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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Berliner Ausstellungen
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Berliner Ausstellungen

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ihrem Tode entstanden, wie noch der alte Fritz, der
Napoleon, den wir kennen, dessen Bild in uns auf-
taucht, wenn der Name anklingt. So lebt schon heute
im Bewußtsein des Volkes ein Hindenburg. Seine
Züge entstammen den Photographien, die man kennt.
Und noch keiner der Maler, denen der Heerführer
Porträtsitzungen gewährte, vermochte dieses Bild zu
bereichern. Auch Hugo Vogel nicht, der die zwei
lebensgroßen Repräsentationsbilder schuf, die jetzt als
Hauptstücke im großen Saale der Akademie stehen.
Liebermann gelang wohl zuweilen ein Bildnis, wie
wir es meinen, ein Porträt, das blitzartig Charakterzüge
des Dargestellten enthüllt, das mehr von dem Menschen
erzählt, als der Blick des Durchschnittsmenschen oder
die Linse der Kamera zu erfassen vermag. Wer den
Husarenobersten kennt, den er in Feldgrau malte, mag
ermessen, ob es hier gelang. Wer lediglich das Bild-
hafte wertet, wird seine Freude haben an der geist-
reichen Charakterzeichnung und an der noblen Art,
wie das Grau der Uniform koloristisch ausgenutzt
ist. Wenn die Porträtgalerie, die ja nach langer Vor-
bereitung seit einigen Jahren besteht, ihre Aufträge
vergibt, wird sie ohne Frage an Liebermann zuerst zu
denken haben.

Für den Rest der Ausstellung müssen kurze Hin-
weise diesmal genügen. Die Mitglieder sind mit
Werken ihrer genugsam bekannten Art vertreten. Nur
daß unter den Gästen die Bildhauer Ebbinghaus und
Kolbe sich finden, verdient als ein kleines Zeichen des
>Burgfriedens« innerhalb der Künstlerschaft ein Wort
der Erwähnung. Außer den Kriegsbildern und den
Werken der Mitglieder und Gäste nennt die Anzeige
noch zwei Gedächtnisausstellungen im vergangenen
Jahre verstorbener Akademiker, Josef Scheurenberg und
Karl Köpping. Scheurenberg war einstmals eine Hoff-
nung. Ältere Bilder, die hier wieder auftauchen, er-
innern an den jungen Künstler, der ähnlich wie Gabriel
Max begonnen und auf anderem Wege, aber wie
dieser bald genug sein Talent vertan hatte. Ganz
anders dagegen Köppings Künstlerlaufbahn. Köpping
war ein Mensch von feinem Verstehen und ein Ra-
dierer von überragendem Können. Aber ihm blieb
das Letzte versagt. Man möchte eine heimliche Tragik
in diesem Dasein vermuten. Köpping wollte seiner
Natur Leistungen abtrotzen, die ihr nicht gegeben
waren. Über den Plänen und Vorarbeiten zu großen
Wandgemälden, man möchte meinen: an ihnen, ist er
gestorben. Jede seiner eigenen Kompositionen verrät
die Problematik seines Talents. Und daneben stehen
die einzigartigen Schwarz-Weiß-Umsetzungen Rem-
brandtscher Gemälde, die nicht nur wundervolle
Radierungen sind, sondern zugleich von einem ver-
stehenden Eindringen in das Werk eines anderen
Zeugnis ablegen, das ein kritisches Vermögen ahnen
läßt, dem keine der eigenen Leistungen standhielt.
Köppings Wunsch war, Maler zu sein. Ein Selbst-
porträt zeigt, wohin sein Wollen zielte. Soviel wie
mancher hätte er wohl gekonnt. Aber er war weniger
selbstgenügsam als die meisten.

* *

Fritz Gurlitts Kunstsalon in Berlin hat die
zweite Reihe seiner Ausstellungen von Werken deut-
scher Meister aus Berliner Privatbesitz, die zum besten
der von ihm begründeten Kriegshilfe für bildende
Künstler veranstaltet werden, mit Werken Liebermanns
und Corinths eröffnet. Auch von dieser Ausstellung
gilt wieder, was von der ersten schon hier gesagt wurde.
Sie bietet eine der wenigen Gelegenheiten in Berlin
jetzt, gute Kunst zu sehen. Sie verzichtet bewußt auf
alles aktuelle Interesse. Und vielleicht ist es gut so,
ganz im Gegensatz zu allen Veranstaltungen, die dem
Krieg ihren Tribut zahlen; denn dies ist keine Zeit,
in der die Künste gedeihen. Aber denen, die daheim
blieben, ist gerade jetzt Gelegenheit gegeben, in
ruhiger Sammlung das Vergangene zu überdenken.
Und dazu ladet auch diese Ausstellung ein. Die
Führer der beiden Sezessionen, die sich im Frieden
so bitter bekämpften, stehen nun im Kriege friedlich
nebeneinander zu einem Wettbewerb der Taten, nicht
mehr zum Streit um Richtung und Programm. Nie-
mals deutlicher als in dieser gewählten^Ausstellung
guter Proben aus allen Perioden ihres Schaffens ward
der Gegensatz der beiden Künstler unmittelbar greif-
bar. Das intensive Emporstreben im eng umschrie-
benen Bezirk bei Liebermann, das extensive Schweifen
eines unruhigen Geistes, das jede Schranke als Fessel
empfindet, bei Corinth. Es ist eine ungeheuer über-
zeugende Sachlichkeit in Liebermanns Weg. Jung ist
er ein Meister. Die Konservenmacherinnen von 1872
zeigen nicht den Schüler des Munkacsy, sondern den
fertigen Künstler, der alles verarbeitete, was seine
Lehrer ihm zu geben hatten. Aber dieses Werk, das
anderen die Laufbahn eines Lebens vorgezeichnet hätte,
ist ihm nur der Ausgangspunkt. Man weiß, wie er
nach Holland kam, der wundervolle »Hof des Waisen-
hauses« von 1876 aus Bodes Besitz zeugt hier von
den Eindrücken, die er dort empfing, man weiß, wie
die Entdeckungen der Freilichtmalerei auf Liebermann
wirkten. Man kennt seinen Weg wie sein Werk, aber
es ist immer aufs neue ein Vergnügen, ihm zu folgen.
Ganz anders Corinth. Seinem Schaffen eignet nicht
diese Konsequenz einer inneren Logik. Er überrascht.
Man kann ihn heut entdecken, um ihn morgen zu
verleugnen. So ging es vielen, die vor ein paar
Jahren die Riesenschau seines Lebenswerkes sahen.
Es war etwas Imponierendes in dieser Fülle und etwas
Erschreckendes zugleich. Gewiß ein rechtes Maler-
temperament, ein Können zudem, aber kein Vollenden.
Ein Ausgreifen nach vielen Seiten, aber kein sicherer
Weg, dessen Richtung so und nicht anders sein konnte.
Zeugnisse liebevoller Versenkung wie das Bildnis des
Vaters, Blitze genialer Einfälle, Malereien von einer
sprühenden, farbigen Schönheit, und dicht daneben
Unausgeglichenes, Fades, Brutales, Süßliches, Entglei-
sungen nach allen Richtungen. Beispiele für alles
bietet diese kleine Ausstellung. Wer sie ergänzen
will, mag noch zu Schulte gehen, wo ebenfalls gerade
jetzt ein paar Bilder von Corinth zu sehen sind,
darunter das feine Porträt der Frau Halbe und ein
virtuos gemalter Schlächterladen. Nebenbei das einzige,
was aus dem Vielerlei dieser Ausstellung, in der auch ein
 
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