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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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355

Literatur

356

Sodann gab Martin Hammitzsch einen Überblick über
den Theaterbau des 16.—18. Jahrhunderts; M. Mütterlein
behandelte Gottfried Sempers Tätigkeit in Dresden, be-
sonders den Bau des Theaters und den Forumplan.

Drei weitere Dissertationen liegen mehr in der Rich-
tung der Volkskunst: W. Lindner behandelte die bäuerliche
Wohnkultur in der Provinz Westfalen und den umliegenden
Gebieten, ein wichtiger Beitrag zur niedersächsischen Volks-
kunst; M. Weise behandelte eingehend das bergische Wohn-
haus des 18. Jahrhunderts; W. Fiedler und R. Wesser er-
forschten den Holzbau im allgemeinen nach technischer
und in historischer Hinsicht. Fr. Unglaub suchte in seiner
Arbeit über die Diele im niedersächsischen Bauernhaus
und im norddeutschen Bürgerhaus über den Zusammen-
hang zwischen ländlicher und städtischer Bauweise Auf-
schluß zu geben.

Hieran schließen sich wieder Arbeiten über Bauten in
einzelnen Städten. So behandelte in besonders sorgfältiger
Weise Fritz Rauda die gotischen Bauten Bautzens. W. Scheibe
bearbeitete die Bauten von Kamenz. M. Levy gab eine
kritische Würdigung des Schlosses zu Torgau, eine Arbeit,
die für das ganze Schloßbauwesen Norddeutschlands, na-
mentlich auch für die Geschichte des Berliner Schlosses
von Bedeutung war, und in gleicher Weise würdigte
K. Ehrlich das Schloß zu Dessau. Weiter folgten Arbeiten
über das bürgerliche Bauwesen Nürnbergs von Konrad Heu-
ßinger, über das Tiroler Städtchen Sterzing von O. Dietrich,
über die Entwickelung des Wohnhauses in Meißen von
A. Ramsacher, dasselbe in Wittenberg und Torgau von
P. Mannewitz, über das sächsische Barockhaus von
W. Dietrich. Alle diese letztgenannten Arbeiten unter-
stützen die in ganz Deutschland eifrig betriebenen Studien
über die Geschichte des deutschen Wohnhauses, die sich
der Verband deutscher Architekten- und Ingenieurvereine
zur Aufgabe gemacht hat. Zwei weitere Arbeiten in der
gleichen Richtung, eine über Naumburg, wurden durch die
Einberufung des Bearbeiters zum Heeresdienst durch den
Tod des betreffenden unterbrochen.

In einer aktenmäßigen Darstellung der Baugeschichte
der Dresdner Kreuzkirche gab Alfred Barth reiche Auf-
klärung über den protestantischen Kirchenbau Sachsens im
18. Jahrhundert, während Hubert Ermisch die sächsischen
Rathäuser zeichnerisch und geschichtlich eingehend be-
handelte. Daran schließt sich ein stattlicher Band von
Hugo Koch über Sächsische Gärten, der reich an neuen
Ergebnissen ist. Diese Arbeit wird ergänzt durch Karl
Schröders Studien über Renaissancegärten in Oberdeutsch-
land, die einen eigenartigen Mischstil aus den Massen-
gestaltungen der Italiener und den Zierformen der Nieder-
ander darstellen. Weiter behandelt K. Böttcher den für
das 15. und 16. Jahrhundert in Sachsen eigenartigen Bau
von Wendeltreppen, namentlich in den Schlössern, wobei
er auch ihre kunstgeschichtlichen Beziehungen zu ähnlichen
süddeutschen Anlagen erörtert. Ferner liegt eine noch
nicht gedruckte Dissertation von F. Poser über die West-
türme des Merseburger Domes vor, sowie eine über die
mittelalterlichen Burgen Sachsens links der Elbe von A. Rü-
diger. Hieran schließen sich endlich zwei biographische
Arbeiten: eine über den Grafen Rochus Quirin von Lynar
von Richard Korn und eine über Giovanni Maria Nosseni
von W. Mackowsky, zwei für die Kunst Sachsens im 16.
und im Anfang des 17. Jahrhunderts höchst einflußreiche
Männer. In beiden Fällen stellte sich heraus, daß die
Kunstleistung dieser Italiener im allgemeinen überschätzt
wurde, daß ihre Leistung mehr in organisatorischem Wirken
und im Einfluß auf die Stilrichtnng der Künste Sachsens
beruht.

Nicht minder zahlreich sind die Dissertationen, die

sich mit ausländischer Kunst beschäftigen. Drei behandeln
französische Kirchen, eine die gotischen Handelshallen in
Belgien und Holland, fünf das Bauwesen der Mönchs-
orden in Thüringen, Österreich, Dänemark, Schweden,
Umbrien und Toskana, fünf sind der italienischen Bau-
kunst gewidmet, eine gilt der altrömischen Arena zu Pola,
eine dem frühchristlichen Bauwesen an der östlichen Küste
der Adria, zwei entwickeln Studien zur altchristlichen Kunst
in Venedig und in Murano. Weiter führen zwei Dissertationen
nach Indien, eine nach Siam, eine nach China, zwei geben
Beiträge zur islamischen Baukunst, endlich beruhen ein
halbes Dutzend bauwissenschaftlicher Arbeiten auf den Aus-
grabungen der Deutschen Orientgesellschaft in Kleinasien,
an denen ehemalige Studenten der Technischen Hochschule
zu Dresden hervorragenden Anteil nahmen.

Uberschauen wir diese lange Reihe baugeschichtlicher
Dissertationen, die aus der Dresdener Hochbauabteilung
hervorgegangen sind, nehmen wir dazu auch noch die
beiden stattlichen Bände: Geschichte des Barocks in Spanien
von Otto Schubert und Von Palladio zu Schinkel von
Klopfer, so werden wir ohne Zweifel zugeben müssen, daß
die Hochbauabteilung der Technischen Hochschule zu
Dresden eine überaus fruchtbare wissenschaftliche Tätigkeit
entfaltet hat, der kaum eine andere etwas Ebenbürtiges an
die Seite zu stellen vermag.

Gurlitt versäumt auch nicht hervorzuheben, was gerade
der Architekt zu kunstgeschichtlicher Arbeit der in Rede
stehenden Art an besonderen Hilfsmitteln und Fähigkeiten
mitbringt. Er sagt hierüber: »Es ist einer der Ruhmes-
titel der unter Jakob Burckhardts großem Namen einge-
leiteten Sammlung (Geschichte der neueren Baukunst, im
Verlag von Paul Neff), daß sie mit jedem Bande ein neues
Kunstgebiet zusammenfassend erschloß, das bisher viel-
leicht in Einzeldarstellungen angeschnitten, nun erst in
seinen Zusammenhängen dargestellt wurde. Das war nur
möglich auf Grund eines reichen Anschauungsmaterials:
was beispielsweise in Schuberts Werk über Spanien an
Aufmessungen zum Teil gewaltiger Bauwerke sich findet,
zeigt, daß nur der geschulte Architekt derartige grund-
legende Werke schaffen kann. Aber auch nur der Architekt
kann ermessen, wieviel Arbeit und wieviel Sachkenntnis
dazu gehört, in oft nur kleinem Klischee ein Bauwerk dar-
zustellen : es ist das gezeichnete, nicht geschriebene Wissen-
schaft, jene Art kunstgeschichtlicher Betätigung, die eben
nur der Architekt zu leisten vermag mit der den künst-
lerischen Tatsachen ja viel näher rückenden Wiedergabe
durch Grundriß, Aufriß und Schnitt, der gegenüber auch
die sorgfältigste Beschreibung und ästhetische Klassifikation
nur ein ungenügender Nebenbehelf ist.«

Ohne Zweifel wird hier die Tätigkeit des Kunsthisto-
rikers, der nicht Architekt ist, etwas eng umschrieben, um den
Gegensatz zu dem kunstgeschichtlich schaffenden Archi-
tekten wirksamer zu machen, und gerade die beiden be-
rühmtesten unter den Mitarbeitern der genannten Samm-
lung zeigen, daß auch Nichtarchitekten bauwissenschaftliche
Arbeiten hohen und ersten Ranges leisten können. Aber
es ist hier nicht der Ort, den alten Streit über die beste
Vorbildung des Kunsthistorikers zu erneuern. Angesichts
so erfolgreicher Arbeit im Lehrsaal und im Seminar geben
wir mit Freuden zu, daß Gurlitt ein Recht hat, mit Stolz
auf die Fülle und Gediegenheit der bauwissenschaftlichen
Arbeiten zu blicken, die so gut wie alle auf seine viel-
seitigen Anregungen und auf seine zielbewußte Arbeit mit
den Studenten zurückgehen. Mit Recht sagt er darum:
Die rechte Methode (des Lehrens an der Hochschule) ist,
für sich und mit seinen Schülern an der Durchbildung des
Faches zu arbeiten. <&>
 
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