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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,2.1928

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Heft 7 (Aprilheft 1928)
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Egidy, Emmy von: Deutschland in drei Städtebildern, [2]: wie es sich für einen Auslandsdeutschen darstellt
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https://doi.org/10.11588/diglit.8884#0032

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die Berliner Irational-Galerie einc Gesamtausstellung der Werke des Nor-
wegers Munch sür nötrg hielt, wurde diese Ausstellung erössnet mik einem Hin-
weis auf die vor Zg Jahren zum erstenmal in Berlin statkgefundene Ausstel-
lung einiger Bilder des gleichen Künstlers. Damals, so wurde mit crstauuen-
dem Tadel berichtek, habe jene Ausstellung nach wenigcn Tagen geschlossen
wcrden müssen aus den Protest des Publikums und der älteren Künstlerschafk
hin. Gewiß: mögen diese Proteste auch haupksächlich aus einer Stumpsheit
des Banausen, einer Dumpfheit des Philisters, gekommen sein, der nichl aus-
gestört sein will aus seinem Lrägen Schlendrian, nicht anders sehen lernen will,
als die liebe alte Gewohnheit es gestatket, und waren sie auch sachlich falsch:
menschlich aber von seiner Einstellung als Banause und Philister aus (die be-
rechtigt und notwendig ist, genau wie die des Künstlerö) loaren sie würdiger,
gesünder und echter als der heutige, nur der Mode uachlaufende, Beifall der
Menge. Wo ist heute noch ein Publikum, das sich etwas uicht gefallen
ließe? Jene Proteste zwangen zur Besinnung auf das innerste Müssen,
sie bildeten den gegebenen natürlichen Widerstand, an dem der Künstler erstar-
ken mußte; es galt, diese Barrikadcn einzurennen. Und wie das Beispiel gerade
dcsselben Munch zeigt, ist es auch der damals „ueuen" Kunst besser bekommen,
als der heute „ueuen" das widerstandslose Hineingleiten des Publikums in
jede Augenblickslaune. Der Widerstand des Philisters ist aus dem Lebens-
kampf des Künstlers so gut wie verschwunden. Dieser natürliche Gegner
schweigt. Dafür ist ihm ein anderer viel gesährlicherer, drosselnder Feind cr-
standen im Kapitalismus, mörderisch auch da, wo er scheinbar begünstigt. Diese
nnter dem Druck des „Bertrages" schärfer denn je ausgeprägte Wirtschafts-
form bringt es mit sich, daß heute Kunst und Publikum iu einem Wettlauf
begrisfen sind, um die letzke, die kühnste, die unerhörteste N!ote. (Und wir
müssen leider zugeben: auch um die größte Blamage.) Immer wach-reagie-
rend aus jeden Reiz, ausspähend nach der nächsten Welle, die von cinem will-
kürlich aufgepeitschten Kunst-Gewässer herausgetrieben wird, so kreist der
Wirbel nicht mehr um Kunst-Ausdruck — er treibt um das Geschäst. Für
eine wahre Kunst cin ebenso unnatürlicher wie hosfnungsloser Kampf, weil
hier dic höchste menschliche Kuudgcbung nnt der höchsten außermenschlichen,
unmenschlichen Macht zusammenprallk.

Man täusche sich nicht; so künstlerisch auch Berlin seinen Markt gestalten muß,
diese, Staunen und Bewunderung erweckende, Geschmackskunst ist Leistnng,
Resultak einer inimer über die eigenkliche Kraft hinausgehenden wirkschaftlichen
Forderung, weiteres Resultat einer wahnsinnigen Konkurrenz — mit Kunst hat
diese Leistung nichks zu tuu.

Deshalb: gerade hier liegk die Erwartung, hier die Hosfnung des Reiches
auf seine schönste Provinz; unterstützk von den schenkenden Mächten der Natur,
fällt hier die drosselnde Forderung an den Menschen fort, immer mehr zu tun
als er eigentlich kann; ein anderer Maßstab als das Müssen, aufgepeitscht
durch eine unsinnige Konkurrenz, ist das Können, genährt und auch geregelt
aus den Kräften der Erde. Hier sollte wieder Kunst wachsen könuen und hier
gefördert werden, so hoffen wir.

Hier auch, wo man die Fremdherrschaft crfahren, wird man fremdländischer
Kunst gegenüber cine andere Geste finden als in Berlin, wo die Verknechtuug

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