen in Düsseldorf, Berlin, Wien.
— Das städtische Museum in Elberfeld; Bruno Pauls Pläne zum Asiatischen Museum in Dahlem; Erwerbungen der Oroßherzoglichen
Kunsthalle Karlsruhe. — Das Kunstleben in Paris. — Festschrift des Münchener Altertums-Vereins zur Erinnerung an das 50 jährige Jubiläum.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann in Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig
 
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