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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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293

Forschungen — Denkmalpflege — Denkmäler — Archäologisches — Funde

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Oberbaurat Professor Dr.-Ing. Joseph Stübben,

der hervorragende Berliner Fachmann der Stadtbaukunst,
vollendete am 10. Februar sein siebzigstes Lebensjahr.
Stübben, der in der Nähe von Düsseldorf, in Filchrath, ge-
boren ist, war Stadtbaumeister in Aachen und Köln, bis er
1898 in den Staatsdienst berufen wurde. Als Praktiker und
Theoretiker auf dem Gebiete des Städtebaus hat er gleich
Hervorragendes geschaffen. Er ist der Vorsitzende der
Kommission der Posener Stadterweiterung, und als vor
dem Kriege Antwerpen seine große Stadterweiterung unter
Rücksicht auf die neuen Befestigungen begann, geschah das
unter Stübbens Mitarbeit. Sein mehrfach aufgelegtes Buch
über den Städtebau ist weit verbreitet. Die Architekten-
verbände in London, Paris, Petersburg, Brüssel ernannten
ihn zu ihrem Ehrenmitglied. Stübben ist Mitglied der Aka-
demie des Bauwesens und erhielt als Erster die vor kurzem
für hervorragende Architektenleistungen geschaffene gol-
dene Denkmünze. Die Gemeinde Dahlem bei Berlin ehrte
ihn durch Benennung einer Stübbenstraße.

Julius Meier-Graefe ist auf dem östlichen Kriegs-
schauplatz in russische Gefangenschaft geraten. Er hatte
in letzter Zeit vielfach Verwundete im Automobil von der
Front nach den Lazaretten gebracht. Bei einer solchen
Fahrt ist er in die russischen Linien geraten.

FORSCHUNGEN

Ein Irrtum Vasaris. Die längst bezweifelte Nachricht
Vasaris — in der zweiten Ausgabe der »Lebensbeschrei-
bungen der hervorragensten Maler, Bildhauer und Bau-
meister« —, wonach Giotto auch in Avignon Gemälde aus-
geführt haben soll, ist jetzt endgültig als irrtümlich erkannt
worden; es ist lt. Voss. Ztg. einem Mitarbeiter des Florentiner
»Marzocco«, L. Dami, gelungen, die Entstehung des Irrtums
aufzudecken. Vasari gibt als seine Quelle einen Dante-
Kommentar an. Sowohl im Leben Giottos wie in dem-
jenigen Cimabues schreibt er fast übereinstimmend: »Ein
Ausleger Dantes, der zu Giottos Zeit lebte, erklärt: Giotto
war und ist unter den Malern der Stadt Florenz der größte;
und es bezeugen dies seine Werke in Rom, Neapel, Avignon
(a Vignone), Florenz, Padua und in vielen anderen Teilen
der Welt.« Nun befindet sich in der Laurentianischen
Bibliothek zu Florenz ein schöner Pergamentkodex (XL, 19)
von Ottimo, in dem es heißt: »Unter den Malern, die die
Menschen kennen, war und ist Giotto der größte, und er
ist aus derselben Stadt Florenz, und seine Werke bezeugen
es in Rom, Neapel, Venedig (avinegia), Padua und in
anderen Teilen der Welt«. Kein Zweifel also, daß Vasaris
Nachricht aus dieser Quelle stammt, und daß entweder er
selber oder ein Gewährsmann anstatt »avinegia« gelesen
hat: »avignone«. Erleichtert wurde die irrtümliche Annahme
von einer Tätigkeit Giottos in Avignon durch die ander-
weitigen Überlieferungen, wonach Papst Benedikt XII. ihn
nach Avignon berufen oder doch diese Berufung beabsichtigt
habe, Giotto aber zuvor gestorben sei, worauf Simone
Martini den Ruf erhielt und annahm.

DENKMALPFLEGE

Die Innerschweizerische Vereinigung für Heimat-
schutz erläßt die folgende Veröffentlichung über Heimat-
liche Kunstschätze: Es ist eine auffallende Erscheinung, wie
gegenwärtig ausländische Antiquitätenhändler unser Land
absuchen, um unter Ausnützung der vielfach herrschenden
Geldknappheit von den Leuten Antiquitäten, Zeichen
schweizerischen Kunstfleißes vergangener Zeiten, billig auf-
zukaufen und ins Ausland zu schicken. Die häufigen Inserate
in den verschiedenen Zeitungen in allen Teilen der Schweiz

scheinen dies zu bestätigen. In Italien besteht schon längere
Zeit ein Gesetz, wonach Kunstgegenstände nur mit Be-
willigung der Landesregierung ins Ausland verkauft werden
dürfen. Wir finden, daß es auch für die Schweiz von großem
Interesse wäre, ein Gesetz zu erlassen gegen die Verschache-
rung des heimatlichen Kunstschatzes. Es gehen sonst natio-
nale Werte verloren, die nicht mehr zu ersetzen sind.

DENKMÄLER
Im neuen Berliner Pergamon-Museum, das jetzt
auf der Museumsinsel nach den Plänen Messels entsteht,
wird eine von Fritz Klimsch modellierte Bronzebüste des
Professors Alexander Conze aufgestellt werden, um das
Andenken an den hervorragenden Archäologen dauernd
festzuhalten, dem wir die Zusammenfügung und Erforschung
des berühmten Altarfrieses verdanken.

ARCHÄOLOGISCHES
Die Statuette einer minoischen Schlangengöttin.

Das letzte Bostoner Museum of fine arts Bulletin (Dez. 1914)
schildert eine, als Geschenk von Mrs. W. Scott Fitz, in den
Besitz der reichen Bostoner Sammlungen gelangte Elfen-
beinstatuette einer kretischen Schlangengöttin aus derZeitder
Palastkultur, um 1500 v.Chr., von ungewöhnlichem Interesse.
Die nur 61/., Inches hohe (= 1672cm; wann wird endlich
die amerikanische Wissenschaft das Fuß- und Inchessystem
ablegen?) in Elfenbein geschnittene und teilweise mit Gold
ausgelegte Figur stellt eine mykenische Dame in der charak-
teristischen, an modernste Frauentracht erinnernden Toilette
vor — Glockenrock, anliegende Jacke mit Mieder, aber ganz
offenem Busen, Simpelfranzen, auf die Schultern herab-
wogendes Haar. Der Kopf ist mit einer Tiara bedeckt;
das ernste und doch liebliche Gesicht erinnert an einen
gotischen Frauentypus. Die Göttin steht stolz da und ihre
beiden Hände halten je eine um den Unterarm gewickelte
Schlange aus Gold vor sich. Von den s. Z. durch Evans im
Palast von Knosos gefundenen Fayence-Schlangengöttinnen
oder- Pristerinnen steht die eine größere in genau derselben
Stellung wie die Boston er Statuette, die übrigens teilweise
restauriert ist. Wenn eine oder die andere dieser schlangen-
tragenden Figuren menschlicher Art sein sollten, so kann
man sie als Priesterinnen der Schlangengöttin ansehen. Die
Bostoner Statuette mit ihrer ausgearbeiteten Krone und in
ihrer Staatsstellung scheint aber jedenfalls einen Kultzentral-
punkt repräsentiert zu haben. Die Kunst, mit der die
Bostoner Schlangengöttin ausgearbeitet ist, entspricht den
höchsten Anforderungen; trotz der für alle Skulpuren vor
dem griechischen Cinquecento charakteristischen reinen
Frontalstellung ist sie nicht starr und steif, sondern voll
Leben und Energie, so daß sie den Vergleich mit jeder
Statuette auch der klassischen griechischen Periode aus-
halten kann. Aus der minoischen Zeit zeigen die bekannten
Akrobatenfigürchen eine ähnliche Kunst in Freiheit, Leben
und Elan. M

FUNDE

Auffindung eines altchristlichen Goldglases in
Ostpreußen. Bei Aufräumungsarbeiten im Dom zu Frauen-
burg in Ostpreußen fand sich jetzt unter beiseite gelegten
Reliquien ein bisher unbekanntes römisches Goldglas. Es
ist wohl zusammen mit den Reliquien, die Bischof Spemlik
für seine an der Kathedrale erbaute Kapelle 1734 aus Rom
besorgte, nach Frauenburg gekommen. Das Glas zeigt
gleichförmige Bildnisse von Petrus, Paulus und vier Heili-
gen, als Mittelstück den Kopf des Johannes.

In Heidelberg ist man auf dem neuen Zentralfriedhof
auf große Funde aus der Steinzeit gestoßen. In diesen
 
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