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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.6190#0253

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Gemeint ist damit jedenfalls die noch heute in der
Maria Schnee - Kapelle hängende Höllenfahrt und Auf-
erstehung von Cranach.

Schmid bemerkt dazu: »Nach dem Brief Brentanos
scheinen in Aschaffenburg schon am Beginn des Jahr-
hunderts Cranachsche Werke als solche Grünewalds be-
zeichnet worden zu sein.« Das ist offenbar durchaus
richtig, und ein neuer Beweis dafür liegt aus dem Jahre 1809
vor, auf den, als für die Bekanntschaft mit dem Namen
Grünewald nicht ganz unwichtig, kurz hingewiesen sei.

In den von Heinrich Zschokke herausgegebenen Mis-
zellen zur allgemeinen Weltkunde (Jahrgang3, Aarau
1809) befindet sich ein Aufsatz »Gemälde [d. h. so viel wie
Beschreibung] von Aschaffenburg«, der auf S. 23 die
folgende Stelle enthält:

»Eine der Kapellen, in welche sich die Nebengänge
der Kirche [d. h. der Stiftskirche] endigen, enthält einige
Gemälde aus der Wiegenzeit deutscher Kunst. Ein gewisser
Grünewald, Albrecht Dürers Schüler (er lebte ums Jahr 1500),
hat sich hier in mehreren Darstellungen aus der heiligen
Geschichte verewigt. Kolorit und Zeichnung sind trefflich;
allein wie beinahe auf allen deutschen Gemälden der da-
maligen Zeit, findet man nur zu häufigen Verstoß gegen
das Kostüm und die malerische Anordnung, Anachronismen
und Folgenreihen von Handlungen, auf einem Gemälde
dargestellt: besonders merkwürdig ist in dieser Hinsicht
ein Jüngstes Gericht. Auf mehreren hier befindlichen Ar-
beiten Grünewalds kommt in verschiedenen Kostümen das
täuschend ähnliche Porträt Albrechts von Brandenburg vor,
der damals den erzbischöflichen Stuhl bekleidete und in
der Reformationsgeschichte eine so bedeutende Rolle spielte.
Unter anderen ist Albert in Lebensgröße als Lazarus ab-
gebildet: ihm gegenüber eine weibliche Figur als Magda-
lena, die (sie fama) eine gewisse Elsbeth Ridigerin (wahr-
scheinlich eine Freundin Alberts) vorstellen soll«1).

Das zuerst genannte Bild ist möglicherweise die bereits
erwähnte Cranachsche Darstellung der Höllenfahrt und
Auferstehung Christi in der Maria Schnee-Kapelle, die
schon Brentanos Aufmerksamkeit erregt hatte.

Unter den Darstellungen mit dem Porträt des Kar-
dinals Albrecht haben wir gewiß auch das Münchener
Erasmusbild und die jetzt in der Aschaffenburger Schloß-
galerie befindliche Gregorsmesse zu suchen: namhaft
werden aber gemacht nur die seit 1836 in der Münchener
Pinakothek hängenden Tafeln mit dem hl. Lazarus und der
hl. Magdalena, die sicher schon damals mit den zu gleicher
Zeit nach München überführten Heiligen Chrysostomus und
Martha samt dem Erasmusbilde zusammen hingen. Durch
das 1838 von Georg von Dillis verfaßte Verzeichnis der
Gemälde in der Pinakothek wurden die Bilder als Grüne-
walds in die kunstgeschichtliche Literatur eingeführt,
während Kugler und Nagler sie bis 1837 noch nicht
kennen. Auch Fiorillo in seiner Geschichte der zeichnenden
Künste von 1816 erwähnt nur eine der Gregorsmessen als
von Cranach herrührend. Die wichtige Rolle, die die
Bilder dann weiter in der Grünewald- und Pseudogrüne-
wald-Frage gespielt haben, ist bekannt2).

1) Der anekdotische bürgerliche Name der Heiligen,
hier aber in der Form: Ursula Redingerin, taucht auch
bei dem seit 1820 verschollenen Gemälde einer hl. Ursula
(Gegenstück zu Albrecht von Brandenburg als Bischof)
auf. Flechsig a. a. O. S. 163 f.

2) Vgl. Flechsig, Cranach-Studien. S. 112 f.

So wird Dillis also bei seiner Taufe auf Grünewald
einfach einer Aschaffenburger Lokaltradition gefolgt sein,
die kurz zuvor, 1837, in einer von J. May verfaßten »Be-
schreibung der vormaligen Kollegiatsstiftskirche zu den Hei-
ligen Peter und Alexander in Aschaffenburg« (Archiv des
historischen Vereins für den Untermainkreis. 4. Bd. 2. Heft.
Würzburg 1837, S. 15, 16, 108) ihren ersten literarischen
Niederschlag gefunden hatte1). Die Notiz in den Mis-
zellen zeigt also diese Tradition schon um eine Gene-
ration früher lebendig. Es wäre interessant, wenn sie noch
weiter nach rückwärts verfolgt werden könnte. Seit Sand-
rart hatte bis dahin, soviel ich sehe, niemand wieder von
Grünewaldschen Bildern in Aschaffenburg gesprochen.

Der Verfasser des Aufsatzes, der sich am Schlüsse
der Fortsetzung selbst nennt, ist auch sonst bekannt; es
war ein Jurist: Markus Theodor von Haupt, der, 1784
in Mainz geboren, in Aschaffenburg Jurisprudenz studierte,
dann seit 1804 an der Bergstraße praktizierte und 1808
Hofgerichtsadvokat in Darmstadl wurde. (Über das spätere
reichbewegte Leben des interessanten Mannes s. den Ar-
tikel der Allgem. Deutschen Biographie.) So hatte er
Aschaffenburg wohl genau kennen lernen können, wenn-
gleich unter seinen zahlreichen, auch Dichterisches um-
fassenden Schriften nichts auf die genauere Beschäftigung
mit bildender Kunst hindeutet. Die — nach einer Notiz
in den Miszellen — von ihm »in Verbindung mit mehreren
Gelehrten« geplante Herausgabe von »Ansichten des Mains,
des Odenwaldes und der Bergstraße«, für die vielleicht
auch genauere Mitteilungen über die Aschaffenburger Ge-
mälde vorgesehen waren, ist offenbar nicht zustande ge-
kommen. Karl Simon.

VEREINE

Der neue Vorstand der Berliner Sezession. In

der außerordentlichen Generalversammlung der Berliner
Sezession wurde Lovis Corinth zum Präsidenten gewählt.
Zu Mitgliedern des Vorstandes sind ferner gewählt die
Herren Prof. Philipp Franck, Leo Freiherr v. König, Emil
Pottner und Eugen Spiro. In der Sitzung wurde gleich-
zeitig Mitteilung darüber gemacht, daß der Bau des neuen
Hauses am Kurfürstendamm 232 bereits so weit gefördert
ist, daß die nächste Ausstellung dort Anfang Oktober eröffnet
werden wird.

Geheimrat Professor Dr. Julius Menadier, der Direktor
des Münzkabinetts im Berliner Kaiser-Friedrich-Museum,
plant die Gründung einer Vereinigung der Freunde der
deutschen Schaumünze, die nach dem Muster der Wiener
österreichischen Gesellschaft zur Förderung der Medaillen-
kunst und Kleinplastik wie der »Societes des amis de la
Medaille« in Paris und Brüssel die Entwicklung der Schau-
münze fördern soll. Die den Mitgliedern zukommenden
Medaillen sollen in einer beschränkten Anzahl numerierter
Stücke hergestellt werden und zwar in Bronzeguß oder
Silberprägung, und nicht in den Handel gebracht werden.
Die Arbeiten sollen sich zunächst an Themen des Welt-
krieges anschließen, später aber frei alle Stoffe behandeln.
Als Jahresbeitrag wird 100 M. angenommen.

1) S. Flechsig a. a. O. Wenn an dieser Stelle gesagt
wird, nach der Auflösung des Stiftes 1803 seien die Tafel-
bilder in die kurfürstliche Schloßgalerie überführt worden,
zurückgeblieben seien nur Christi Auferstehung und Höllen-
fahrt und der hl. Valentin, ferner eine Beweinung — jetzt
in Augsburg — so scheint, nach unserer Notiz zu urteilen,
diese Überführung erst nach 1809 stattgefunden zu haben.

Inhalt: Ein Beitrag zu dem Bildnis der Sammlung Czartoryski. Von Dr. Emmy Voigtländer. — Joseph von Brandt t; Joseph Willroider t; Fidelis
Walch t; Dr. Karl v. Sztrakoniczky f. — Personalien. — Kriegsmal in Essen; Römerbrunnen in Köln. — Ausstellungen in Berlin, Düssel-
dorf, München, Amsterdam. — Dekorationsarbeiten im Museum der bildenden Künste in Budapest; Neuerwerbungen der Neuen Pinakothek
in München aus dem Besitz der Modernen Galerie Thannhauser. — »Käthchen Schönk'bpf« von Anton Oraff im Leipziger Museum; Eine
Notiz über Grünewald von 1809. — Der neue Vorstand der Berliner Sezession; Vereinigung der Freunde der deutschen Schaumünze.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig
 
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