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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Henkel, Max Ditmar: Ausstellung der Sammlungen Bredius und Kronig im Haag
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https://doi.org/10.11588/diglit.6190#0200

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Ausstellung der Sammlungen Bredius und Kronig im Haag

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dem Gemälde hat Rembrandt das vereinfacht, da läßt
er den Körper nur von zwei Personen getragen werden;
gut ist auf der Zeichnung die Anstrengung des Tragens
wiedergegeben; im Hintergrund hantiert noch eine
vierte Person, scheinbar hinter einem Bett; demnach
wäre der Vorgang in das Innere der Herberge ver-
legt; auf dem Gemälde befinden wir uns im Freien
vor dem Haus.

Von andern Großmeistern der holländischen Malerei
ist Jan Steen durch fünf Werke vertreten; das schönste
davon ist sicherlich das große Gemälde mit der Dar-
stellung des Satyrn bei dem Bauern, der warm und
kalt bläst; sehr fein ist hier die Harmonie, die die
mannigfaltigen reinen Farbentöne, unter denen bläulich-
graue überwiegen, zuwege bringen. Wegen des etwas
rätselhaften und für Steen nicht gewöhnlichen Gegen-
standes ist ein anderes Bild merkwürdig, das von
Hofstede de Groot als der Hl. Michael mit dem er-
legten Drachen gedeutet wird. Ein Engel in grünem
Gewände, das Knie und Arme nackt läßt, hält ein
totes drachenähnliches Ungeheuer über ein kleines
Herdfeuer. Zwei kleinere Werke behandeln das so
oft von Jan Steen bearbeitete Thema der Heimkehr
von der Kirchweih und eine Anbetung der Hirten
bei Kerzenlicht; das fünfte ist eine breite und flüch-
tige erste Skizze zu den sog. »Rhederykers«, die in
mehrfachen Wiederholungen vorkommen, u. a. in
München (früher in Augsburg) und der ehemaligen
Sammlung Peltzer. Alle fünf Werke sind bezeichnet.

Der Adriaen van Ostade, den Bredius einge-
schickt hat, ist vom Mauritshuis her bekannt, wo er
früher einen Teil der Brediusschen Leihgabe aus-
machte; es sind diesmal keine grotesken Bauern, die
uns Ostade sehen läßt, er führt uns in den Empfangs-
raum einer wohlhabenden Amsterdamer Bürgerfamilie,
wo man Besuche empfängt. Früher nannte man das
Bild den Heiratsantrag; als solcher ist er bei Hofstede
de Groot beschrieben (Nr. 878). Bredius sieht darin
aber nur eine einfache Besuchsszene, und da sich die
Herkunft des Werkchens verfolgen läßt, wissen wir
auch, in wessen Hause wir uns hier befinden; es ist
die Familie Questiers, der der Maler, der sich selbst
im Hintergrunde stehend dargestellt hat, einen Besuch
abstattet. Ein sorgfältig gemaltes Werkchen in einer
hellen Farbenskala aus der Reifezeit des Meisters; fein
ist die Stoffbehandlung und der Ausdruck in den
Gesichtern, besonders das etwas dumme Lächeln auf
dem breiten Gesicht der vorlesenden Dame und der
nachdenkliche Ernst auf dem schmalen, klugen Antlitz
des Malers. Aus der Sammlung Bredius sind ferner
noch einige schöne Proben der holländischen Land-
schaftsmalerei zu nennen, eine sehr poetische Abend-
landschaft von Aelbert Cuyp, die man früher
auch im Mauritshuis bewundern konnte, mit präch-
tigen Lichteffekten, eine klare, kalte Winterlandschaft
mit Schlittschuhläufern von Aert van der Neer, ein
frischer kleiner Hobbema und eine 1664 datierte
und bezeichnete Marine von Jac. Bellevois mit der
Ansicht von Dordrecht.

Befremdend wirken einige Zuschreibungen in der
Kronigschen Sammlung, so vor allem der sogenannte

van Dyck, eine Anbetung der Hirten, ein Frühwerk
des Meisters, wie der Katalog sagt, offenbar eine
italienische Arbeit von einem Nachfolger Caravaggios,
auffallend durch die scharfe Modellierung der Fi-
guren und die unvermittelten Übergänge zwischen
den kalten hellen Partien und den dunkeln Schatten.
Auch vor dem Metsu, einer Darstellung des durch
das Dirk Boutssche Gemälde bekannten ungerechten
Urteils des Kaisers Otto, wird man etwas stutzig,
selbst wenn man sich des großfigurigen Bildes der
Schmiede im Rykstnuseum erinnert. Scheint hier doch
alles, sowohl Farbengebung wie Komposition, nach
den südlichen Niederlanden zu weisen. Der Einfluß
von Rubens und van Dyck ist jedenfalls unverkennbar,
und die dargestellten Figuren, der kahlköpfige Kaiser
und die um den Thron stehenden Krieger und Rats-
herren, bilden eine kleine Musterkarte vlämischer Typen;
für die Figur rechts im Hintergrunde scheint ein Habs-
burger Modell gestanden zu haben. Das interessante
Werk, auf dem offenbar rechts neben dem auf dem
Boden knienden und seine Zange über einem Kohlen-
feuer erhitzenden Henker eine Figur fehlt, entbehrt
nicht des dekorativen Reizes. — Die Familie des
Tobias, die Kronig Rembrandt zuweist, haben wir
schon oben erwähnt. Über das auf Jordaens ge-
taufte Gemälde, auf dem die Geschichte von Jo und
Argus dargestellt ist, werden sich wohl keine Meinungs-
verschiedenheiten ergeben; die Handschrift von Jordaens
ist zu deutlich, und es muß als ein sehr charakte-
ristisches Werk des Meisters angesehen werden. Jordaens
hatte für diese griechische Sage eine besondere Vor-
liebe; er hat alle Episoden dieser Geschichte behandelt,
zum Teil sogar mehrmals, wie Rooses vermutet, weil
er hier Vieh anbringen konnte. Auf dem Kronigschen
Bilde sehen wir, wie die in eine weiße Kuh ver-
wandelte Jo dem rechts auf einer niedrigen Anhöhe
sitzenden Argus von Juno zugeführt wird; die Göttin
ist fast unbekleidet; ihr grüner Mantel ist bis an den
Schoß herabgeglitten und wird nur von einer goldenen
Kette, die von der Schulter quer über den nackten
Körper läuft, festgehalten, ähnlich wie bei einer andern
Jordaensschen Darstellung. Neben vlämischen und
holländischen Werken umfaßt die Sammlung auch
italienische und französische Arbeiten; sie wird über-
haupt durch eine bemerkenswerte Vielseitigkeit gekenn-
zeichnet. Kronig sammelt nicht wie Bredius nach einem
festen Prinzip, sondern ergreift Besitz von dem, was
ihm der Zufall Schönes und Interessantes gerade bietet.
Wenn es seiner Sammlung an der vornehmen Einheit
gebricht, die man bei Bredius bewundern muß, so
ist sie dafür andererseits an Abwechslungen und
Überraschungen reicher. Zum Teil verrät sich in den
ausgewählten Stücken eine Neigung zum Prunk und
ein moderner, ich möchte sagen, französischer Ge-
schmack, der an mehr dekorativer und formaler Schön-
heit Gefallen findet; im Gegensatz zu dem intimeren
Charakter der Brediusschen Sammlung. Ein Werk
von beachtenswerten dekorativen Qualitäten ist ein
großes Langbild, eine blonde liegende Venus mit dem
Amor hinter sich und der Schmiede des Vulkans im
Hintergrunde, das Kronig als venezianische Schule be-
 
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