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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.6190#0153

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Akademien — Vermischtes

288

Karlsruhe. Zu Ehren des 60. Geburtstages des
hiesigen bekannten Landschaftsmalers Paul v. Ravenstein,
eines Schwiegersohnes von Moritz v. Schwind, ver-
anstaltete der »Badische Kunstverein« eine reichhaltige
und übersichtliche Ausstellung seiner Werke. Der 1854 zu
Breslau geborene Künstler trat 1875, nach Absolvierung
seiner Universitätsstudien, als Kunstschüler in das Atelier
des nach dem Tode Schirmers mit dessen Lehrauftrag be-
trauten, bekannten norwegischen Landschafts- und Marine-
malers Hans Oude ein. Er schloß sich ihm und seinem
hervorragendsten Schüler, Eugen Bracht, enge an und eben-
so dem 1880 nach Karlsruhe berufenen Gustav Schönleber.
Gleich seinen, in der deutschen Landschaftskunst unserer
Zeit führenden Meistern entnahm Paul v. Ravenstein seine
sorgsam ausgeführten, in der Luft- und Lichtatmosphäre
feinstgestimmten, künstlerischen Motive vorwiegend in
erster Zeit dem sonnigen Süden — wo es ihm beson-
ders der harmonische Farbenreiz Venedigs angetan hat,
dann aber auch, in vornehmer, vollendeter Weise, der
heimatlichen Natur, die er mit einer ausgesprochenen
Neigung für die intime, feine Wiedergabe des Details
künstlerisch liebevoll zu schildern versteht. Vor aller
impressionistischen, expressiv-subjektiven Auffassung hat
ihn seine maßvolle und abgeklärte Naturempfindung stets
bewahrt und er hat hierin auch nicht die geringsten
Konzessionen an diese hypermodernen Richtungen ge-
macht; trotzdem zählt aber Paul v. Ravenstein mit Schön-
leber, Hans v. Volkmann, Biese und Kampmann — um
nur die hervorragendsten hier zu nennen — zu den besten
und gediegensten Vertretern der Karlsruher Landschafts-
kunst. — Im »Kunstverein« sind ferner ausgestellt Ge-
mälde der hiesigen Künstler: Professor Hans v. Volkmann,
Max Lieber, H. Göhler — die bekannten Landschafter —,
dann v. W. Hempfing, A. Lemmer, T. Wolter und M. Sieber,
sowie architektonische Radierungen von Dr. Roland An-
heißer.

AKADEMIEN

Die Reform der Kgl. Akademie der bildenden
Künste in Dresden und ihre Erhebung zu einer Hoch-
schule ist im Gange — die allgemeine Lehrerversammlung,
zu der auch die Mitglieder des akademischen Rates gehören,
hat sie beschlossen, der akademische Rat allein wird kaum
einen anderen Beschluß fassen können; alsdann wird der
Beschluß Sr. Majestät dem König zur Genehmigung vorge-
legt. Paragraph 1 der neu vorgeschlagenen Satzungen lautet:
»Die Königliche Akademie der bildenden Künste in Dresden
gehört zu den Hochschulen des Landes. Sie bezweckt die
praktische und theoretische Ausbildung zu selbständiger
Tätigkeit in den bildenden Künsten.« Über die Aufnahme
und über die Versetzung der Studierenden entscheidet nach
den neuen Satzungen die Lehrerversammlung. Die bisheri-
gen Unterklassen, die man als eine Art Vorschule bezeich-
nen konnte, fallen weg. Es gibt nur noch Studiensäle und
Meisterateliers für Malerei, Bildhauerei und Baukunst zur
Ausbildung reiferer und begabterer Studierender. Mit dieser
Umwandlung werden die Lehrer, die bisher nicht Mitglieder
des akademischen Rats waren, die Rechte erlangen, die
ihnen als Lehrer mit verantwortlichen Aufgaben längst schon
hätten zustehen müssen. Bedauerlich ist, daß weibliche
Personen von der Akademie ausgeschlossen sein sollen.
Diese Bestimmung würde um so weniger verständlich sein,
da doch an der Kgl. Kunstgewerbeschule eine weibliche
Abteilung besteht und Frauen an den Universitäten und

Technischen Hochschulen bekanntlich zum Studium zu-
gelassen sind. — Der akademische Rat, dessen Rechte
durch die Erweiterung der Rechte der Lehrerversammlung
bestritten worden sind, wird weiter bestehen. Die Satzungen
der Kunsthochschule enthalten aber nichts über seine künf-
tigen Obliegenheiten. Er soll angeblich künftighin un-
mittelbar der Krone unterstehen und über alles zu ent-
scheiden haben, was ihm von der Krone zur Entscheidung
unterbreitet wird.

VERMISCHTES
Das Erdbeben und die römischen Kunstwerke.

Der Schaden an Kunstwerken ist, wie Dr. Heribert Reiners
in der Kölnischen Volkszeitung berichtet, nicht so groß,
wie man nach der Stärke der Erschütterung hätte erwarten
sollen. Die große Säule des Marc Aurel, eine Nachahmung
der Trajans-Säule auf der Piazza Colonna, zeigt einen zwei-
fachen Schaden, einen Riß über der vierten Säulentrommel
etwa, und dann hat sich der obere Teil des Säulenschaftes
gelöst und ein wenig gedreht, so daß er nun an einer Seite
ein wenig vortritt. Bedenklicher ist der Schaden an der
Kirche St. Andrea delle Frate, die Borromini mit einem
Glockenturm versah, einem »Manifest aller seiner Stilprin-
zipien«, wie Burckhardt ihn nennt, und »eines der keckesten
Geniestücke des Meisters«. Der Turm wird in seinen oberen
Geschossen vielleicht ganz abgetragen und neu aufgeführt
werden müssen. Von unten sieht man nur, daß das Ge-
sims vor den Schlußvoluten fast ganz abgefallen ist. In
St. Peter sind, wie ja schon berichtet, etwa 150 Scheiben
der Kuppel zerbrochen und Stücke der Mosaiken herab-
gefallen. Die Kirche wurde daher vorübergehend ge-
schlossen. Von den Kolonnaden Berninis hat sich in der
rechten äußeren Säulenreihe, in der zwölften Interkolumnie,
ein Quader gelöst. Im Vatikan selber ist vor allem die
Galerie der geographischen Karten, der lange Korridor mit
den topographischen Plänen Italiens, etwas beschädigt. Von
der Decke, die Matthäus und Paul Bril mit Landschaften
schmückten, sind kleine Stücke herabgefallen, nur aus einem
Felde ein größeres, etwa ein Quadratmeter, aber nur aus
dem Himmel der Landschaft. Die Figuren sind unbeschädigt.
Auf der entgegengesetzten Seite der Stadt war das Erdbeben
nicht minder stark. Von der prächtigen Fassade der Kirche
St. Giovanni in Laterano ist eine der 15 Statuen herabge-
stürzt, die die obere Galerie krönen, und deren Reihe man
wie ein Wahrzeichen der Stadt über die Häuser empor-
ragen sieht. Es ist die Statue an der Ecke neben dem
Lateranpalast, St. Paulus. Sie ist ganz zerschmettert und
nicht mehr wiederherzustellen. Als man den mächtigen
Schädel des Standbildes in der Nähe sah, bekam man erst
einen Begriff von der Größe dieser Bildsäulen. Sie war
gut und geschickt gefertigt, ohne aber einen besonderen
Wert zu haben, so daß also auch hier kein bedeudenter
Schaden vorliegt. Mehr zu bedauern ist, daß von der Aqua
Claudia, den pompösen Resten der Bogenreihen der antiken
Wasserleitung in der Campagna, die man von der Bahn
aus sieht, wenn man von Norden her nach Rom kommt,
etwa 50 Meter eingestürzt sind. Sonst scheint keines der
Monumente größeren Schaden genommen zu haben. Von
zahlreichen Kirchen, etwa 41 im ganzen, werden zwar
kleinere oder größere Risse in den Wänden, den Fassaden,
der Kuppel gemeldet, von St. Ignatio der Absturz zweier
Steinkugeln. An der Porta del Popolo ist der Mittelbogen
gerissen und der Stern abgestürzt. Aber alles in allem ist
die Stadt noch recht glimpflich bei dem Unglück davon-
gekommen.

Inhalt: Justus Brinckmann f. Von H. E. Wallsee. — Dr. Erich Katterfeld t; Dr. Georg Matthies f. — Personalien. — Denkmalsschutzgesetz für
Lübeck. — Kretische Funde. — Ausstellungen in Berlin und Karlsruhe. — Reform der Kgl. Akademie der bild. Künste in Dresden. — Vermischtes.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann in Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig
 
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