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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,2.1928

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Heft 7 (Aprilheft 1928)
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Egidy, Emmy von: Deutschland in drei Städtebildern, [2]: wie es sich für einen Auslandsdeutschen darstellt
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https://doi.org/10.11588/diglit.8884#0031

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Und hier, gerade hier, wo jeht scheinbar das Lechnische, mechanische nnd atomi-
sierte Leben der Neuzeit überwiegt, muß es möglich werden, den Kampf der
deutschen Kulkurseele gegen die erdrückende Technik siegreich zu führen: hier
an der Wiege unserer Kultur, wo die kosmisch begnadeten Mächte heute noch
wie vor Jahrhunderten unser warten.

Hier bleibt eine Hossnung!

22o sonst in ciner Großstadt ist noch urtümliches Leben zu sinden wie in Köln?
— Hier blüht die Landschaft, herangetrageu durch den großen Skrom, hinein
in die immer wachsende Stadt, wie ein Versprechen ist ihr Gruß, daß hier
niemals der alles gleichmachcnde Geist der Weltstadk das stammgesärbte An-
gesichk der Kapitale des deutschen Westens überwuchern wird. Wie das
Stadtbild, so das Menschenbild. Wie ganz anders mit elastischen Schritken
geht der Kölner seiner Arbeit nach als der hastende Berliner! Die Jlrbeik des
Berliners führt zum „Geschäft", im besten Falle zur großen produktiven -Or-
ganisation. Die Llrbeik des Rheinländers sollke ähnlich wie in früheren Iahr-
hunderten, da sie vom Handwerk zur Kunsl führte, nun auch von seiner erdver-
bnndenen mächtigen Produktion dahin führen können.

Das ist die Hoffnung, die das Reich auf diese schönste Provinz gestellk hat.
Nichk mehr die Madonnen der Dome werden entstehen, es sind die Bilder der
Arbeik, von der dem Künstler die großen Anregungen kommen könncn. Wie
diese Arbeit den Menschen an den Erdboden bindek, so kann sie auch die Kunst
wieder dahin sühren, vou wo sie genährt werden muß, um echt zu sein.

Eine Kunst-Berwirrung, wie wir sie heute haben, mußte da entstehen, wo die
Bedeutung des Marktes die Bedeutung der Produktion überwuchert. Vicl
wichtiger als der Künstler scheint heute der Kunsthändler. Iahrelang kämpsken
die Künstler um ihre Geltung: sie haben den Kamps verloren, der Nearkt hat
gesiegt. tlnd wiederum ist Berlin dieser siegende Rkarkt. Seit auch der Ga-
lerie- und Museums-Direktor sich mit dem Häudler gegen den Künstler ver-
bündet, ist der Kampf vorläufig enkschieden. Berlin wurde Kunststadk, das
hcißt alle großen Kunsthändler des Reiches siedelken mik ihrem Geschäft sich
in Berlin an, dann erst folgten die Künstler. Der Händler und sein Geschmack
bestimmen den Markt. Der Geschmack des Händlers aber heißt: „Geschäft".
So ist allen Launen und allen Zufälligkeitcn des Tagesgeschmacks ausgeliefert,
was die elementgeborenste Betätigung eincr Nakion sein chllte. Dazu kommt,
daß Berlin, bei dessen kapitalistischen Mächten unter der Oberfläche cin Wunsch
schlummern mag, aus dem dcutschen Markt zum europäischen Markt zu werden,
eine Färbung von InternakionalitäL hak, die einer echken Kunst den Boden
abgräbt.

Dagegen mchen weder Zeikungsstreit gegen die Bormachtstellung Berlins noch
Interpellationen bei den Regierungen. Eine andere Kampfweise muß gefunden
werden: Die „Publikum" genannte Gesamtheik muß sich wieder besinnen auf
ihre nakürliche Funktion, ihr Recht, in Kunstdingen mit zu raten und zu taten.
Politisch hak sich der Deuksche mündig erklärt. Kunstfragen aber und ihre
Entscheidung scheint er so lange interesselos dcm Urteil von Spezialisten zu
überlassen, bis er erfährt, daß ein schlechtes Geschäft gemacht worden mit
seinen, den öffentlichen Geldern, oder daß bekrächkliche private Teile des Volks-
vermögens für Kunsi ins Ausland wandern. Als im vergangenen Frühjahr

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